Solidarität statt Bezahlkarten: Aktionsgruppen in Sachsen ermöglichen Bargeldzugang

50 Euro beträgt das monatliche Bargeldlimit der Bezahlkarten in vielen Kommunen Sachsens. Da dies im Alltag eher Integrationshürde ist, tauschen Aktionsgruppen mit Betroffenen Gutscheine gegen Bargeld. Diese praktische Solidarität kann am Ende sogar Behörden entlasten. Flüchtlingsrat fordert kommunale Befugnisse für die landesweite Umsetzung der Bezahlkarte ab Januar 2025.

Bürokratische Hürden und unpraktische Alltagseinschränkungen

Die Bezahlkarte erweist sich als bürokratische Belastung. Alle Überweisungen müssen vorab von den zuständigen Behörden genehmigt werden – ein Prozess, der häufig Wochen dauert. „Mein Handyvertrag wurde gekündigt, weil das Amt die Überweisung nicht rechtzeitig genehmigt hat. Ich konnte niemanden erreichen – nicht einmal meinen Anwalt“, berichtet ein Betroffener aus Pirna.

Aurelia Rosales aus Venezuela will ihren Kindern den Besuch von Sportvereinen möglich machen, aber: „Mein Sohn möchte zum Taekwondo, meine Tochter möchte zum Ballett. Das Problem ist, dass die Vereine die monatlichen Beiträge nicht direkt über die Bezahlkarte begleichen können. Wir müssten unser Bargeld nutzen, was dann nicht für Einkäufe reicht“ Denn die Sätze für Minderjährige sind weitaus niedriger: das Landratsamt Bautzen zahlt Kindern bspw. monatlich 10 Euro Bargeld aus.

Auch grundlegende Mobilität wird behindert, wie ein Bewohner einer Massenunterkunft aus Hoyerswerda schildert: „Ich wollte ein Deutschlandticket kaufen, um Arbeit zu suchen. Aber die Genehmigung kam erst nach Wochen, und ich konnte den Bus nicht nutzen.“ Zusätzlich scheitert die Karte im Alltag, da manche Märkte, Geschäfte oder Arztpraxen sie gar nicht akzeptieren.

Solidarität in der Praxis: Tauschstellen für mehr Bargeldzugang

Vor diesem Hintergrund entstehen in Sachsen zunehmend Initiativen, die Geflüchteten konkret helfen. Betroffene können dort Gutscheine kaufen und sie dann bei den Aktionsgruppen gegen Bargeld tauschen, andere Menschen übernehmen dann die Gutscheine und nutzen sie für ihren Wocheneinkauf.

„Wir begreifen die Einführung der Bezahlkarten als diskriminierende Symbolpolitik. Sie grenzen Geflüchtete aus dem normalen gesellschaftlichen Leben aus und erschweren unnötig ihren Alltag. Sie sind reine Schikane. Wir tauschen Gutscheine gegen Bargeld, damit Geflüchteten wenigstens etwas mehr Teilhabe ermöglicht wird,“ erklärt René von der Initiative Konten statt Karten aus Leipzig. Der Name der Gruppe weist auf deren politische Forderungen hin, Geflüchteten reguläre Konten einzurichten. Eine weitere Initiative mit dem gleichen Ziel ist derzeit im Dresdener Umland aktiv.

„Die Bezahlkarten bringen eine Vielzahl an Problemen für die Betroffenen und die Behörden mit sich. Einen Teil dieser Probleme versuchen nun zivilgesellschaftliche Initiativen an vielen Orten im Land zu mindern. Ein absurder Aufwand um die aktuelle rechtslastige Asyl- und Migrationspolitik abzufedern“, heißt es vom Aktionsbündnis der sächsischen Gruppen gegen die Bezahlkarte.

Mythen und Realität: Fehlannahmen hinter der Bezahlkarte

Bezahlkarten wurden eingeführt, um angebliche Überweisungen von Sozialleistungen ins Ausland zu unterbinden und Fliehende abzuschrecken. Doch es gibt keine Daten, die diese Behauptungen belegen. Vielmehr zeigt unsere Erfahrung, dass Schutzsuchende ihre Unabhängigkeit von Behörden suchen und so schnell wie möglich Arbeit aufnehmen möchten. „Diese Karte wurde mit falschen Annahmen eingeführt. In Zeiten wachsender Fremdenfeindlichkeit ist dies sehr gefährlich, da sie negative Stereotype von Schutzsuchenden manifestiert und reale Fluchtursachen negiert“, kritisiert Dave Schmidtke, Pressesprecher des Sächsischen Flüchtlingsrats.

Forderungen an die Politik: Mehr Entscheidungsspielraum für Kommunen

Der Sächsische Flüchtlingsrat fordert daher eine Abschaffung der diskriminierenden Karte zugunsten barrierefreier Lösungen wie Bargeldauszahlungen oder direkten Banküberweisungen. „Die Bezahlkarte ist ein Sinnbild populistischer Politik gegen Schutzsuchende. Sie schadet Betroffenen, bindet unnötige Ressourcen und behindert Integration. Diese Politik der Entmündigung muss ein Ende haben“, so Schmidtke weiter.

Die Erfahrungen aus Sachsen zeigen, dass Solidaritätsinitiativen eine wirksame Antwort auf die diskriminierende Politik sein können. Ab Januar gelten landesspezifische Regelungen für Bezahlkarten. Die Landespolitik könnte hierbei Kommunen Regelungen zu den Bezahlkarten selbst überlassen – z.B. die Höhe der monatlichen Bargeldgrenzen. Im Pilotprojekt des thüringischen Gera können Erwachsene bis zu 204 Euro und Kinder 100 Euro Bargeld abheben und Onlineeinkäufe bei deutschen Vertragspartnern sind ebenso möglich.

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