Newsletter 02/25: Nach Hanau ist vor Hanau

Hanau-Gedenkveranstaltungen in Sachsen

Chemnitz | 19.02. | 17:30 | Roter Turm
Leipzig | 19.02. | 18:00 | Graffitiwand im Rabet
Pirna | 19.02. | 19:00 | Rathaus
Dresden | 05.03. | 17:00 | Neumarkt

Dresden, 18.02.2025

für Ferhat, Gökhan, Hamza, Said Nesar,
Mercedes, Sedat, Kalojan, Vili und Fatih

Liebe Leser:innen,

es sind fünf Jahre vergangen, seit in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet wurden.

Der Anschlag wurde durch eine “Kette des Versagens” ermöglicht, zu denen auch das gehört, was uns zum heutigen Stand der Entrechtung und der Zunahme rassistischer Übergriffe führt: Eine Gesellschaft, in der Rassismus zum Kern der Lebensweise gehört und in der die Politik immer wieder auf rassistische Entmenschlichung zurückgreift, um das eigene Unvermögen zu kaschieren. Eine Gesellschaft, in der trotz aller Bemühungen um eine Migrationsgesellschaft nach wie vor tiefe Ungleichheiten herrschen. Eine Gesellschaft, der eingeredet wird, sie könne sich schützen, indem sie die Mauern hochzieht und das “externalisierte Böse” draußen hält. Eine Gesellschaft, in der solidarische Lösungen und antirassistisches Engagement zunehmend unter Beschuss geraten.

Die kommende Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ist eine Wahl über genau diese Fragen – das haben wir am deutlichsten beim TV-Duell der beiden stärksten Kanzlerkandidaten gesehen: Vor 12,5 Millionen Live-Zuschauer:innen führten sie einen Wettbewerb darüber, wer besser abschieben kann. Migration erscheint dabei nur als Problem, als Übel und die flüchtenden Menschen als Zahl, die es zu verringern gilt. Deutschland erscheint in diesem Gerede als Opfer, das sich schützen muss – vor den Verdammten dieser Erde, denen pauschal alles Böse zugeschrieben wird. 

Das Wesentliche bleibt oft unsichtbar, dafür werden die widerwärtigsten rassistischen Phantasien immer lauter – leider mit zu wenig Widerspruch, zu wenig Empörung. Ob mit oder ohne Bauchschmerzen, ob bunt oder braun, ob tolerant oder aggressiv, ob rot, grün, blau, schwarz, lila oder gelb: Fast alle sind sich einig gegen “diese Flüchtlinge”, gegen die Ärmsten als Quelle jedweder Bedrohung.

Als Hanau war, war der Abschiebungsminister Horst Seehofer im Amt – kurz danach kam die Rückführungsministerin Nancy Faeser. Heute haben Migrant:innen und Geflüchtete überall mit “vielfältigen” Angriffen zu tun, die vielfältige Folgen haben. Fest steht: Dieses Land kommt ohne Migration nicht aus, zumindest nicht ohne die (billige) Arbeitskraft migrantischer Hände, egal wie autoritär alles umgebaut wird. Wir bleiben hier – so oder so. Die Frage war und ist: Können wir gleichberechtigt leben oder müssen wir unter der Knute rassistischer Narrative und Maßnahmen gehalten werden und ständig beweisen, dass wir “gut” und “nützlich” sind? Im ersten Fall können wir uns auf Augenhöhe begegnen und durch mutige Einsichten verändern – im zweiten Fall ist es sicher nicht nur für uns die Hölle.

Hanau war ein Angriff auf die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft. Noch hat dieses Land die Wahl.


Berichte aus dem Verein

Trotz Arbeit, Partnerin und Unterstützung vom Fußballverein: Drohende Abschiebung von Francis N. nach Nigeria

Am 19. Februar droht ihm, einem seit mehreren Jahren in Deutschland lebenden Nigerianer, die Abschiebung. Francis floh 2022 vor dem Krieg in der Ukraine. Aktuell befindet sich Herr N. in der Abschiebehaft Dresden. Seine Partnerin startete eine Unterschriftenaktion für seinen Verbleib, unterstützt wird diese durch einen Thalheimer Fußballverein.

Pressemitteilung.


Fragen und Antworten zur Situation syrischer Geflüchteter in Deutschland

Der Sächsische Flüchtlingsrat erhält derzeit viele besorgte Anfragen von Syrer*innen, ihren Freund*innen, Unterstützer*innen oder pädagogischen Fachkräften, ob syrische Geflüchtete nach dem Sturz von Baschar al-Assad nun nach Syrien zurückkehren müssen oder Abschiebungen zu befürchten haben. Viele dieser Menschen fühlen sich durch die aktuelle Rückkehr- und Abschiebungsdebatte massiv verunsichert. Wir haben einige der Fragen, die uns erreicht haben, in einem Q&A zusammengefasst. Insgesamt muss betont werden: Ruhe bewahren und Panik vermeiden – aber rechtzeitig aktiv werden.

FAQ Syrien.


Zum CDU Parteitag: 145 Organisation stehen für menschenrechtliche Brandmauer ein

Uns alle eint der Wunsch nach einem Leben in einer Gesellschaft, die uns schützt und unterstützt, in der wir beteiligt und respektiert werden. Diese grundlegenden Werte – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte – sind das Fundament unserer Gemeinschaft. Sie geben uns Stabilität, Sicherheit und Halt. Sie garantieren, dass unsere grundlegende Würde und unsere Freiheit gewahrt werden. Es ist die Aufgabe von uns allen, diese Werte zu bewahren und zu verteidigen.

Gemeinsamer Appell.


Bericht: „Rücksichtslose“ Abschiebungen nach Venezuela? So reagiert das Innenministerium

Der Sächsische Flüchtlingsrat beklagt zwei „drastische Fälle von Abschiebungen“. Im Innenministerium will man von den Vorwürfen offenbar nichts wissen.

Bericht.


Nach der schrecklichen Tat in München: Aufklärung heißt Auseinandersetzung, nicht populistische Instrumentalisierung!

In München kam es am Donnerstag, den 13. Februar 2025, zu einem schrecklichen Ereignis: Ein Auto fuhr in eine ver.di-Demonstration.

Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten allen Opfern dieser abscheulichen Tat. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und eine entschlossene Auseinandersetzung, um weitere Taten dieser Art zu verhindern.

Gleichzeitig warnen wir vor einer rassistischen Instrumentalisierung der Tat. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt führen Politiker:innen verschiedener Parteien das Geschehene auf eine mangelnde Eindämmung von Fluchtmigration zurück. Erneut müssen wir beobachten, dass die Opfer solch schrecklicher Taten als Legitimations- und Argumentationsgrundlage für die Forderung nach neuen repressiven Gesetzen, für eine noch stärkere Abschottungspolitik und für rassistische Propaganda missbraucht werden. Eine gründliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Hintergründen solcher Taten folgt nicht. So werden weder die Auswirkungen der Kürzungen im sozialen Bereich bis hin zur psychologischen Betreuung noch die Folgen der verstärkten gesellschaftlichen Polarisierung thematisiert.

Es führt zu keiner Lösung, wenn in Anlehnung an solche Taten Migrant:innen und Geflüchtete pauschal zur Gefahr erklärt und somit der gefährliche Rassismus zum politischen Mittel gemacht wird. Im Gegenteil: Maßnahmen, die dieser Logik folgen, missachten europäisches Recht und rechtsstaatliche Grundlagen in Deutschland und ebnen den Weg in einen zunehmend autoritären Staat und eine zunehmend autoritäre Gesellschaft.

Wir rufen alle dazu auf, sich nicht von rassistischen und populistischen Verklärungen treiben zu lassen. Die Opfer von München und alle Menschen, deren Rechte angegriffen werden, verdienen mehr Respekt. Rassismus und rechtspopulistische Instrumentalisierung unserer gemeinsamen Probleme sind Teil des Problems und führen uns als Gesellschaft in eine gefährliche Entrechtung. Nur eine menschenrechtliche und solidarische Perspektive kann langfristige Lösungen bieten.


Wie ticken die Parteien fluchtpolitisch?

Kurz vor der Bundestagswahl hat PROASYL zwei wichtige Beiträge veröffentlicht, die die fluchtpolitischen Positionen und Pläne der wichtigsten Parteien näher beleuchten.

Der Beitrag „Vom Aufbruch zur Abschottung: Die bittere Bilanz der Ampel-Migrationspolitik“ setzt sich mit der Migrations- und Asylpolitik der Ampelregierung auseinander und zieht ein Fazit: “Geplant waren ein Paradigmenwechsel und ein Neustart in der Asyl- und Migrationspolitik, der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ließ hoffen. Doch die Regierungszeit endete mit Abschiebungen und Asylrechtsverschärfungen, nur wenige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wurden Wirklichkeit.”

Der Beitrag „Wahlprüfsteine 2025: Die Parteien zu Flucht und Asyl“ hingegen enthält Antworten auf acht wichtige fluchtpolitische Fragen der Parteien SPD, CDU/CSU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die LINKE und VOLT..



Drei Stimmen aus der Presse

  • Nach München: Viele Afghanen haben Gewalt erlebt – wie geht Deutschland damit um? (Emran Feroz, Freitag)
    Wer sich das Profil des Täters von München anschaut, findet keinen Extremismus. Über seine Motive wissen wir wenig – wohl aber darüber, was Deutschland im Umgang mit Menschen fehlt, die aus Kriegsgebieten wie Afghanistan fliehen
  • Trumpismus made in Germany (Valeria Hänsel und Sabine Hess, medico)
    Die extreme Rechte versucht seit Jahren, ihre Narrative auf dem Feld der Migrationspolitik zu setzen. Und sie kommt der Macht immer näher. Die Skandalisierung von Migration stellt die Brücke zur Mitte dar und ebnet den Weg, um rechtsstaatliche Prinzipien dem politischen Entrechtungswillen unterzuordnen.
  • Trump und der neue Faschismus (Rainer Mühlhoff, Verfassungsblog)
    Dieser Faschismus beruht auf einem Zusammenspiel von politischem Regime und Tech-Industrie, welches eine neue Qualität der sozialen Sortierung, Ausbeutung, Unterdrückung und Verfolgung bis hin zur Deportation und Ermordung von Menschen nach sich zieht.

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