Das Bundesinnenministerium arbeitet offenbar mit Hochdruck an einer Sammelabschiebung nach Afghanistan. Drei Männer befinden sich derzeit in der Dresdner Abschiebehaft und sollen bis zum 16. Juli abgeschoben werden. In Zusammenarbeit mit den Taliban werden weitere Flüge geplant, die deren Terrorregime legitimieren.
Vergangenen Freitag besuchte die Abschiebehaft-Kontaktgruppe drei Männer aus Afghanistan in der Abschiebehaftanstalt Dresden. Laut aktuellen Plänen der Behörden sollen sie bis zum 16.07.2025 nach Afghanistan abgeschoben werden. Sie sind nicht allein: In mehreren deutschen Abschiebeeinrichtungen wie Pforzheim, Büren und Ingelheim befinden sich weitere Betroffene, zum Teil seit Monaten in Haft. Dabei ist der Termin für den möglichen Abschiebeflug weiter unklar, welcher angeblich erneut über den „regionalen Schlüsselpartner“ Katar organisiert wird.
Die Organisation scheint aufwendig, die Geheimhaltung hoch. Selbst Gerichte erhalten offenbar keine Informationen zum Ablauf. „Wie sollen sie prüfen, ob die Abschiebung durchführbar ist, wenn sie keine Auskünfte bekommen?“, kritisiert Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe.
Abschiebungen nach Afghanistan: Legitimierung des Taliban-Regimes
Laut Gerichtsbeschlüssen soll die Abschiebung zwischen KW 26 und 28 stattfinden – also spätestens diese Woche. Zuständig ist das Bundesinnenministerium unter Minister Dobrindt (CSU), der seit Amtsantritt Rückführungen nach Afghanistan fordert, welche auch explizit im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurden.
Ein Urteil aus Pforzheim vom 23. Juni zeigt die Probleme: Ein Mann musste nach 6 Monaten Haft freigelassen werden, weil die Bundesregierung die Abschiebung trotz Zusagen nicht rechtzeitig organisierte. Seit Wochen werden neue Termine angekündigt – doch konkrete Informationen fehlen. Am 04.07. äußerte Dobrindt, man wolle künftig direkt mit den Taliban verhandeln. Diese bieten sich an – wohl in der Hoffnung, als Regierung anerkannt zu werden. Bislang hat nur Russland dies getan – will die Bundesregierung diesem Beispiel folgen?
Wen betreffen die Abschiebungen?
Laut Koalitionsvertrag sollen nur Straftäter abgeschoben werden. In Dresden sprachen wir mit drei Männern, die wegen Diebstahl, Drogenverkauf und Körperverletzung verurteilt wurden. Ihre Strafen haben sie verbüßt – nun droht ihnen mit der Abschiebung eine viel härtere „zweite Strafe“. Diese Art von Doppelbestrafung widerspricht dem Grundgesetz (Art. 103 Abs. 3), welches mehrere Strafen zur gleichen Tat verbietet.
Alle drei leben seit über 10 Jahren in Deutschland. Ihre ursprünglichen Asylanträge wurden 2018/2020 abgelehnt – vor der Machtübernahme der Taliban. Sie gehören zum Teil zur verfolgten Minderheit der Hazara und fürchten Verfolgung als Oppositionelle, „verwestlichte“ Rückkehrer oder Taliban-Kritiker. Die Männer haben keine Familie mehr in Afghanistan. 2023 erkannte das OVG Sachsen an, dass alleinstehende junge Männer ohne Netzwerk bei Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein können.
„Aus unserer Sicht verstoßen die Abschiebungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Wir haben daher neue Asylanträge gestellt“, so eine Beraterin. Die Abschiebehaftkontaktgruppe unterstützt die Männer juristisch. Der Ausgang ist offen.
Land vor dem Kollaps: Abschiebungen nach Afghanistan stoppen!
Afghanistan ist von Armut, Hunger und Vertreibung gezeichnet. 2024 benötigten laut UN fast 24 Mio. Menschen humanitäre Hilfe. 12 Mio. waren von Ernährungsunsicherheit betroffen, fast 3 Mio. Kinder unterernährt (Amnesty Report 2024/25). Außerdem droht eine weitere humanitäre Katastrophe, da Pakistan und Iran im vergangenen Jahr ca. 1.5 Millionen Menschen wieder nach Afghanistan abgeschoben hat und dies weiterhin tut – trotz der Ernährungskrise im Land, die durch die aktuellen Machthaber eher verschärft wird.
Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat kritisiert: „Wer mit den Taliban verhandelt, stärkt ein Regime, welches Frauen komplett ihre Rechte nimmt und neue Fluchtursachen schafft. Dies sorgt für mehr Chaos in einem Land, welches vor dem Abgrund steht.“ Es braucht daher öffentliche Aufmerksamkeit und Empörung. Abschiebungen in ein Terrorregime machen Deutschland nicht sicherer. Schmidtke warnt: „Wir erinnern uns an die Abschiebungen nach Kabul vor einigen Jahren: Zuerst traf es nur Straftäter, doch am Ende mussten alle abgelehnten Afghan*innen mit einer Abschiebung in den Krieg fürchten.“
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