Schnelligkeit vor Gerechtigkeit? Der Sächsische Flüchtlingsrat warnt davor, dass die beim “Asylgipfel” beschlossenen Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung rechtsstaatliche Prinzipien gefährden könnten. Die Unabhängigkeit der Justiz darf nicht dem politischen Druck geopfert werden.
Pressemitteilung, 11.03.25
Beim “Asylgipfel” haben das Sächsische Staatsministerium der Justiz (SMJus) und führende Akteur:innen der Verwaltungsgerichtsbarkeit weitreichende Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylklageverfahren beschlossen. Dazu gehören Personalaufstockungen, die Einrichtung von Asylkammern, die Einführung von Richterassistent:innen sowie der Einsatz neuer Asyldatenbanken und KI-Technologien.
Osman Oğuz, Sprecher des Sächsischen Flüchtlingsrats, kritisiert: “Dem Asylgipfel geht eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion und eine menschenverachtende Asyl- und Migrationsdebatte voraus. Nach dem Gipfel fordert der Innenminister mehr Abschiebungen und Zurückweisungen an den Grenzen – entgegen europäischem Recht. Wenn solche Forderungen Einfluss auf die Justiz nehmen, drohen restriktivere Urteile.”
Dass trotz sinkender Asylanträge die Zahl der Klagen steigt, liegt auch an der Praxis des BAMF: Entscheidungen zu Ländern wie Libyen, Irak oder Venezuela erfolgen oft pauschal und im Schnellverfahren. Dabei belegen Berichte internationaler Organisationen katastrophale Menschenrechtsverletzungen. Diesen Menschen Asyl zu gewähren und sich darauf zu konzentrieren, sie so schnell wie möglich in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu integrieren, wäre nicht nur der verantwortungsvollere, sondern auch der gesamtgesellschaftlich effektivere Weg.
Abbau von Beratungsstellen verschärft die Probleme
Safi Safa, Asylverfahrensberater beim Sächsischen Flüchtlingsrat, weist auf den Abbau von Beratungsstellen hin: “Gerade die Beratung zur Vorbereitung auf die Anhörung ist für viele Asylsuchende von existenzieller Bedeutung und würde auch die Verwaltungsgerichte entlasten, indem die Zahl der Klageverfahren zurückgeht. Hier wird aber abgebaut und viele Beratungsstellen schlagen Alarm, dass sie gar keine Kapazitäten mehr haben.”
Tara Bonyad, Asylverfahrensberaterin beim Sächsischen Flüchtlingsrat, kritisiert den Fokus auf Schnelligkeit: “Wichtig ist, dass rechtsstaatliche Standards eingehalten werden. Wenn man sich aber darauf konzentriert, die Zahl der Verfahren möglichst schnell abzubauen, ist die Gefahr von Fehlern sehr groß. Auch die geplante Einbeziehung von Assistent:innen und KI-Technologien bereitet uns Sorgen. In den meisten Fällen geht es um gefährdete Menschenleben und ein Fehler bedeutet lebensbedrohliche Abschiebungen!”
Statt die Diskussion um die Justiz auf politische Forderungen wie Abschiebung und mehr Repression zu verengen, braucht es eine rechtliche Perspektive, die den Schutz des fairen Verfahrens in den Mittelpunkt stellt. Dazu bedarf es der Beteiligung der Zivilgesellschaft einschließlich externer Verfahrensbeobachtung. Sollten KI oder andere Technologien zum Einsatz kommen, bedarf es einer klaren Transparenz und Prüfbarkeit. Recht darf nicht der Abschreckung dienen, sondern dem Schutz der Menschenwürde!