Seit dem 17. Juni 2025 befindet sich der kurdische Aktivist und Schriftsteller Hamza A. in der Dresdener Abschiebehaft – mehrere Wochen davon im Hungerstreik. Zuvor lebte er sechs Jahre in Deutschland und war zuletzt in der Gastronomie berufstätig. In der Türkei ist er als „Terror-Unterstützer“ angeklagt, sodass bei Abschiebung nach Istanbul eine direkte Inhaftierung droht.
Am 17. Juli 2025 kam es zu einem Abschiebeversuch, bei dem Hamza A. sich nach eigenen Angaben so schwer verletzte, dass er kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Das Verfahren wurde abgebrochen, anschließend wurde er erneut in die Abschiebehaft überstellt. Eine weitergehende medizinische Betreuung habe nicht stattgefunden, teilten Besuchende mit.
„Der physische Zustand von Herrn A. ist kritisch“, betont Dave Schmidtke, Sprecher des Sächsischen Flüchtlingsrates. „Wir fordern dringend eine humane Behandlung, eine sofortige medizinische Versorgung und den Stopp der Abschiebung.“
Deutsche Politik ignoriert Willkür Erdogans
Für Schmidtke besteht aktuell kein Problembewusstsein für die Realität verfolgter Kurden in der Türkei: „Vor einigen Jahren war es Konsens in Deutschland, dass Erdogan die Türkei zu einer Autokratie umbaut, die den Platz für kritischen Journalismus und politische Opposition im Gefängnis vorsieht – heute herrscht dazu Amnesie bei den Behörden.“
Schließlich wurde die Türkei ein strategisch wichtiger Partner der EU für die Abschottung vor Schutzsuchenden an den Außengrenzen – Kritik am Regime in Ankara ist dabei eher ein Risiko. Auch wenn Machthaber Erdogan seinen größten politischen Konkurrenten İmamoğlu inhaftieren lässt. Herr A. wiederholte mehrfach, dass er im Falle einer Abschiebung in die Türkei die zu erwartende Gefängnisstrafe nicht überleben werde. Er erklärte, entschlossen zu sein, sich eher das Leben zu nehmen als dorthin abgeschoben zu werden. Er sei bereit, in jedes andere Land auszureisen, das ihm eine visumsfreie Einreise ermöglicht wie bspw. Marokko.
Die derzeitige Inhaftierung ist für ihn nicht nachvollziehbar: „Ich gehöre nicht hierher, was habe ich verbrochen? Ich habe gearbeitet und keine Straftaten begangen. In der Türkei war ich Schriftsteller, habe Gedichte veröffentlicht – ich halte es hier [Anm. in Abschiebehaft] nicht mehr aus.“
Inhaftiertem Hamza A. schwinden die Kräfte
Hamza A.: „Ich bin seit 32 Tagen im Hungerstreik und habe bereits 16 Kilogramm abgenommen. Ich leide an Erschöpfung, Schlaflosigkeit und Panikattacken.“ Herr A. kritisiert fehlende medizinische Versorgung und unsägliche Zustände in der Haft: „Man schleift mich hier über den Boden wenn ich nicht mehr laufen kann.“ Sein Rechtsbeistand hatte in dieser Woche bereits vergeblich Eilantrag auf Aussetzung der Abschiebung eingereicht.
Politische Lage: Repressionen gegen kurdische Aktivisten in der Türkei anhaltend massiv
Trotz der im Mai 2025 erklärten offiziellen Auflösung der PKK bleibt der Druck der türkischen Behörden auf kurdische Zivilgesellschaft, Aktivisten sowie politische Funktionsträger hoch. Zahlreiche kurdische Politiker – darunter Selahattin Demirtaş – wurden wegen konstruierter Terrorvorwürfe zu teils mehr als 40 Jahren Haft verurteilt. Systematisch werden Unterstützer der kurdischen Bewegung durch Terrorgesetze verfolgt, Bürgermeister abgesetzt und Demonstrationen mit Massenfestnahmen beantwortet.
Auch Hamza A. drohen in der Türkei eine Vielzahl von Anklagepunkten:
- Vorwurf der „Propaganda für eine terroristische Organisation“: Öffentliche Äußerungen und Social-Media-Posts wurden als Unterstützungsbeweis für die PKK gewertet.
- Unterstützung einer terroristischen Organisation: Bei Hausdurchsuchungen wurden PKK-nahe Schriften und Notizen beschlagnahmt.
- Weitere Vorwürfe: u.a. Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, Beleidigung eines Amtsträgers, Beteiligung an Versammlungen – obwohl hierfür gar keine konkreten Nachweise vom Gericht in der Türkei erbracht wurden.
Dave Schmidtke: „Wir erleben gerade, wie deutsche Behörden bewusst Menschen – trotz Gefahr für Leib und Leben – abschieben. Dabei ist bekannt, dass bereits geringfügige Solidaritätsbekundungen für Kurden in der Türkei zu langjährigen Haftstrafen führen können. Das ist weder mit dem europäischen Recht noch einem humanitären Selbstverständnis zu vereinbaren.“
Der Sächsische Flüchtlingsrat fordert daher:
Die sofortige Freilassung von Hamza A. aus der Abschiebehaft und die generelle Aussetzung aller Abschiebungen politisch Verfolgter in die Türkei.
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- IMG_8611: Dave Schmidtke