Hamza A. ist seit dem 17. Juni 2025 in Dresdner Abschiebehaft und befindet sich seit dem 24. Juni 2025 ununterbrochen im Hungerstreik. Nach zwei gescheiterten Abschiebungsversuchen, über die wir ausführlich berichtet haben, wurde er am Mittwoch, dem 6. August 2025, trotz seiner körperlichen und psychischen Labilität nach Frankfurt überstellt – mit dem Ziel der endgültigen Abschiebung.
Dieser letzte Abschiebungsversuch erfolgte, obwohl die Anträge auf Aussetzung der Abschiebehaft, auf Asyl sowie auf Feststellung seiner Reiseunfähigkeit erst einen Tag zuvor abgelehnt worden waren. Das Gericht erkannte seine Verfolgungsgeschichte in der Türkei nicht an. Der zuständige Amtsarzt bescheinigte ihm trotz seines Hungerstreiks und dokumentierter Suizidversuche Reise- und Transportfähigkeit. Nach der Verhandlung wurde Hamza A. mit Gewalt in die Abschiebehaft zurückgebracht, dort isoliert und ohne Kommunikationsmittel festgesetzt, sodass auch wir ihn nicht mehr erreichen konnten.
Um die drohende politische Verfolgung zu belegen, hatten wir den Anwalt in der Türkei kontaktiert, der Hamza A. in einem politischen Verfahren vertreten hatte. Dieser befand sich zum Zeitpunkt der Anfrage im Urlaub und konnte zunächst nur eine formlose Stellungnahme senden. Darin bestätigt er jedoch seine anwaltliche Vertretung und das Risiko erneuter politischer Verfolgung bei einer Rückkehr in die Türkei.
Auch zur Frage der Reiseunfähigkeit hatten wir versucht, eine unabhängige ärztliche Untersuchung zu ermöglichen. Hamza A. hatte mehrfach sein Misstrauen gegenüber den Amtsärzten der Abschiebehaft geäußert. Einer von ihnen soll selbst erklärt haben, im Interesse der Landesdirektion Sachsen zu handeln. Wiederholt wurde über herabwürdigende Behandlungen berichtet. Dennoch folgte das Verwaltungsgericht Leipzig einem Gutachten vom 25. Juli und stützte sich allein auf die Einschätzung dieses Arztes.
Nun konnten wir Hamza A. endlich wieder erreichen, um uns mit ihm über den letzten gescheiterten Abschiebeversuch und seine aktuelle Situation auszutauschen. Dabei stellte sich heraus, dass es insgesamt drei gescheiterte Abschiebeversuche innerhalb weniger Stunden gab.
Hier ist die Dokumentation unseres letzten Gesprächs. Zwischendurch drückte ich meine Zweifel aus, ob diese Erzählungen für manche Menschen “zu hart” wären. Hamza A. entgegnete: “Das ist aber die Realität”. Um diese Realität zu dokumentieren, geben wir seine Erzählung zunächst kommentarlos wieder. Wie viele Rechtsbrüche und wie viele Formen der Entwürdigung in diesem Bericht zur Sprache kommen, kann zunächst jede:r selbst einschätzen.
Stunden zwischen Gewalt, Isolation und Widerstand – Aussagen von Hamza A.
“Nach der Gerichtsverhandlung in Dresden, vermutlich gegen 15:30-16:00 Uhr, wurde ich wieder in die Abschiebehaft Dresden gebracht und in einen Raum ganz unten im Gebäude eingesperrt. 7-8 Personen kamen und zogen mich mit ihren eigenen Händen komplett nackt aus. Ich wollte das nicht, aber ich hatte keine Möglichkeit, mich zu wehren. Sie zogen mir ein dunkelblaues T-Shirt und eine Hose an – ebenfalls mit ihren eigenen Händen. Dann setzten sie mir mit Gewalt einen sehr schweren Helm auf: wie ein Motorradhelm, mit Metallgittern, die bis zum Hals reichten. Selbst die Nase zu kratzen, war kaum möglich. Wegen meines Asthmas hatte ich ohnehin schon Atemprobleme – jetzt wurde es noch schlimmer.
Auf dem Boden lag eine Plastikmatratze, daneben ein Hocktoilettenloch, aber kein Waschbecken, keine Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Es gab ein Fenster mit Milchglas nach draußen; in der Tür war ebenfalls ein schmales, langes Fenster, davor saß ununterbrochen eine Aufsichtsperson auf einem hohen Stuhl und beobachtete mich. Eigentlich durfte ich nicht raus, aber nach langen Bemühungen konnte ich 3 oder 4 Mal hinaus, um zu rauchen. Dabei musste ich meine Hand durch die Türöffnung strecken, sie legten mir Handschellen an, nahmen den Helm kurz ab, ich rauchte eine Zigarette.
Dann kam zunächst der Psychiater der Einrichtung, ein Arzt mit Spitzbart, zusammen mit einem Dolmetscher. Er sagte: “Herr Avşar, ich hätte Sie lieber nicht so gesehen, aber wegen der Suizidgefahr mussten wir Sie so unterbringen.” Danach kam ein anderer Arzt mit Brille und sagte: “Wir hätten Sie in diesem Zustand nicht sehen wollen, aber um Ihr Leben zu schützen, blieb uns keine andere Wahl.” Ich sagte zu beiden: “Sie sagen mir das mündlich, aber schreiben es nicht in Ihre Berichte.” Sie antworteten nicht.
Der Helm, den sie mir aufgesetzt hatten, war schrecklich. Er vermittelt ein Gefühl von Erstickung und führt einen psychisch in eine ganz andere Dimension. So vergingen mehrere Stunden. Gegen 23:30 Uhr lag ich, fühlte mich körperlich und psychisch sehr schlecht – da kamen plötzlich 5-6 Beamte in den Raum, darunter ein türkischer Wachmann. Er sagte, dass ich abgeschoben werde. Kurz danach kamen auch 4-5 Polizisten hinein. Sie zogen mich erneut komplett aus, leuchteten mit einer Taschenlampe auf meine Genitalien, lachten dabei – ich verstand nicht, was sie sagten. Dann zogen sie mir meine eigenen Sachen an, die sie bei der Aufnahme konfisziert hatten. Dieses Mal bekam ich einen anderen Helm auf den Kopf. Um meine Taille legten sie einen Gürtel, an dem sie meine Hände fesselten, und führten mich ab. Es war wohl kurz nach Mitternacht.
In einem schwarzen Kleinbus fuhren wir in Richtung Frankfurt. Auf dem Weg machten wir zweimal Pause, ich konnte rauchen. Im Auto war auch eine medizinische Begleitperson, aber sie fragte mich kein einziges Mal, wie es mir gehe – vermutlich, weil sie die Antwort nicht hören wollte. Am Frankfurter Flughafen ließ man mich zunächst über eine halbe Stunde warten. Dann brachten sie mich in einen Bereich der dortigen Polizeistation. Drei zivile Polizist:innen – eine Frau, zwei Männer – kamen zu mir und sagten, sie würden mich in die Türkei begleiten. Sie zogen mich (in Abwesenheit von der Polizistin) erneut völlig aus, durchsuchten mich bis in die Nasenlöcher, zwischen den Zähnen und in den Haaren. Danach durfte ich mich wieder anziehen. Wir warteten. Gegen 7 Uhr morgens setzten sie mich in einen Kleinbus und fuhren mich direkt vor das Flugzeug, an eine Treppe ohne Fluggastbrücke.
Ich konnte kaum noch laufen – wegen der Angst, der Anspannung, meiner Atemnot. Vor der Treppe packten mich zwei Beamte an den Armen, einer an den Beinen, und trugen mich ins Flugzeug. Ich wehrte mich, so gut ich konnte, aber sie zwangen mich hinein.
Im Flugzeug saßen zwei Polizisten hinter mir, einer neben mir, die medizinische Begleitperson vor mir. Der Polizist hinter mir – ein kräftiger Mann – drückte mich mit aller Kraft in den Sitz, hielt mir den Mund zu, damit ich nicht schreie. Ich schaffte es trotzdem, so oft ich konnte, zu schreien. Ich hatte wegen meines Asthmas große Atemnot. Schließlich bemerkten die Flugbegleiter:innen die Situation. Eine Flugbegleiterin kam und sagte den Polizist:innen, dass sie so nicht weitermachen könnten. Die Polizist:innen lockerten ihren Griff leicht. Ich erzählte der Flugbegleiterin von meiner Krankheit, meinem Hungerstreik und dass ich nicht mitfliegen will. Sie ging, kam zurück und sagte: Der Pilot wolle mich nicht mitnehmen. Wir sollten das Flugzeug verlassen. Die Polizist:innen waren sichtlich verärgert, es kam zum Streit, aber das Personal bestand darauf, mich nicht mitzunehmen. Schließlich wurde ich, wieder mit Händen und Füßen gefesselt, aus dem Flugzeug getragen und in einen Kleinbus gebracht. Die Polizist:innen versuchten immer noch, das Personal umzustimmen – die Polizistin ging wohl direkt zum Piloten, aber ohne Erfolg. Ich wurde in den Wartesaal zurückgebracht.
Dort wartete ich etwa zwei Stunden. Ich wusste nicht mehr, was mit mir geschehen würde. Weil ich kaum noch gehen konnte, legte man mich in Handschellen auf einen Rollstuhl. Irgendwann holten sie mich erneut, brachten mich zu einem anderen Flugzeug. Ein türkischsprachiger Beamter kam, ich erzählte ihm alles und sagte wieder, dass ich nicht fliegen will. Trotzdem trugen sie mich wieder – an Armen und Beinen – ins Flugzeug. Die Sitzordnung war die gleiche. Ich fing wieder an zu schreien: dass ich Atemnot habe, seit 46 Tagen im Hungerstreik bin und nicht mitfliegen will. Der Arzt sagte – so viel verstand ich – etwas wie: “Ich bin Arzt, es gibt keinen Grund, dass er nicht fliegen kann.” Die Crew sprach miteinander. Ich nutzte einen Moment und begann, meinen Kopf gegen den Bildschirm des Vordersitzes zu schlagen. Eine türkischsprachige Flugbegleiterin kam sofort: “Okay, wir nehmen Sie nicht mit, Sie steigen wieder aus.” Wieder kam es zu einem Streit, die Flugbegleiterin ging, kam zurück und sagte: Der Pilot habe endgültig entschieden, mich nicht mitzunehmen. Also trugen sie mich erneut – mit Handschellen an Händen und Füßen – aus dem Flugzeug.
Zurück im Wartesaal kam ein türkischsprachiger deutscher Polizist, trat mir gegen das Bein. Die deutsche Polizistin schritt wütend ein. Ich sagte zu dem türkischen Polizisten: “Menschen wie du werden niemals Erfolg haben.” Er beschimpfte mich: “Du bist ein Terrorist, du lügst nur, um hierbleiben zu können.” Ich würde ihn erkennen, wenn ich ihn wiedersehe.
Inzwischen war klar: Man versuchte, einen neuen Flug für mich zu organisieren. Man brachte mich in einen Raum bei der Flughafenpolizei, dort warteten wir. Hinter meinem Sitz war eine Betonwand. Das war alles, was mir noch blieb. Ich fand eine Lücke, stand auf – mit immer noch gefesselten Händen und Füßen – und schlug dreimal heftig meinen Kopf gegen die Wand. Ich stürzte, verlor kurz das Gleichgewicht, sie legten mich auf den Boden, fesselten mich nun hinter dem Rücken. Eine Stunde lag ich so am Boden. Mir war extrem schwindelig. Dann hörte ich, dass andere Leute gekommen waren, um mich abzuholen. Sie lösten die Fesseln, zogen mich nach draußen, ohne Rollstuhl, und setzten mich in einen Polizeiwagen mit Einzelzelle.
Wir fuhren etwa eine Stunde. Es gab ein kleines vergittertes Fenster, durch das ich einen Zaun sah. Es war irgendwo in Frankfurt. Später erfuhr ich: Es war ein Abschiebegefängnis. Nach einigen Formalitäten brachte man mich in ein Zimmer, das dem in Dresden ähnelte. Kurz durfte ich – mit ausgeschalteter Kamera – mein eigenes Handy benutzen und kontaktierte euch. Gegen 21 Uhr öffnete sich die Tür. Die Beamten kamen herein, zogen mich wieder komplett aus, führten mich nach unten. Dort warteten dieselben Polizisten wie in der Nacht. Sie setzten mir erneut einen Helm auf, fesselten mich am Gürtel und setzten mich in ein Fahrzeug. Die Polizisten machten Scherze mit Wörtern wie “Flugzeug”, “Abschiebung”, “Istanbul”, “Zuhause”. Gegen 21:30 Uhr fuhren wir los – zurück nach Dresden.
Bei der Rückkehr in die Abschiebehaft in Dresden wurde ich dieses Mal nicht nackt durchsucht, man kontrollierte nicht einmal richtig meine Kleidung. Ich kam zurück in mein Zimmer, in dem ich seit 52 Tagen gewesen war. Als Erstes bemerkte ich: Bilal ist nicht mehr da – offenbar gestern abgeschoben. Mein Kissen- und Bettbezug war entfernt, im Raucherraum standen keine Stühle oder Tische mehr. Ich fragte nach – man erklärte mir, dass das alles wegen Suizidprävention entfernt wurde.
Ich muss meine Tür nun immer schließen. Die ganze Nacht sitzt jemand vor meiner Tür und beobachtet mich. Manchmal treffen sich unsere Blicke. Es ist seltsam – am Ende verlieben wir uns noch. (lacht)
Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen – aus Angst, dass man mich wieder plötzlich mitnimmt. Erst gegen 7 Uhr konnte ich zwei, drei Stunden schlafen. Heute kam der Arzt. Ich ging hin. Es waren Sicherheitsbeamte im Raum, ich bat darum, dass sie rausgehen. Der Arzt wiederholte meine Bitte, aber man sagte, sie dürften auf keinen Fall raus. Nach langer Zeit wurde ich endlich wieder gewogen: 57 Kilo. Vor der Inhaftierung wog ich 79 Kilo.
Ich vergesse jetzt öfter Dinge, aber manche erinnere ich auch sehr genau. In Religionen und in der Philosophie ist oft von anderen Ebenen des Bewusstseins die Rede – Fenafillah, Trance oder anderes. In diesem Widerstand bin ich zu der Überzeugung gekommen: Der menschliche Geist ist zu allem fähig.”
* Das Gespräch führte Osman Oğuz von unserer Öffentlichkeitsarbeit bei einem Besuchstermin in der Abschiebehaft Dresden. Es wurde auf Türkisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.