Nach Aussagen des BAMF-Chef Sommer: Lehren des Zweiten Weltkriegs bewahren – Schutz durch Asyl muss individuell bleiben!

BAMF-Chef Eckhard will das individuelle Recht auf die Prüfung von Asyl abschaffen. In einer Zeit, in der Migration einseitig zur Bedrohung inszeniert wird und der Rechtsextremismus in Europa auf dem Vormarsch ist, sendet dies ein gefährliches wie falsches Signal. Ein einordnender Kommentar, der den Erhalt geltender Rechtsnormen fordert.

An dieser Stelle ist die Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention von Bedeutung. Als eine der zentralen Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg sollte sie Menschen schützen, die vor Unrechtsregimen fliehen. Leider wurden Menschen jüdischen Glaubens oder Oppositionelle des NS-Regimes nicht immer von anderen Staaten aufgenommen und sogar an der Einreise gehindert. Die Schutzbedürftigkeit Fliehender wurde nicht anerkannt – eine Politik, die viele Menschen das Leben kostete.

Auch heute fliehen Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Sudan oder Palästina vor lebensbedrohlichen Situationen und können sich dank des Non-Refoulement-Gebots darauf berufen, dass sie einen Asylantrag in einem anderen Staat stellen dürfen. Wer an diesem historischen Erbe rüttelt, schiebt auch die daraus resultierende Verantwortung ab. Zudem wird verkannt, dass es bereits 1993 eine Asylrechtsverschärfung gab, die dazu führte, dass nur ein Bruchteil der Fliehenden Asyl nach nationalem Recht erhält. Warum sieht also ein BAMF-Chef die weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl als notwendig an?

Populismus treibt, wer Fakten verschweigt

Behörden sind eigentlich zur Neutralität verpflichtet, müssen im Kontext von Flucht und Migration jedoch auch explizit sensibel agieren. Fake News, Hetzkampagnen und Populismus haben die Gesellschaft bereits jetzt stark polarisiert und tiefe Gräben geschaffen, in denen sich Politik und Medien fernab von Fakten bewegen. Dass in den letzten 20 Jahren beispielsweise 70 Prozent mehr Menschen ohne deutschen Pass in der Bundesrepublik leben, während die Kriminalität gleichzeitig gesunken ist, dringt nicht mehr zur Mehrheit der Menschen durch.

Migration und Flucht bleiben entscheidende Faktoren menschlicher Entwicklung – unabhängig von den Aussagen einer Behördenleitung. Dennoch ist die Einordnung solcher Aussagen im aktuellen Zeitgeist wichtig, da sie Realitäten verzerren und schlichtweg inhuman sind. Denn wie schlecht die Aufnahmeprogramme über Kontingente funktionieren, zeigt exemplarisch das Bundesaufnahmeprogramm für Ortskräfte aus Afghanistan.

Flucht ist kein Aktenordner

Von den anvisierten 29.000 gefährdeten Menschen wurden seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 bis heute lediglich 1.437 Personen evakuiert. Die deutsche Bürokratie mit ihrer Kontrollflut und Papiersammelwut steht akuten Hilfsbedürfnissen Geflüchteter diametral gegenüber. Krisen und Konflikte entwickeln sich asymmetrisch und oft unvorhersehbar. Wenn also unmittelbare Hilfe notwendig ist, kann die deutsche Bürokratie nicht direkt handeln, sondern – wenn überhaupt – nur verzögert und ineffizient eingreifen. Menschenleben werden gefährdet, wenn wir sie an Grenzen abweisen, da Flucht kein planbarer Prozess ist. Doch während weltweit die Anzahl Fliehender zunimmt, schottet sich Deutschland und die EU weiter ab. Global wird meist nur ökonomisch gedacht, Probleme dürfen dann gern regional gelöst werden. Geflüchtete als direkt sichtbare Konsequenz internationaler Krisen stören dabei und werden so zum Sündenbock aller politischen Probleme verklärt.

Gewalttaten als Grundlage für Populismus gegen Schutzsuchende

Die Prominenz von Gewalttaten in Deutschland wird nach wie vor von der Nationalität der Täter bestimmt. Anschläge von Solingen und Mannheim sind widerlich und zu verurteilen, aber genauso jeder einzelne Femizid oder Anschlag von Rechtsextremen. Doch anstatt über Ursachenforschung zukünftige Gewalt zu verhindern, werden pauschal alle Menschen, die vor Terror und Verfolgung fliehen, selbst zur Bedrohung inszeniert. Nach ihrer Flucht erleben sie speziell in Ostdeutschland und Sachsen erneute Verfolgung – diesmal aus rassistischen Motiven. Der Anstieg rechtsextremer Straftaten ist nur ein Indiz für einen ausufernden xenophoben Diskurs und Alltag.

Im Jahr 2024 wurden 41.406 rechtsextreme Straftaten gezählt – ein neues Rekordhoch. In Schulen, Betrieben oder auf der Straße: Menschen, die rassifiziert werden, spüren diese Entwicklung in Form zunehmender Anfeindungen überall. Von den großen Bühnen der Bundes- und Landespolitik gefördert, fühlen sich Menschen im Hass auf das diffuse Bild des „Fremden“ bestärkt. Auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer forderte bereits vor zwei Jahren eine weitere Beschneidung des Rechts auf Asyl.

Die Überforderung im Umgang mit Geflüchteten wurde so lange herbeigeredet, bis das Konzept der selbsterfüllenden Prophezeiung griff und zur gefühlten Wahrheit in den Köpfen vieler Menschen wurde.

Forderungen von Eckhard sind unwürdig und unnötig

Betrachtet man die konkrete Notwendigkeit einer Begrenzung von Migration, erscheinen Zeitpunkt und Inhalt der Aussage des BAMF-Leiters Eckhard umso skurriler. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 43 Prozent weniger Asylanträge gestellt, und in Sachsen wurden lediglich 10.120 Asylsuchende registriert – dies entspricht aufgerundet 0,25 Prozent der sächsischen Bevölkerung. In den Erstaufnahmeeinrichtungen leben derzeit circa 2.200 Menschen, die damit nicht einmal zur Hälfte ausgelastet sind. Der Rückgang der Ankunftszahlen führt bereits dazu, dass erste Unterkünfte geschlossen werden.

Es bleibt festzuhalten, dass das individuelle Prüfrecht auf Asyl Menschenleben rettet und dass Behörden in einer polarisierten Debatte zur neutralen Vernunft und Beruhigung beitragen sollten – insbesondere in einer Phase der Entspannung bei den Ankunftszahlen und angesichts ohnehin stattfindender nationaler wie europäischer Verschärfungen des Asylrechts.

Solche Vorschläge tragen nicht zur Befriedung der Debatte bei, sondern stärken Menschenfeinde, die das Recht auf Asyl ohnehin längst abgeschafft hätten. Verlieren wir den Respekt und die Achtung vor dem Leben von Geflüchteten und Migrant*innen, leidet die gesamte Gesellschaft – ein Blick in die USA reicht aus, um zu erahnen, dass eine zunehmende Entmenschlichung Einiger zum Verlust der Demokratie Aller führt. Umso elementarer ist es in dieser Zeit, den Erhalt universaler Menschenrechte zu betonen. Ihr Kodex ist Grundlage für unser Miteinander und wer an ihnen sägt, hat nichts als eine weitere Spaltung im Sinn und ist für die Amtsleitung einer Behörde gänzlich ungeeignet.

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