27.02.2024
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Das "Rückführunsgverbesserungsgesetz" bedient rechten Populismus. Foto: IMAGO / Willi Schewsk

Während sich in Deutschland allerorten Menschen zu Tausenden über die Deportationspläne der extremen Rechten empören und auf die Straße gehen, hat der Bundestag das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz beschlossen, mit dem Ausweisungen, Abschiebungen, Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam drastisch verschärft werden. Jetzt ist es in Kraft.

Im Koali­ti­ons­ver­trag hat­te die Ampel­re­gie­rung eine Rei­he posi­ti­ver Maß­nah­men vor­ge­se­hen, ganz im Sin­ne des ver­spro­che­nen »Neu­an­fangs in der Migra­ti­ons­po­li­tik«. So woll­te sie etwa sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te beim Fami­li­en­nach­zug mit aner­kann­ten Flücht­lin­gen gleich­stel­len und ver­sprach, dass beim Eltern­nach­zug zu min­der­jäh­ri­gen Flücht­lin­gen min­der­jäh­ri­ge Geschwis­ter nicht zurück­blei­ben müssten.

Einseitige Verlegung auf eine »Rückführungsoffensive«

Umge­setzt hat sie all die­se längst über­fäl­li­gen Rege­lun­gen nicht. Statt­des­sen hat sich die Bun­des­re­gie­rung unter dem Druck von rechts ganz ihrem eben­falls im Koali­ti­ons­ver­trag ange­kün­dig­ten Ziel einer »Rück­füh­rungs­of­fen­si­ve« ver­schrie­ben. Sie hat die­sen Dis­kurs sogar selbst mit befeu­ert, allen vor­an Olaf Scholz, der sich im Okto­ber 2023 mit dem Satz »Wir müs­sen end­lich im gro­ßen Stil abschie­ben« auf der Titel­sei­te des Spie­gels zitie­ren ließ.

Etwa zur glei­chen Zeit kam aus dem Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, das bereits im August 2023 einen ers­ten Dis­kus­si­ons­ent­wurf mit glei­cher Ziel­rich­tung ver­fasst hat­te, ein offi­zi­el­ler Ent­wurf für das Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz. Trotz mas­si­ver Kri­tik aus Ver­bän­den und Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen – dar­un­ter auch PRO ASYL – hielt die Bun­des­re­gie­rung an ihrem Vor­ha­ben fest. Im Novem­ber folg­te deren Gesetz­ent­wurf und noch am 18. Janu­ar 2024 ein Ände­rungs­an­trag sämt­li­cher Frak­tio­nen der Ampel, ehe das Gesetz noch am sel­ben Tag beschlos­sen wur­de. Am 27. Febru­ar 2024 ist das Gesetz in Kraft getreten.

PRO ASYL gibt einen Über­blick über die schwer­wie­gends­ten Ver­schär­fun­gen und die weni­gen Ver­bes­se­run­gen für geflüch­te­te Menschen.

Ausweitung der maximalen Dauer des Ausreisegewahrsams 

Das Gesetz ent­hält in ers­ter Linie aus­ufern­de Ver­schlim­me­run­gen im Bereich von Aus­rei­se­ge­wahr­sam und Abschie­bungs­haft. Am augen­fäl­ligs­ten ist die annä­hern­de Ver­drei­fa­chung der Dau­er des Aus­rei­se­ge­wahr­sams von 10 auf 28 Tage. Hier­zu muss man wis­sen, dass die Anord­nung von Aus­rei­se­ge­wahr­sam – anders als Abschie­bungs­haft – nicht ein­mal eine Flucht­ge­fahr erfor­dert. Der Aus­rei­se­ge­wahr­sam kann etwa schon dann ange­ord­net wer­den, wenn Aus­rei­se­pflich­ti­ge die ihnen gesetz­te Frist zur Aus­rei­se um mehr als 30 Tage über­schrei­ten oder wenn sie bei einer – auch gering­fü­gi­gen – Über­schrei­tung der Aus­rei­se­frist irgend­wann ein­mal ihrer gesetz­li­chen Mit­wir­kungs­pflicht nicht nach­ge­kom­men sind.

Die maxi­ma­le Dau­er des Aus­rei­se­ge­wahr­sams wird nun bereits zum zwei­ten Mal aus­ge­dehnt: Bei sei­ner Ein­füh­rung im Jah­re 2015 betrug sie nur vier Tage, im Jah­re 2017 wur­de sie mit dem »Gesetz zur bes­se­ren Durch­set­zung der Aus­rei­se­pflicht« – auch bekannt als »Hau-Ab-Gesetz« – auf zehn Tage erhöht. Dass die maxi­ma­le Dau­er jetzt mit 28 Tagen fast ver­drei­facht wird, zeigt deut­lich, dass die­se zeit­li­che Aus­deh­nung der Frei­heits­ent­zie­hung völ­lig unver­hält­nis­mä­ßig ist. Begrün­det wird dies allein damit, dass die bis­he­ri­ge Dau­er von zehn Tagen für »den prak­ti­schen Voll­zug« durch die Aus­län­der­be­hör­den­re­gel­mä­ßig zu kurz« sei. Betrof­fe­nen wird also allein auf­grund der inef­fek­ti­ven Tätig­keit der Aus­län­der­be­hör­den die Frei­heit entzogen.

Abschiebungshaft künftig auch während eines Asylverfahrens möglich

Ände­run­gen gibt es mit dem Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz auch für die Abschie­bungs­haft. So wird die maxi­ma­le Haft­dau­er der Abschie­bungs­haft von drei auf sechs Mona­te ver­län­gert. Zudem galt bis­her, dass bei Stel­lung eines Asy­l­erst­an­tra­ges kei­ne Abschie­bungs­haft ange­ord­net wer­den durf­te. Nur, wenn Antragsteller*innen sich bereits in Haft befan­den und erst dann einen Asyl­an­trag stell­ten, stand die Antrag­stel­lung der Anord­nung oder Auf­recht­erhal­tung der Abschie­bungs­haft nicht ent­ge­gen. Mit die­ser Rege­lung soll ver­hin­dert wer­den, dass sich Men­schen, die sich bereits in Abschie­bungs­haft befin­den, die­ser durch einen miss­bräuch­lich gestell­ten Asyl­an­trag mit dem dadurch aus­ge­lös­ten Blei­be­recht ent­zie­hen und unter­tau­chen können.

Mit dem neu­en Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz gilt aber nun, dass zum Zeit­punkt der ers­ten Asyl­an­trag­stel­lung Abschie­bungs­haft auch dann ange­ord­net wer­den kann, wenn Betrof­fe­ne sich zuvor noch nicht in Haft befan­den. Das bedeu­tet aber, dass letzt­lich jede*r Schutz­su­chen­de – selbst wenn umge­hend nach Ein­rei­se der Asyl­an­trag gestellt wird und damit der Vor­wurf einer miss­bräuch­li­chen Asyl­an­trag­stel­lung völ­lig fern liegt – in Abschie­bungs­haft genom­men wer­den kann. Denn Schutz­su­chen­de kön­nen – man­gels lega­ler Flucht­we­ge – regel­mä­ßig nicht erlaubt in das Bun­des­ge­biet ein­rei­sen und sind infol­ge der uner­laub­ten Ein­rei­se voll­zieh­bar aus­rei­se­pflich­tig. Damit erfül­len sie aber bereits den Haft­grund des § 62 Abs. 3 Nr. 2 Auf­ent­halts­ge­setz (Auf­enthG).

Auch Flucht­ge­fahr, ein wei­te­rer Grund für Abschie­bungs­haft, könn­te bei die­sem Per­so­nen­kreis oft ange­führt wer­den: Bei­spiels­wei­se gel­ten die Auf­wen­dung nicht uner­heb­li­cher Geld­be­trä­ge für Schleu­ser (§ 62 Abs. 3b Nr. 2 Auf­enthG) und das Nicht­vor­han­den­sein von Iden­ti­täts­do­ku­men­ten samt der Ver­mu­tung, die betrof­fe­ne Per­son habe die­se absicht­lich ver­nich­tet (§ 62 Abs. 3a Nr. 1 Auf­enthG), gesetz­lich als Anhalts­punk­te für Fluchtgefahr.

Mehr Menschen müssen in Haft 

Asyl­fol­ge­an­trä­ge stan­den bis­her der Anord­nung von Abschie­bungs­haft dann ent­ge­gen, wenn das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) in einer dem eigent­li­chen Asyl­fol­ge­ver­fah­ren vor­ge­la­ger­ten Prü­fung zu dem Ergeb­nis kam, dass ein neu­es Asyl­ver­fah­ren durch­zu­füh­ren ist. Dies ist bei­spiels­wei­se der Fall, wenn das BAMF zu der Erkennt­nis gelangt, dass sich seit dem Erst­ver­fah­ren die Ver­hält­nis­se im Her­kunfts­staat maß­geb­lich zum Nach­teil von Antrag­stel­len­den geän­dert haben und damit eine gewis­se Wahr­schein­lich­keit dafür besteht, dass ihrem Asyl­fol­ge­an­trag statt­zu­ge­ben sein wird. Doch auch in die­sen Fäl­len ist künf­tig die Anord­nung von Abschie­bungs­haft möglich.

Es ist zu befürch­ten, dass die genann­ten Rege­lun­gen dazu füh­ren, dass eine Viel­zahl von Erst- und Folgeantragsteller*innen für die Dau­er ihres Asyl­ver­fah­rens in Haft blei­ben müs­sen. Abge­se­hen davon, dass der Frei­heits­ent­zug unge­recht­fer­tigt ist, sind die Betrof­fe­nen mit den damit ver­bun­de­nen Hür­den kon­fron­tiert: Ihnen fehlt der Zugang zu einer Asyl­ver­fah­rens­be­ra­tung und die Kon­takt­auf­nah­me und die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Rechts­bei­stän­den aus der Haft her­aus gestal­tet sich – auch auf­grund der regel­mä­ßig feh­len­den Sprach­kennt­nis­se, wegen derer zusätz­lich Sprachmittler*innen erfor­der­lich sind – außer­or­dent­lich schwierig.

Erfolg: Gericht muss Rechtsbeistand bestellen

Ein­zi­ger Licht­blick im Dun­keln: Mit dem Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz kommt eine Rege­lung, nach wel­cher Men­schen, die in Abschie­bungs­haft genom­men wer­den, stets ein*e Verteidiger*in zur Sei­te gestellt wer­den muss. Das mit der Abschie­bungs­haft­sa­che befass­te Gericht hat diese*n von Amts wegen für die Dau­er des Ver­fah­rens zu bestel­len. Die­se Rege­lung ähnelt der Pflicht­ver­tei­di­gung im Straf­recht nach den Para­gra­fen 140 und 141 der Strafprozessordnung.

Die­se Pflicht­ver­tei­di­gung ist eine lang­jäh­ri­ge For­de­rung des auf Abschie­bungs­haft­sa­chen spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­walts Peter Fahl­busch aus Han­no­ver, die auch PRO ASYL gemein­sam mit ande­ren Ver­bän­den und Inter­es­sen­grup­pen immer wie­der an den Gesetz­ge­ber her­an­ge­tra­gen hat. Die­se Rege­lung ist sehr zu begrü­ßen, da das Abschie­bungs­haft­recht eine sehr kom­ple­xe Mate­rie dar­stellt und Men­schen in Abschie­bungs­haft meist nicht über die not­wen­di­gen Mit­tel ver­fü­gen, um sich eine*n Verteidiger*in leis­ten zu kön­nen. Dass eine Pflicht­bei­ord­nung von Rechts­bei­stän­den wäh­rend Abschie­bungs­haft nötig ist, ergibt sich außer­dem dar­aus, dass sich die Anord­nung der Abschie­bungs­haft vali­den Schät­zun­gen zu Fol­ge in etwa 50 Pro­zent der Fäl­le als rechts­wid­rig erweist.

Durchsuchungen der Zimmer von Mitbewohner*innen von Abzuschiebenden

Im Juni 2023 hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ent­schie­den, dass Zim­mer in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen als Woh­nung im Sin­ne des Arti­kel 13 Grund­ge­setz (GG) anzu­se­hen sind und ent­spre­chen­den Schutz genie­ßen. Spitz­fin­dig kommt das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aber in der Ent­schei­dung zu dem Ergeb­nis, dass es sich ledig­lich um ein »Betre­ten« und nicht um eine »Durch­su­chung« han­delt, wenn es um einen klei­nen, über­schau­ba­ren Raum geht und es dar­in kei­nes »ziel- und zweck­ge­rich­te­ten Suchens« der abzu­schie­ben­den Per­son bedarf. Eine »Durch­su­chung« wür­de dem Rich­ter­vor­be­halt des Art. 13 Abs. 2 GG unter­lie­gen und damit einer rich­ter­li­chen Anord­nung bedür­fen. So aber setzt die­se Maß­nah­me nur vor­aus, dass das Betre­ten »zur Ver­hü­tung drin­gen­der Gefah­ren für die öffent­li­che Sicher­heit und Ord­nung« erfor­der­lich ist – wovon das Gericht bereits aus­geht, wenn es dar­um geht, die Abschie­bung durch­zu­füh­ren. Der von dem Urteil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts betrof­fe­ne Klä­ger hat mit Unter­stüt­zung von PRO ASYL und der Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te Ver­fas­sungs­be­schwer­de ein­ge­reicht, die noch beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt anhän­gig ist.

Doch das neue Gesetz geht noch wei­ter: In Gemein­schafts­un­ter­künf­ten ist dem künf­tig nicht nur das Betre­ten des Zim­mers der abzu­schie­ben­den Per­son selbst, son­dern auch das Betre­ten von Zim­mern ande­rer unbe­tei­lig­ter Per­so­nen erlaubt, um der abzu­schie­ben­den Per­son hab­haft zu wer­den. Dabei wird von den Prä­mis­sen aus der genann­ten Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts aus­ge­gan­gen, also dass es sich auch hier nicht um eine »Durch­su­chung« han­delt, die wegen Art. 13 Abs. 2 GG einer rich­ter­li­chen Anord­nung bedürfte.

In Teilen verfassungswidrig 

Auch wenn das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt das Betre­ten des Zim­mers der gesuch­ten Per­son als von Art. 13 Abs. 7 GG gedeckt und ver­hält­nis­mä­ßig ansieht, heißt dies noch lan­ge nicht, dass dies auch für das Betre­ten des Zim­mers eines oder einer unbe­tei­lig­ten Drit­ten gilt. Aus Sicht von PRO ASYL über­wiegt hier klar das Schutz­in­ter­es­se Betrof­fe­ner an der Unver­letz­lich­keit der Woh­nung, die ein hohes ver­fas­sungs­recht­li­ches Gut dar­stellt, das öffent­li­che Inter­es­se an der Durch­füh­rung der Abschiebung.

Hin­zu kommt: In Fäl­len, in denen die Poli­zei zunächst das Zim­mer der abzu­schie­ben­den Per­son betritt und – weil sie die­se dort nicht antrifft – sich sodann in die Zim­mer von unbe­tei­lig­ten Mitbewohner*Innen begibt, liegt kein blo­ßes »Betre­ten«, son­dern ein »ziel- und zweck­ge­rich­te­tes Suchen« und damit eine »Durch­su­chung« vor, die dem Rich­ter­vor­be­halt des Art. 13 Abs. 2 GG unter­liegt. Da die mit dem Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz getrof­fe­ne Rege­lung kei­ne sol­che rich­ter­li­che Anord­nung vor­aus­setzt, hält PRO ASYL sie für verfassungswidrig.

Vereinfachung von nächtlichen Abschiebungen

Gera­de in Kom­bi­na­ti­on mit der Mög­lich­keit, die Zim­mer unbe­tei­lig­ter Per­so­nen zu betre­ten, stellt sich die eben­falls ein­ge­führ­te Erleich­te­rung des Betre­tens von Wohn­raum auch zur Nacht­zeit umso gra­vie­ren­der dar. Bis­lang galt, dass nachts (zwi­schen 21 Uhr und 6 Uhr) eine Woh­nung nur betre­ten oder durch­sucht wer­den durf­te, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, aus denen zu schlie­ßen ist, dass die Ergrei­fung der gesuch­ten Per­son zum Zwe­cke der Abschie­bung andern­falls ver­ei­telt wird. Eine sol­che »Tat­sa­che« kann bei­spiels­wei­se dar­in bestehen, dass die abzu­schie­ben­de Per­son im Schicht­dienst oder früh mor­gens – etwa als Bäcker – tätig ist und sie des­halb nur zur Nacht­zeit in ihrer Woh­nung anzu­tref­fen ist.

Gesetz­lich fest­ge­legt ist dem­ge­gen­über seit jeher, dass die Orga­ni­sa­ti­on der Abschie­bung kei­ne sol­che Tat­sa­che ist. Woh­nun­gen dür­fen also nicht etwa aus der Erwä­gung her­aus zur Nacht­zeit betre­ten oder durch­sucht wer­den, weil Aus­län­der­be­hör­de oder Poli­zei mei­nen, so leich­ter der gan­zen abzu­schie­ben­den Fami­lie hab­haft wer­den zu kön­nen. Für die­se Aus­nah­me in Bezug auf die Orga­ni­sa­ti­on der Abschie­bung ist jetzt eine Rück­aus­nah­me ein­ge­führt wor­den für »Rah­men­be­din­gun­gen, die durch die Abschie­bung durch­füh­ren­de Behör­de nicht beein­flusst wer­den kön­nen«. Gemeint sind bei­spiels­wei­se Abflug­zei­ten von Flug­zeu­gen oder Bedin­gun­gen von Ziel­staa­ten, wonach die­se abge­scho­be­ne Men­schen nur bis zu einer bestimm­ten Uhr­zeit entgegennehmen.

Besonders für Kinder traumatisch 

Es wird so also in Zukunft noch mehr nächt­li­che Abschie­bun­gen geben als bis­her. Die deut­sche Natio­na­le Stel­le zur Ver­hü­tung von Fol­ter rät expli­zit davon ab, Abho­lun­gen für Abschie­bun­gen nachts durch­zu­füh­ren. Ins­be­son­de­re wenn Kin­der betrof­fen sind, für die die Abho­lung zur Nacht­zeit zu Trau­ma­ta füh­ren kön­ne, sei eine Abschie­bung zur Nacht­zeit aus­nahms­los zu unterlassen.

Auch wird schon jetzt in der Recht­spre­chung die Bedeu­tung des Art. 13 GG her­vor­ge­ho­ben und betont, dass eine Abho­lung zur Nacht­zeit ungleich stär­ker in die Rechts­sphä­re Betrof­fe­ner ein­greift (ver­glei­che VG Köln, Beschluss vom 04.03.2021, 5 I 3/21). Daher ist äußerst frag­lich, ob die durch das Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz ein­ge­füg­te Rück­aus­nah­me noch ver­hält­nis­mä­ßig ist.

Ausweitung überfallartiger Abschiebungen ohne Ankündigung

Ver­schlech­te­run­gen gibt es auch bei der Ankün­di­gung von Abschie­bun­gen. Abschie­bun­gen von in Haft befind­li­chen Per­so­nen wer­den künf­tig gar nicht mehr ange­kün­digt. Bis­lang galt hier, dass eine Ankün­di­gung min­des­tens eine Woche vor­her erfol­gen sollte.

Für Men­schen, die über ein Jahr gedul­det waren, galt bis­lang sogar, dass eine Abschie­bung zwin­gend min­des­tens einen Monat frü­her ange­kün­digt wer­den muss­te. Auch die­se Ankün­di­gung ent­fällt mit dem Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz, eine Aus­nah­me ist nur noch für Fami­li­en mit Kin­dern unter zwölf Jah­ren vorgesehen.

Abschie­bun­gen von in Haft befind­li­chen Per­so­nen wer­den künf­tig gar nicht mehr angekündigt.

Der Weg­fall der Ankün­di­gung ist für Betrof­fe­ne äußerst belas­tend. Die Ankün­di­gung soll­te dazu die­nen, dass Aus­rei­se­pflich­ti­ge sich vor­be­rei­ten konn­ten. Nur im Fal­le einer Ankün­di­gung kann noch Abschied vom fami­liä­ren und sozia­len Umfeld, von Arbeitskolleg*innen und Mitschüler*innen genom­men wer­den. Auch sind bei­spiels­wei­se Woh­nung, Arbeit und Ver­si­che­run­gen zu kün­di­gen sowie Kon­ten auf­zu­lö­sen. Vor­be­rei­tun­gen für die Ankunft im Ziel­staat der Abschie­bung kön­nen eben­falls nur im Fal­le einer Frist­set­zung getrof­fen wer­den. Min­der­jäh­ri­ge Kin­der müs­sen auf eine Abschie­bung vor­be­rei­tet wer­den, sol­len sie durch die­se nicht trau­ma­ti­siert wer­den. Dies­be­züg­lich erscheint die Alters­gren­ze von zwölf Jah­ren, unter­halb derer wei­ter­hin eine Ankün­di­gung zu erfol­gen hat, will­kür­lich und ist auch nicht mit der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on ver­ein­bar, die alle Men­schen unter 18 Jah­ren als Kin­der defi­niert und gleich schützt.

Auslesen und Auswerten von Daten wird ausgeweitet

Mit dem Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz ist das Aus­le­sen von Cloud-Diens­ten und Daten­trä­gern ein­schließ­lich mobi­ler End­ge­rä­te wie bei­spiels­wei­se Smart­phones stets zuläs­sig, wenn Asylantragsteller*innen nicht im Besitz eines gül­ti­gen Pas­ses sind. Die Betrof­fe­nen sind ver­pflich­tet, Zugangs­da­ten zum Aus­le­sen der Daten zur Ver­fü­gung zu stel­len. Für das Aus­le­sen der Daten ist kei­ne Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung vor­ge­se­hen, eine sol­che besteht nur im zwei­ten Schritt, also für das Aus­wer­ten der gesam­mel­ten Daten. Nur dort ist nach dem Wil­len des Gesetz­ge­bers zu prü­fen, ob der Zweck der Maß­nah­me in Gestalt der Klä­rung von Iden­ti­tät und Staats­an­ge­hö­rig­keit nicht durch mil­de­re Mit­tel erreicht wer­den kann.

Das BAMF ist gesetz­lich dazu ange­hal­ten, mas­sen­haft Daten sam­meln, selbst wenn sie unnö­tig sind oder nicht aus­ge­wer­tet wer­den dür­fen, nur weil Betrof­fe­ne kei­nen gül­ti­gen Pass haben.

Das BAMF ist also gesetz­lich dazu ange­hal­ten, mas­sen­haft Daten zu sam­meln, obwohl es die­se mög­li­cher­wei­se gar nicht benö­tigt oder sie im Fal­le des Bestehens mil­de­rer Mit­tel gar nicht aus­wer­ten darf, nur, weil Betrof­fe­ne nicht über einen gül­ti­gen Pass ver­fü­gen. Ein mil­de­res Mit­tel kann bei­spiels­wei­se die Aus­wer­tung ande­rer Doku­men­te wie Per­so­nal­aus­wei­se, Füh­rer­schei­ne oder Geburts­ur­kun­den sein. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Mög­lich­keit, Iden­ti­tät und Staats­an­ge­hö­rig­keit auch durch der­lei Doku­men­te nach­zu­wei­sen, aus­drück­lich anerkannt.

Sehr persönliche Daten werden ausgelesen

Unter den Daten befin­den sich gera­de im Fal­le von Smart­phones oft sehr per­sön­li­che und inti­me wie pri­va­te Chats über Mes­sen­ger-Diens­te wie Whats­app oder E‑Mails. Selbst­ver­ständ­lich greift daher immer schon das Aus­le­sen mas­siv in die Grund­rech­te der Betrof­fe­nen ein, wes­halb eine Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung eigent­lich uner­läss­lich ist.

Begrün­det wur­de die Mög­lich­keit zum Aus­le­sen besag­ter Daten im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren damit, dass so im Rah­men der Abläu­fe der Asyl­ver­fah­ren die größt­mög­li­che Wahr­schein­lich­keit eines Vor­han­den­seins von rele­van­ten Daten bestehe. Die­se Begrün­dung unter­stellt Asylantragsteller*innen letzt­lich pau­schal, ihre Daten nach der Asyl­an­trag­stel­lung zu vernichten.

Strafbarkeit falscher Angaben im Asylverfahren

Bis­lang waren fal­sche Anga­ben im Asyl­ver­fah­ren nicht mit Stra­fe bedroht. Künf­tig dro­hen eine Geld­stra­fe oder sogar bis zu drei Jah­re Haft, wenn unrich­ti­ge oder unvoll­stän­di­ge Anga­ben gemacht oder genutzt wer­den, um eine Aner­ken­nung im Asyl­ver­fah­ren zu errei­chen oder deren Rück­nah­me oder Wider­ruf abzuwenden.

Damit droht zugleich eine Kri­mi­na­li­sie­rung von Bera­tungs­stel­len und Asylrechtsanwält*innen als mög­li­che Mittäter*innen. Die­sen wird letzt­lich abver­langt, das von den Antragsteller*innen vor­ge­tra­ge­ne Ver­fol­gungs­schick­sal auf sei­nen Wahr­heits­ge­halt zu prü­fen, was schon ange­sichts der für die Bera­tung zur Ver­fü­gung ste­hen­den knapp bemes­se­nen Zeit schlicht unmög­lich ist.

Kriminalisierung von Seenotretter*innen

Bis­lang galt, dass straf­recht­lich nur ver­folgt wer­den konn­te, wer Men­schen gegen Geld­leis­tun­gen oder einen ande­ren eige­nen Vor­teil dazu ver­half, irre­gu­lär die euro­päi­schen Außen­gren­zen zu über­que­ren. Straf­bar machen sich also bis­her gewerbs­mä­ßi­ge Schleu­ser, die sich ihre Diens­te teu­er bezah­len lassen.

Der ursprüng­li­che Ent­wurf für das Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz sah dem­ge­gen­über Stra­fe auch für alle Fäl­le vor, in denen die Hil­fe zum Grenz­über­tritt ohne einen sol­chen Vor­teil »wie­der­holt oder zuguns­ten von meh­re­ren Aus­län­dern« erfolgt. Dies hät­te nach zutref­fen­der Auf­fas­sung dazu geführt, dass künf­tig auch Seenotretter*innen, die Geflüch­te­ten unent­gelt­lich hel­fen, eine euro­päi­sche Außen­gren­ze zu über­que­ren, stets hät­ten straf­recht­lich ver­folgt wer­den kön­nen.

Absurde Regelung zur Rettung auf See von Kindern 

Mit dem schon erwähn­ten Ände­rungs­an­trag sämt­li­cher Frak­tio­nen der Ampel vom 18. Janu­ar 2024 wur­de der Ver­such unter­nom­men, durch eine Ein­gren­zung in § 96 Abs. 4 Auf­enthG auf die »Ein­rei­se auf dem Land­weg« die Straf­bar­keit der Ret­tung Schiff­brü­chi­ger zu ver­mei­den. Indes­sen wur­de dabei die Bezug­nah­me auf den Qua­li­fi­ka­ti­ons­tat­be­stand des Absat­zes 2 die­ser Norm nicht von die­ser Ein­schrän­kung umfasst  – die­ser hat unter ande­rem die unent­gelt­li­che Hil­fe­leis­tung bei der irre­gu­lä­ren Ein­rei­se meh­re­rer unbe­glei­te­ter Min­der­jäh­ri­ger zum Gegenstand.

Dies hat nach einer Ein­schät­zung der Jurist*innen Vera Maga­li Kel­ler und David Wer­der­mann zur Fol­ge, dass es aus­ge­rech­net dann, wenn es um die Ret­tung meh­re­rer unbe­glei­te­ter Kin­der und Jugend­li­cher geht, bei der Straf­bar­keit der See­not­ret­tung bleibt. Wört­lich heißt es in die­ser Ein­schät­zung hier­zu: »Auf den in See­not befind­li­chen Boo­ten befin­den sich regel­mä­ßig Per­so­nen unter 18 Jah­ren, die ohne ihre Eltern oder sons­ti­ge sor­ge­be­rech­tig­te Per­so­nen flie­hen muss­ten. Der Ände­rungs­vor­schlag führt dem­nach zu der absur­den Kon­stel­la­ti­on, dass voll­jäh­ri­ge Per­so­nen geret­tet wer­den dürf­ten, die Ret­tung von Min­der­jäh­ri­gen jedoch mit einer Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu zehn Jah­ren kri­mi­na­li­sier­bar ist.«

»Der Ände­rungs­vor­schlag führt dem­nach zu der absur­den Kon­stel­la­ti­on, dass voll­jäh­ri­ge Per­so­nen geret­tet wer­den dürf­ten, die Ret­tung von Min­der­jäh­ri­gen jedoch mit einer Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu zehn Jah­ren kri­mi­na­li­sier­bar ist.««

Jurist*innen Vera Maga­li Kel­ler und David Werdermann

Längere Wartezeit für finanzielle und medizinische Leistungen

Eine wei­te­re Ver­schär­fung fin­det sich im Rück­füh­rungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz in Bezug auf die öffent­li­chen Leis­tun­gen für Geflüch­te­te nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz. Galt bis­lang eine War­te­zeit von 18 Mona­ten, bis sie unge­kürz­te Leis­tun­gen und unein­ge­schränk­te Gesund­heits­ver­sor­gung beka­men, wur­de die­se War­te­dau­er nun auf drei Jah­re verdoppelt.

Die bis­lang gel­ten­de War­te­zeit wur­de mit der dama­li­gen durch­schnitt­li­chen Dau­er von Asyl­ver­fah­ren ein­schließ­lich Gerichts­ver­fah­ren begrün­det, wäh­rend derer Geflüch­te­te noch kei­ne Per­spek­ti­ve auf einen Dau­er­auf­ent­halt in Deutsch­land hät­ten. In der Geset­zes­be­grün­dung wird nun vor­ge­rech­net, wie sich die­se Dau­er auf 31 Mona­te erhöht habe. Hin­zu­ge­rech­net wird außer­dem die durch­schnitt­li­che Dau­er anschlie­ßen­der auf­ent­halts­be­en­den­der Maß­nah­men im Fal­le eines erfolg­lo­sen Asylverfahrens.

Grundrecht auf Existenzminimum wird verletzt 

Ganz abge­se­hen davon, dass Geflüch­te­te sowie­so unter der über­lan­gen Dau­er von behörd­li­chem und gericht­li­chem Asyl­ver­fah­ren lei­den, wer­den sie nun zudem mit einer Aus­deh­nung der Zeit bestraft, in der sie nur gerin­ge­re Leis­tun­gen bean­spru­chen kön­nen. Die Aus­deh­nung dürf­te auch mit ziem­li­cher Sicher­heit ver­fas­sungs­wid­rig sein und das Grund­recht auf Gewähr­leis­tung eines men­schen­wür­di­gen Exis­tenz­mi­ni­mums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem Sozi­al­staats­prin­zip des Art. 20 Abs. 1 GG und dem All­ge­mei­nen Gleich­heits­satz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verletzen.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat her­vor­ge­ho­ben, dass die Leis­tungs­ein­schrän­kun­gen nur vor­über­ge­hend sein dür­fen, und hat dies im Jahr 2012 bei einer dama­li­gen Dau­er von vier Jah­ren ver­neint. Auch bei einem Zeit­raum von drei Jah­ren kann von einer vor­über­ge­hen­den Leis­tungs­ein­schrän­kung kei­ne Rede sein.

Es ist auch ein Skan­dal, dass die Bun­des­re­gie­rung eine sol­che Ver­schär­fung gesetz­lich umsetzt und es gleich­zei­tig unter­lässt, eine vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt als ver­fas­sungs­wid­rig ein­ge­stuf­te Schlech­ter­stel­lung von Allein­ste­hen­den in Sam­mel­un­ter­künf­ten abzu­schaf­fen. Das wider­spricht auch dem Koali­ti­ons­ver­trag, in dem ver­spro­chen wur­de, das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz im Sin­ne der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts anzu­pas­sen. Das müss­te aus Sicht von PRO ASYL und 200 wei­te­ren Orga­ni­sa­tio­nen kon­se­quent hei­ßen, das gan­ze Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz abzuschaffen!

(pva)