von Farahnaz Golmohammadi
Zum 8. März
Ich bin eine afghanische Frau. Eine Gefangene.
Gefangen in einem System, das Frauen entrechtet, in einer Weltpolitik, die uns zu Schachfiguren degradiert. In einem Land, das uns das Leben nimmt – nicht, weil wir Verbrechen begangen haben, sondern weil wir Frauen sind.
Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan haben Millionen von Frauen ihre elementaren Rechte verloren. Die Hoffnung auf Bildung, Arbeit und Selbstbestimmung wurde brutal zerschlagen. Viele Frauen wurden in ihren Häusern eingesperrt, während andere versuchten, in Nachbarländern wie Iran und Pakistan Zuflucht zu finden – oft vergeblich. Dort erwarten sie nicht Schutz und Sicherheit, sondern Diskriminierung und Unsicherheit. Ohne legale Aufenthaltstitel und Arbeitsgenehmigungen fristen sie ein Leben in der Unsichtbarkeit – ausgegrenzt und entrechtet.
Jeden Tag erleben wir die Zwangsvertreibung von Afghaninnen und Afghanen aus diesen Ländern. Ihr einziges „Verbrechen“: ihre Herkunft. Diejenigen, die auf Aufnahmeprogramme in Europa oder Nordamerika hoffen, sehen sich ebenfalls einer ungewissen Zukunft gegenüber. Ihre Anträge bleiben oft unbeantwortet, während die Angst vor Abschiebung ihre Existenz überschattet.
Unzureichende Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft
Obwohl die Taliban international nicht anerkannt sind, reichen die bisherigen Maßnahmen der Weltgemeinschaft nicht aus, um afghanischen Frauen eine echte Perspektive zu bieten. Stipendien und Online-Bildungsangebote für Mädchen sind ein erster Schritt, doch sie ersetzen nicht die fundamentalen Rechte, die ihnen vor Ort systematisch verwehrt werden. Ebenso enttäuschend ist die Entscheidung, Umsiedlungsprogramme für gefährdete Afghaninnen zu begrenzen oder gar zu stoppen.
Gerade in Deutschland hoffen viele afghanische Frauen, insbesondere diejenigen, die politisch aktiv sind oder sich für Frauenrechte einsetzen, auf Unterstützung. Sie wollen nicht nur überleben, sondern sich entfalten, ihre Talente nutzen und zu Vorbildern für kommende Generationen werden.
Ein persönliches Zeugnis
Ich selbst bin Hebamme – ein Beruf, den ich mit Stolz und Leidenschaft ausgeübt habe. Doch die Machtübernahme der Taliban zwang mich, meine Heimat zu verlassen. Ich floh in den Iran, um meine Töchter zu schützen. Dort jedoch lebe ich unter prekären Bedingungen, ohne gültige Papiere, ohne berufliche Perspektive. Die ständige Angst vor Abschiebung raubt mir die Kraft. Und doch halte ich an meinem Ziel fest: Ich will meiner ältesten Tochter eine Zukunft ermöglichen. Sie war einst Weltmeisterin im Kopfrechnen und träumt davon, Ärztin zu werden. Ein Traum, der sinnbildlich für all die Hoffnungen steht, die afghanische Frauen und Mädchen hatten – bevor sie ihnen genommen wurden.
Wie lange noch?
Die Geschichte meiner Familie ist nur eine von vielen. Unzählige afghanische Frauen teilen mein Schicksal. Sie ertrinken in dem Sumpf der Unterdrückung, den die Taliban und ihre Unterstützer geschaffen haben.
Wie lange noch wird die Welt schweigen? Wer sind die Kräfte, die das Schicksal afghanischer Frauen in ihren Händen halten? Und wann wird sich die internationale Gemeinschaft fragen, ob sie sich die Untätigkeit der Vergangenheit jemals verzeihen kann?
Ich appelliere an die Menschheit, an Menschenrechtsorganisationen, an politische Entscheidungsträger: Hört die Stimmen der afghanischen Frauen. Erkennt ihr Leid an. Und handelt.
Denn Schweigen ist Mitschuld.