Offener Brief – Aufruf zur politischen Verantwortung: Langfristige Sicherung der Finanzierung für Integrationsprojekte in Sachsen

Sehr geehrte Mitglieder des Sächsischen Landtags,
Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,

wir appellieren an Sie, Ihrer Verantwortung für eine angemessene Durchführung der Integrationsarbeit gerecht zu werden. Migration und Integration sind zentrale gesellschaftliche Aufgaben, die das Zusammenleben aller Menschen in Sachsen betreffen. Damit Integration gelingt, müssen Zivilgesellschaft und Kommunen gleichermaßen handlungsfähig bleiben.

Integration ist keine freiwillige Leistung – sie ist eine staatliche Verantwortung

Die Integrationsarbeit in Sachsen basiert auf gewachsenen, bewährten Strukturen, die mittlerweile über Jahre hinweg aufgebaut wurden. Sie ist keine optionale Wohltätigkeit, sondern ein wesentlicher Bestandteil gesellschaftlicher Stabilität. Eine Haltung zur Integrationsarbeit als „freiwillige Leistung“ nimmt billigend in Kauf, dass Menschen abgehängt werden, sich Perspektivlosigkeit verfestigt und soziale wie wirtschaftliche Spannungen zunehmen. Die aktuelle Diskussion um massive Kürzungen bei der Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen ignoriert diese Realität und gefährdet wertvolle Projekte sowie das Engagement zahlreicher Fachkräfte und Ehrenamtlicher.

Die kommunale Verwaltung profitiert von einer starken Zivilgesellschaft

Eine gelingende Integration in Sachsen kann nicht allein durch die Verwaltung und eine „Kommunalintegrationsarbeitsverordnung“1 gewährleistet werden. Verwaltungshandeln ist oft regelgebunden, ressourcenlimitiert und kann individuelle soziale Prozesse nur bedingt begleiten. Eine aktive Zivilgesellschaft ist unerlässlich, weil sie direkte Begegnungen ermöglicht, Vertrauen schafft und flexible Lösungen entwickelt, die staatliche Strukturen nicht leisten können. Ehrenamtliche Initiativen, Vereine und Netzwerke schließen Lücken in der Integrationsarbeit, fördern Partizipation und beugen sozialer Spaltung vor. Nur durch das Zusammenspiel von Verwaltung und Zivilgesellschaft kann Integration nachhaltig gelingen.

Planungssicherheit, statt Unsicherheit

Wie andere Organisationen auch, brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen. Die Träger der Integrationsarbeit müssen bereits einen Umgang mit hohen bürokratischen Anforderungen und niedrigen Löhnen finden, was die Personalbindung und Qualitätssicherung ihrer Arbeit erheblich erschwert. Eine Kürzung der Fördermittel ist untragbar. Eine unsichere oder unzureichende Finanzierung gefährdet die Arbeit jener, die über Jahre hinweg wertvolle Expertise aufgebaut haben.

Unsere Forderungen:

  • Anerkennung von Migration und Integration als dauerhafte, notwendige gesellschaftliche Prozesse, die verlässliche Unterstützung durch Verwaltung und Zivilgesellschaft erfordern.

  • Verbindliche, langfristige und bedarfsgerechte Förderpraxis, die Planungssicherheit für Projekte, Träger und Mitarbeitende schafft und nachhaltige Wirkung ermöglicht.

  • Erhöhung der Haushaltsmittel für Integrationsarbeit um mindestens 10 % für den Ausgleich der Inflation und steigender Fixkosten. Wer jetzt kürzt, riskiert den Zusammenbruch funktionierender Strukturen – mit langfristig höheren Kosten für Verwaltung und Sozialausgaben.

  • Transparente Kommunikation seitens des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und der Sächsischen Aufbaubank, um kurzfristige Richtlinienänderungen und Förderlücken zu vermeiden und das Förderkonzept weiterzuentwickeln.

Integration ist kein Experiment, sondern eine gesellschaftliche Verpflichtung

Wer Integrationsarbeit kürzt, zerstört bewährte Strukturen und setzt den sozialen Zusammenhalt Sachsens aufs Spiel. Es ist Zeit für politische Verantwortung – jetzt!

Mit besten Grüßen

Die unterzeichnenden Organisationen

  1. *sowieso* KULTUR BERATUNG BILDUNG Frauen für Frauen e.V.
  2. Banda Communale, Dresden
  3. Bon Courage e.V.1, Borna
  4. Christian Schäfer-Hock, Ausländerrat Dresden e.V., Dresden
  5. Cornelia Obst, Vereinsvorsitz Interkultureller Garten Coswig e.V., Coswig
  6. Deutsch-Spanische Freundschaft e.V., Leipzig
  7. Dr. Heidrun Rudolph, Vorsitzende des Coswig-Ort der Vielfalt e.V., Coswig
  8. Frauen- und Mädchengesundheitszentrum MEDEA e. V., Dresden
  9. Frauenförderwerk e. V., Dresden
  10. Georgier in Dresden e.V.
  11. Gerede e.V., Dresden
  12. Internationales Engagement Chemnitz e. V., Chemnitz
  13. Iranischer Kulturverein Sachsen e.V., Dresden
  14. Kultur- und Begegnungszentrum »Ariowitsch-Haus« e.V., Leipzig
  15. Kulturbüro Dresden – Büro für freie Kultur- und Jugendarbeit e.V.
  16. Landesrabbiner Akiva Weingarten, Besht Yeshiva, Dresden
  17. Landesverband Sächsischer Migrant*innenorganisationen e.V., Leipzig
  18. Leuchtturm – Majak e.V., Bautzen
  19. Lila Lenker – Radfahrtraining für Frauen, Luise Quoss Bike Bridge e.V., Nora Grabowski,
    Freiburg
  20. Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V.
  21. Mosaik Leipzig – Kompetenzzentrum für transkulturelle Dialoge e.V., Leipzig
  22. Mosaika e. V., Bischofswerda
  23. Netzwerk Tolerantes Sachsen, Wurzen
  24. Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Sachsen e.V.
  25. plus humanité e.V., Leipzig
  26. RAA Sachsen e.V., Dresden
  27. Sächsischer Anonymer Behandlungsschein (SABS e.V.)
  28. Sächsischer Flüchtlingsrat e.V., Dresden
  29. Second Attempt e.V. mit dem Projekt „WIR-gemeinsam in Görlitz“
  30. Sigrun Reichelt, Internationaler Garten, Buntes Meißen-Bündnis Zivilcourage e.V., Meißen
  31. Soziale Dienste und Jugendhilfe gGmbH
  32. Soziale Rehabilitierung für Ausländer e. V., Chemnitz
  33. Tanzsportverein „Joker“e.V., Leipzig
  34. Team des Atelier Frauenvielfalt, Stiftung soziale Projekte Meißen, Meißen
  35. Transkulturelles Musikforum gGmbH, Leipzig
  36. ZEOK e.V.
  37. Zusammen e.V./ Kontaktstelle Wohnen, Leipzig

Mitzeichnende:

  1. Anke Hornbach, Leipzig
  2. Eva Wolters, Constappel
  3. Giulia Ferrari, Leipzig
  4. Heidi Perez, Meißen
  5. Nora Bräuer, Meißen
  6. Sabine William, Sprecherin der Initiative Coswig-Ort der Vielfalt
  7. Sören Skalicks, Buntes Meißen – Bündnis Zivilcourage e.V.itzeichnende
  8. Stephanie Kerkhof, Dresden
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