Zum 31. März endete das Projekt EDA des Sächsischen Flüchtlingsrats – ein Angebot, das für viele geflüchtete Frauen in Chemnitz und Umland mehr war als nur Unterstützung zur Heranführung an den Arbeitsmarkt. Das Bedauern über das Projektende ist groß, denn Rückzugsräume und gezielte Angebote für geflüchtete Frauen sind ohnehin rar. EDA hat in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, wie wichtig solche Räume sind.
Nach der Bewilligung des Projektes „EDA – Empowerment, Digitalisierung und Arbeitsmarktintegration für Migrantinnen“ ab 1. April 2023 startete das Projekt – verzögert durch eine längere Suche nach passendem Personal – schließlich im Juli 2023. Das Ziel: möglichst viele Migrantinnen durch gezielte Empowerment-Maßnahmen stärken und sie in ihrer Integration in den deutschen Arbeitsmarkt unterstützen.
Ein Raum zum Ankommen – und zum Wachsen
EDA war ein Ort, an dem geflüchtete Frauen sich nicht nur beraten lassen, sondern auch zur Ruhe kommen, sich austauschen und gemeinsam wachsen konnten. Die Nachfrage sprach für sich: Über 114 Teilnehmerinnen wurden langfristig begleitet – weit mehr als ursprünglich geplant. Die meisten Teilnehmerinnen kamen aus Afghanistan, gefolgt von Frauen aus der Ukraine und Venezuela. Weitere Herkunftsländer waren Aserbaidschan, Eritrea, Irak, Iran, Libanon, Libyen, Mongolei, Palästina, Nigeria, Somalia und die Türkei. Auch dutzende Ehrenamtliche engagierten sich mit Herzblut. Gerade ihnen fiel der Abschied nach knapp zwei Jahren im Projekt schwer.
Angebote und Erfolge
Doch wie begann das Projekt? Zunächst wurden mit dem Know-how aus Schulungen Computerkurse für die Teilnehmerinnen und ein Bewerbungstraining aufgebaut. Mit zehn Laptops im Gepäck baute das Projekt Kontakte zu Kooperationspartnern und bereits bestehenden Treffs für Migrantinnen auf. Darunter zum Beispiel das Frauencafé der Stadtverwaltung in Limbach-Oberfrohna oder das Sprachcafé der Diakonie in Burgstädt. Die Inhalte sollte allen – auch denen, die noch nie einen Computer bedient hatten – eine Lernmöglichkeit zu eröffnen. Alle Teilnehmerinnen nutzten diese Gelegenheit und einige sind sogar motiviert diese Grundkenntnisse zu vertiefen: „Ich möchte auf jeden Fall noch einen Computerkurs machen, weil IT-Kenntnisse heutzutage einfach sehr wichtig sind“, hielt eine Teilnehmerin fest. Hilfe zum selbständigen Agieren auf dem hiesigen Arbeitsmarkt war ein durchgehendes Ziel für EDA.
In Informationsveranstaltungen oder am Anfang der Schulungen ging es vor allem um Bedürfnisse, Ziele und Herausforderungen von Teilnehmerinnen. Ergänzt durch individuelle Beratung wurden dann Trainings- sowie Lernstrategien und beschäftigungsbezogene Perspektiven entwickelt. In insgesamt 125 Trainings wurden die Frauen ermutigt, eine aktive Rolle einzunehmen und jeder Fortschritt erhielt zeitnah Feedback. Als Nachweis erhielt jede Frau, die regelmäßig an einer Schulung teilgenommen hat, eine Bescheinigung.
Durch mobile Beratung in Chemnitz und den umliegenden Landkreisen Zwickau, Erzgebirge und Mittelsachsen konnte ca. 150 Frauen langfristig individuelle Unterstützung direkt an ihrem Aufenthaltsort ermöglicht werden. Sie wurden in ihrer vertrauten Umgebung beraten und begleitet. Die Bedarfsanalyse hatte gezeigt, dass migrantische Frauen, im Vergleich zu migrantischen Männern, weitaus weniger Walk-In-Beratungsstrukturen in Anspruch nehmen. Das aufsuchende Angebot von EDA erweiterte im ländlichen Raum die Beratungsstruktur. Ein typischer Fehler: es wird Systemwissen voraussgesetzt, welches viele geflüchtete Frauen (noch) nicht haben.
Durch gezielte Computerschulungen, Bewerbungstrainings und einen Fahrradkurs wurden außerdem über 100 Teilnehmerinnen in ihrem Ankommen bestärkt. Allein 114 Frauen schlossen die Computerschulungen erfolgreich ab, die auf Wunsch auch Sprachkenntnisse vermittelten. Eine Teilnehmerin aus Chemnitz bilanziert: „Ich kann jetzt nicht nur besser Deutsch sprechen, sondern bin auch viel sicherer im Umgang mit elektronischen Geräten.“
Wer Menschen unterstützen will, die neu in Sachsen ankommen, muss die Barrieren möglichst niedrigschwellig halten. Deshalb waren die mobile Beratung und die offene Sprechstunde am Projektstandort Chemnitz immer mehrsprachig (Englisch, Dari, Urdu, Paschtu und Spanisch). Sie umfasste neben Fragen zur Arbeitsmarktintegration auch Themen rund um die Digitalisierung, um den Teilnehmerinnen den Umgang mit digitalen Technologien zu erleichtern und Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. „Dieses Projekt hat mich unterstützt. Ich habe gelernt, wie ich meinen Lebenslauf und eine Bewerbung schreibe.“
Mehrfache Diskriminierung – und kaum Schutzräume
Geflüchtete Frauen erleben in Sachsen oft eine doppelte oder gar mehrfache Diskriminierung: Einerseits begegnet ihnen Ablehnung aus Teilen der Mehrheitsgesellschaft, insbesondere wenn sie sichtbar muslimisch sind, etwa durch das Tragen eines Hijabs. Andererseits erfahren sie Einschränkungen durch konservative Familienbilder, die ihnen das Ankommen erschweren können. EDA bot einen sicheren Raum, in dem diese Frauen sich frei entfalten konnten.
Hürden beim Ankommen
Das Ankommen in Deutschland ist für geflüchtete Frauen besonders herausfordernd. Neben dem Besuch von Sprachkursen müssen sie häufig die Betreuung ihrer Kinder organisieren. Von den 131 Frauen, die eine Angabe gemacht haben, haben 106 mindestens ein Kind. Von den 106 Frauen mit Kind sind 71 verheiratet, 25 davon sind ledig und tragen oft die alleinige Verantwortlichkeit über das/die Kinder. 27 Teilnehmerinnen sind kinderlos. Für Bewerbungen, Jobsuche oder die Anerkennung von Qualifikationen bleibt oft kaum Zeit. Gerade deshalb sind Projekte wie EDA so elementar: Sie bieten nicht nur praktische Unterstützung, sondern auch Ermutigung und Empowerment.
Nicht nur die Altersstruktur, auch der Bildungsgrad der Teilnehmerinnen war sehr divers: Über die Hälfte der Frauen hatte einen Bildungsabschluss, davon sogar 32 % einen Hochschulabschluss, 8 % der Teilnehmerinnen hatten eine Ausbildung in ihrem Herkunftsland abgeschlossen. Die Teilnehmerinnen besaßen verschiedene Aufenthaltstitel. Die meisten Frauen hatten eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsgestattung. Das bedeutet, dass viele Frauen keine Arbeitserlaubnis besaßen bzw. diese erst beantragen mussten.
Wenig Angebote bei hoher Nachfrage
Die hohe Nachfrage sowohl nach den Computerkursen als auch nach Beratung zu arbeitsmarktrelevanten Themen machte deutlich, dass der Bedarf an Bildung und Unterstützungsangeboten insbesondere für Migrantinnen im ländlichen Raum höher als das bestehende Angebot ist. Zum einen, da teils sehr lange Fahrtwege in größere Städte nötig wären, zum anderen können sich viele Frauen die Fahrtkosten nicht leisten. Oft existiert auch einfach eine schlechte Anbindung an den ÖPNV. Die Möglichkeiten der Frauen, sich Netzwerke zu schaffen und davon bezüglich der Arbeits- und Ausbildungssuche zu profitieren, sind auch deshalb gering. Zudem gibt es wenige Sprachkursanbieter, die notwendig sind, um die Deutschkenntnisse zu verbessern und damit näher am Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu sein.
Ein bitterer Abschied
Mit dem Ende von EDA verschwindet einer der wenigen Orte in Sachsen, an denen geflüchtete Frauen gezielt in ihrer Selbstständigkeit und Integration gestärkt wurden. Die hohe Teilnehmerinnenzahl und das große ehrenamtliche Engagement belegen, wie sehr ein solches Angebot gebraucht wird – und wie groß die Lücke ist, die nun entsteht.
Ein großer Dank gilt allen Kooperationspartner*innen für die freundliche Unterstützung!
Kooperationspartner u. a.:
AGiuA e.V. „Haus der Kulturen“ Chemnitz, Mehrgenerationenhaus „Buntes Haus“ Freiberg, Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna, Diakonie Rochlitz in Burgstädt, SOS-Kinderdorf Mehrgenerationenhaus Zwickau, Treibhaus e.V. Döbeln, Kompetenzzentrum für Gemeinwesenarbeit und Engagement e.V. in Aue.
Als Fazit vom Ende für EDA lässt sich festhalten: Für das Ankommen braucht es solche Orte, an denen Frauen sich unabhängig entfalten und gemeinsam Zukunft gestalten können.