Im Freistaat ereigneten sich in den vergangenen Wochen zwei drastische Fälle von Abschiebungen nach Venezuela. Trotz schwerwiegender gesundheitlicher Risiken und der deutlichen Bemühungen um Integration wurden Familien auseinandergerissen und in die Diktatur Maduros abgeschoben. Der Flüchtlingsrat fordert erneut einen Abschiebestopp nach Venezuela.
Abschiebung von Familie aus Löbau am 19. Dezember 2024
Die erste Abschiebung betraf Damarys C., ihren 11-jährigen Sohn Santiago und ihren Ehemann Euler C. aus Löbau. Euler C. leidet an Bluthochdruck und schweren Herzproblemen, die mit einem extrem hohen Schlaganfallrisiko einhergehen. Trotz mehrfacher Hinweise auf seinen Gesundheitszustand zeigten die Behörden keinerlei Rücksichtnahme. Besonders kurios: die Familie hatte in der Nacht erstmalig in einer eigenen Wohnung geschlafen, welche das Sozialamt erst am Tag zuvor für sie eingerichtet hatte.
Der Ablauf der Abschiebung traumatisiert die Familie. So berichtet die Mutter: „Sie durchsuchten unsere Kleidung und Habseligkeiten nach Bargeld. Wir hatten 10 Minuten Zeit, um unsere Sachen zu packen – dann fuhren wir ohne Essen, Wasser oder eine Toilette nach Berlin. Mein Mann musste sich übergeben, sein Auge war stark gerötet, aber niemand kümmerte sich darum.“
Familie C. tat alles, um in Sachsen anzukommen
Damarys C. besuchte regelmäßig Deutschkurse und hatte ab Januar 2025 eine feste Arbeitszusage. Auch Euler C. engagierte sich trotz in Deutschkursen, die die Familie selbstständig organisiert hatte. Sohn Santiago besuchte die Pestalozzi-Oberschule in Löbau. „Angehörige berichten, dass die Familie nicht einmal eine Tasche mit persönlichen Gegenständen packen durfte. Dies ist weder human noch entspricht es den sächsischen Leitlinien zur Abschiebepraxis“, erklärt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Die Leitlinie wurde von der vorherigen Landesregierung beschlossen und sollte auch nächtliche Abschiebungen von Familien verhindern.
Am 19. Dezember wurden sie zunächst nach Berlin gebracht, von dort mit regulären Linienflügen nach Spanien und weiter nach Venezuela. Gegen 22:00 Uhr Ortszeit erreichten sie ein Land, aus dem sie einst unter großem Risiko geflohen waren und in dem sie keinerlei Perspektiven mehr haben. In Venezuela sind sie ohne eigenes Obdach und auf engstem Raum bei Verwandten untergebracht: „Seit der Abschiebung lebt unsere Familie in Angst. Ich habe Panikattacken und Schlaflosigkeit. Außerdem ist die medizinische Versorgung für meinen Mann nicht mehr gewährleistet.“
Abschiebung von Juan und Lucilla M. am 7. Januar 2025
Nur wenige Tage später wurde ein weiteres venezolanisches Ehepaar, Juan und Lucilla M.* – beide über 60 Jahre alt, aus Flöha abgeschoben. Juan M. leidet an Diabetes und hohem Blutdruck, während Lucilla M. im Februar für eine notwendige Knieoperation eingeplant war. Dennoch wurden sie am frühen Morgen des 7. Januar aus ihrer Wohnung geholt und nach Venezuela abgeschoben.
Besonders tragisch: Der Sohn des Paares lebt weiterhin in Deutschland und hätte als Angehöriger für die Pflege seiner Eltern sorgen können. Durch diese Familientrennung ist nicht nur die emotionale Bindung zerstört, sondern auch jegliche Unterstützung des Sohnes für Juan und Lucilla M. in ihrem Heimatland verhindert.
Der Sächsische Flüchtlingsrat kritisiert die rücksichtslosen Abläufe dieser Abschiebungen:
- Gesundheitliche Risiken: In beiden Fällen wurden Menschen mit schweren Erkrankungen abgeschoben, ohne dass auf deren gesundheitliche Bedürfnisse Rücksicht genommen wurde.
- Integrationsbemühungen: Sowohl Damarys C. und ihre Familie als auch Juan und Lucilla M. hatten sich um Integration bemüht – durch Deutschkurse, Arbeitszusagen und familiären Zusammenhalt. Diese Anstrengungen wurden jedoch vollständig ignoriert.
- Familientrennungen: Abschiebungen, die Familien auseinanderreißen und Menschen in gefährliche oder gesundheitlich unzumutbare Situationen bringen, widersprechen grundlegenden humanitären Standards.
Der Sächsische Flüchtlingsrat fordert eine sofortige Überprüfung der Abschiebepraxis, insbesondere bei gesundheitlich vulnerablen Personen. Es braucht eine tatsächliche Umsetzung des Leitfadens zur Rückführungspraxis, den sich die Landesregierung selbst gab. Abschiebungen nach Venezuela müssen angesichts der prekären Lage und nach der Wahlfälschung 2024 im Land ausgesetzt werden!
Schmidtke vom Flüchtlingsrat kritisiert: „Letzten Dienstag wurden in Venezuela über 120 Personen aus dem Ausland verhaftet, da diese angeblich „Söldner“ seien, die das Land sabotieren. Es ist hochgradig paradox, dass das Auswärtige Amt kürzlich die Einhaltung von Menschenrechten und Demokratie unter Maduro einfordert, aber dennoch aus Sachsen in dieses Land abgeschoben wird.“
*Anmerkung: Realer Name des Ehepaares wurde auf Bitten der Familie geändert.