Newsletter (10/25): Illegal? Egal!

Dresden, 09.10.2025

Liebe Leser:innen,

“je mehr Aktien, desto mehr Bewegungsfreiheit” – das ist das unsichtbare Gesetz unserer Zeit. Geht es aber um Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen, gilt das vielen als unheilbare Naivität oder gar Verrat an “Landesinteressen”.

Die Karawane des bundesweiten Netzwerks “Well’come United”, die wir als Verein unterstützt und an verschiedenen Stationen begleitet haben, stellte sich diesem Zeitgeist entgegen. Es ging nicht um die Bewegungsfreiheit transnationaler Unternehmen oder des Waffenhandels, sondern um die der Menschen, die unter der “Globalisierung der Konkurrenz” leiden. In Zeiten der Abschottung und des Ausbaus von Asylknästen gehen weiterhin Menschen auf die Straße und bestehen auf Gerechtigkeit.

Lakshmi Thevasagayam von “Well’come United” bringt diesen Zusammenhang präzise auf den Punkt: “Deutschland ist einer der weltweit größten Waffenexporteure und heizt damit Kriege auf der ganzen Welt an. Wegen dieser Bomben suchen Menschen nach Sicherheit. Stattdessen werden sie hier in Lager gesteckt und durch die Bezahlkarte schikaniert. Jetzt will Dobrindt uns auch noch unser Menschenrecht auf Asyl verfassungswidrig wegnehmen. Das werden wir nicht zulassen. Wir stehen für Zusammenhalt und Hoffnung, so wie vor zehn Jahren beim March of Hope.”

Zeit der (ill-)egalen Rechtsbrüche

Bevor es Dobrindt gab, gab es Schuster: Sachsen ist berüchtigt für seine Vorreiterrolle bei Abschottung und Aushöhlung des Asylrechts. Der Landesinnenminister, der sich immer wieder des Abschiebungspopulismus bedient, kündigte die Intensivierung der Grenzkontrollen als “guten Tag in Sachsen” an. Die Kontrollen zeigen Wirkung: Im vergangenen Jahr wurden im Freistaat 19.486 Fälle sogenannter “illegaler Einreise” erfasst. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es 2.975.

Die Bundespolizei teilte außerdem mit, dass 28 Menschen, die ein Asylgesuch geäußert hatten, zurückgewiesen wurden. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch deutlich höher liegen. Diese Praxis nennt sich “Pushback” und ist verfassungs- wie unionsrechtlich illegal – und doch sind wir bereits an einem Punkt angelangt, an dem offen darüber berichtet werden kann. An dem ein Rechtsbruch egal ist, wenn es um Geflüchtete geht.

Laut dem Bundesinnenminister stehen wir dabei noch “am Anfang eines Prozesses”. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist noch nicht umgesetzt; das Umsetzungsgesetz liegt im Bundestag und macht die (ill-)egalen Rechtsbrüche besonders sichtbar: beschleunigte Grenzverfahren im “Niemandsland” (“Fiktion der Nicht-Einreise”), Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten, besondere “Dublin”-Aufnahmeeinrichtungen mit Freiheitsentzug – auch für Kinder und vulnerable Gruppen – sowie “Asylverfahrenshaft” für jene, die das Verlassensverbot in den Einrichtungen nicht eingehalten haben. Ein Potpourri der Repression. Warnungen aus Recht, Politik und Beratungspraxis verhallen – Kritiker:innen werden diskreditiert.

Naiv ist der Glaube, die Krisen unserer Zeit mit mehr Repression, höheren Mauern, strengerer Überwachung und wachsender Feindseligkeit zu lösen. Verrat begeht, wer diesem Glauben – der immer mehr Menschen mitreißt – am Ende sogar die Demokratie opfert. Wir stehen auf der Seite der Gerechtigkeit. Die Karawane war eine Ankündigung des Widerstands. Jetzt geht es darum, ihn zu stärken – gemeinsam.


Berichte aus dem Verein

Geplante Arbeitsverbote von Asylsuchenden: GEAS-Umsetzung bringt Rückschritt mit weitreichenden Folgen

Die geplante Neuregelung des Arbeitsmarktzugangs für Asylsuchende im Rahmen des Kabinettsentwurfs vom 03.09.2025 zur GEAS-Umsetzung zu erheblichen Rückschritten in der Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik. Statt Arbeitsmarktintegration zu fördern, wie es bisher weitgehend gesellschaftlicher und parteiübergreifender Konsens war, erschwert der Gesetzesentwurf die Beschäftigung von Geflüchteten mit Aufenthaltsgestattung massiv – mit gravierenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen.

Positionspapier.


Nach Abschaltung des Internets in Afghanistan: Es braucht Verurteilung statt Anerkennung der Taliban!

Nachdem das misogyne Taliban-Regime am 30. September Internet und Festnetztelefonie kappte, wurde der Internetzugang punktuell wieder bereitgestellt. Allerdings besteht in Kabul langfristig das Ziel den Internetzugang zu zensieren und Soziale Medien zu verbieten. Statt Kritik daran zu üben plant Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) nach Kabul zu reisen, um in Verhandlungen mit den Taliban mehr Abschiebungen zu ermöglichen – diese Normalisierung eines religiös fanatischen Terror-Regimes ist für uns nicht hinnehmbar.

Bericht.

Feier der Migrationsgesellschaft in Grünau/Leipzig

Am Mittwoch, den 24.09.2025 versammelten sich über 400 Menschen zu einem “Straßenfest der Solidarität” auf dem Wochenmarkt an der Stuttgarter Allee, Leipzig-Grünau. Die Aktion ist Teil einer bundesweiten Karawane für Bewegungsfreiheit, die 10 Jahre nach dem Sommer der Migration mit Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet für die Rechte von Geflüchteten von Thüringen nach Berlin zieht.

Unter dem Motto “Zusammen in Grünau – gemeinsam gegen Isolation” rief die Gruppe “We’ll Come United Leipzig” gemeinsam mit lokalen Initiativen zu der Veranstaltung von und für Geflüchtete, Migrant*innen und solidarische Menschen auf. Neben einem Bühnenprogramm mit Redebeiträgen zu den Themen Flucht und Migration waren auch zivilgesellschaftliche Initiativen mit Infoständen vor Ort.

Bericht.


Querfeld #8 ist bald da!

Wir freuen uns sehr, denn unser Jahresmagazin erscheint bald mit spannenden und inhaltreichen Beiträgen. Das Titelthema dieser Ausgabe ist “Grenze”. Neben Beiträgen unserer Mitarbeitenden und Mitglieder gibt es auch Erfahrungsberichte zu Grenzen, wissenschaftliche Beiträge zum Grenzregime sowie Texte zu anderen Themen, beispielsweise Staatenlosigkeit oder die Situation in Geflüchtetenunterkünften. Dazu gibt es Gedichte, Bilder und vieles mehr.

Haltet die Ohren offen, bestellt die Ausgabe (gegen Spende bzw. Portokosten) unter querfeld@sfrev.de und helft uns, dass mehr Menschen die Lektüre erhalten. Danke! 🙂


Aus Querfeld #7 – Kettershausen

Kettershausen: ein idyllisches Dorf in Bayern, zugleich ein Ort des Wartens und der Sprachlosigkeit. Der Text von Mehmet Yılmaz erzählt vom Alltag Geflüchteter im Abseits – zwischen Bushaltestellen, Maisfeldern und misstrauischen Blicken.

Blogbeitrag.


Rückblick: Fachtag “Das Aufenthaltsrecht aus feministischer Perspektive betrachtet”

Um das Fazit gleich vorwegzunehmen: Das Aufenthaltsgesetz ist stark patriarchal geprägt und braucht dringend eine Überarbeitung, um marginalisierten Menschen tatsächlich gleichberechtigte Zugänge zu bieten und diverse Lebensrealitäten – wie die von Frauen*, Alleinerziehenden, Care-Arbeitenden, Erkrankten sowie Gewaltopfern – besser zu berücksichtigen. Um einen intersektionalen Blick auf die aktuelle Rechts- und Praxislage zu werfen, hatte der Sächsische Flüchtlingsrat e.V. am 1. Oktober zu einem Fachtag nach Dresden eingeladen. Der Einladung folgten weit über 50 Fachkräfte aus verschiedenen Arbeitsbereichen. In Vorträgen und Workshops wurden nicht nur häufig in der Praxis auftauchende Problemlagen zusammengetragen, sondern ausgehend davon verschiedene Stellschrauben und mögliche Lösungsansätze gemeinsam diskutiert.

Ein besonderer Fokus des Fachtages lag darauf, wie das Aufenthaltsrecht Opfer häuslicher Gewalt – die oft von ihren Täter:innen aufenthaltsrechtlich abhängig sind – besser schützen kann und welche Maßnahmen dafür notwendig sind. Die verschiedenen Perspektiven aus der Praxis haben auch hier deutlich gemacht, dass es noch erheblichen Verbesserungsbedarf gibt. Der Fachtag hat einen wichtigen ersten Impuls gesetzt, doch um zu einem intersektionalen Aufenthaltsgesetz zu gelangen, sind weitere Formate für Austausch und Lösungsfindung unverzichtbar.


Pressemitteilung: Landesflüchtlingsräte fordern bundesweiten Abschiebestopp für Jesid*innen in den Irak

Die Landesflüchtlingsräte appellieren an Bund und Länder, umgehend einen umfassenden Abschiebestopp für Jesid*innen in den Irak zu verhängen. Die aktuelle Praxis setzt Überlebende des Genozids massiver Gefahr aus und lässt Betroffene in ständiger Unsicherheit leben – wie das Beispiel der Jesidin Dlvin K. zeigt.

Pressemitteilung.


Cash Cow Flüchtlingsheim – Doku über Profite mit Geflüchteten

Vor knapp zwei Jahren hatten wir den Markteintritt von Serco/ORS, dem mittlerweile größten Player im Geschäft mit den Asylunterkünften, ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Das transnationale Unternehmen verdient in jeder Phase der Flucht Geld – von Kriegslogistik und Waffentechnologie über Grenzüberwachung bis hin zu Gefängnissen und der Unterbringung von Geflüchteten. Es gibt zahlreiche Beschwerden über die Folgen dieser Profitgier. Nach unserem Bericht sind zahlreiche weitere Berichte über dieses Geschäft entstanden – zum Teil mit unserer Beteiligung.

Der ausführlichste Bericht ist der von Till Uebelacker von der ARD, an dem auch wir mitgewirkt haben: „Das ARD-Radiofeature ‚Cash-Cow Flüchtlingsheim‘ wirft einen kritischen Blick auf ein System im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Verantwortung und privatem Gewinninteresse – und fragt: Wie sollte die Unterbringung Schutzsuchender in einem Sozialstaat organisiert sein?

Radiobericht.


Unsere Spendenkampagne: Wir brauchen euch – dringend!

Dank euch haben wir bereits über 17.000 € für den Sächsischen Flüchtlingsrat und #stilllovingbleiberecht!

Gerade in Zeiten politischer Repression, finanzieller Kürzungen und destruktiver Debatten voller Stereotype zeigt ihr: Solidarität wirkt. Gemeinsam können wir Schutzsuchenden den Rücken stärken.

Damit heute Grundrechte bewahrt und eines Tages alle Menschen gleichberechtigt leben können. Dafür bleiben wir kritisch, laut und sichtbar – um Anliegen von Schutzsuchenden in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wir freuen uns weiter über jeden Support und Leute, die die Kampagne teilen 💚


Veranstaltungshinweise

Wege aus der Duldung

Ihr Asylantrag wurde abgelehnt und Sie fragen sich, wie es jetzt weitergeht oder Sie besitzen bereits eine Duldung und fragen sich, welche Möglichkeiten Sie nun haben? Wir wollen darüber informieren, was eine Duldung ist und welche Wege aus der Duldung zu einer Aufenthaltserlaubnis führen können. 

WANN: am 23.10.2025 um 16:00 bis 18:00 Uhr
WO: Internationales Begegnungszentrum, AG Asylsuchende, Lange Straße 38a, 01796 Pirna


Rechte geflüchteter Frauen bei Trennung

* nur für Frauen

Liebe Frauen, interessieren Sie sich für Themen, die Ihr Wissen über Ihre Rechte und Aufenthaltsmöglichkeiten stärken können? Oder kennen Sie jemanden, der davon profitieren könnte? Dann ist diese Schulung genau das Richtige für Sie. Wir werden über Aufenthaltsoptionen und über die Rechte sprechen, die Sie als Frauen in Deutschland haben.

Die Schulung richtet sich insbesondere an geflüchtete Frauen. Die Teilnahme ist kostenlos.

WANN: am 27. Oktober 2025 um 10:00 – 12:00 Uhr
WO: Atelier Frauenvielfalt / Neugasse 20, Meißen, 01662


Infoveranstaltung: Asylverfahren

Haben Sie einen Asylantrag in Deutschland gestellt und kennen die genauen Schritte im Asylverfahren nicht, was Sie erwartet und in jedem Schritt tun sollten? Wir werden über das Asylverfahren, seine Merkmale, Fristen, Optionen innerhalb des Prozesses, Pflichten und Rechte, Integrationskurs und mehr sprechen. 

WANN: am 30.10.2025 um 16:00 bis 17:30 Uhr
WO: Diakonie Burgstädt, Kirchplatz 2, 09217 Burgstädt


Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen – Warum Beschäftigte ihre Rechte nicht einfordern (können)

Viele in Deutschland Beschäftigte sind in der Arbeitswelt mit Rechtsverletzungen konfrontiert. So ignorieren Arbeitgeber etwa Vorgaben für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, zahlen Löhne nicht oder nicht vollständig, lassen unbezahlt Überstunden leisten, gewährleisten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kündigen rechtswidrig oder sanktionieren diejenigen, die streiken oder Betriebsräte gründen wollen.

Für all diese Fälle gibt es in Deutschland arbeitsrechtliche Möglichkeiten. Doch häufig fordern abhängig Beschäftigte ihre Rechte nicht ein. Woran liegt das? Für diesen Abend stellen wir uns die Fragen: Welche Lebensumstände führen dazu, dass Arbeitnehmer:innen Rechtsverletzungen hinnehmen und was können wir als Gewerkschaft tun, um diese Kolleg:innen zu unterstützen.

Der Vortrag von Dr. Nikolai Huke stellt Befunde eines empirischen Forschungsprojekts an der Universität Hamburg zum Thema vor, die zeigen, warum es für Beschäftigte häufig schwierig ist, gegen entsprechende Rechtsverletzungen vorzugehen.

In diesem Zusammenhang wird Josephine Garitz vom Sächsischen Flüchtlingsrat die Arbeit des Vereins vorstellen.

WANN: am 12. November 2025 um 18:00 Uhr
WO: Saal im Volkshaus, Karl-Liebknecht-Str. 30-32, 04107 Leipzig


Zu Tisch – Lieblingsgerichte aus aller Welt

Gorbitz eilt sein Ruf als zwar vielfältiger aber auch kontroverser Stadtteil voraus. Grund genug, einmal einen Blick über den Tellerrand zu werfen und den Vorurteilen mit Kochschürze und Löffel zu begegnen, denn ein Gericht kann mehr erzählen als tausend Worte: von Kindheit, Heimat, Flucht, Neuanfang und Begegnung. In diesem Workshop kochen Menschen aus verschiedenen Kulturen gemeinsam ein Rezept aus ihrer Heimat, teilen Erinnerungen und sprechen über die Bedeutung, die dieses Essen damals hatte – und heute in Deutschland hat.

Ein Format für Austausch auf Augenhöhe – mit offenem Herzen und gedecktem Tisch.

Die Teilnehmenden sind eingeladen, Rezepte aus Ihrer Heimat gemeinsam mit der Kursleitung zuzubereiten.

Weitere Hinweise

Das Angebot ist kostenfrei.

Um formlose Anmeldung wird gebeten unter: (0351) 254 40-62 oder julia.scherer@vhs-dresden.de

In Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. im Rahmen von #sfrfriends

WANN: am 03.12.2025 um 17:30-21:15 Uhr
WO: Volkshochschule / Helbigsdorfer Weg 1 01169 Dresden



Drei Stimmen aus der Presse

  • Härtere EU-Gesetze zum Familiennachzug: Ahmad kann nicht schlafen (von Ashifa Kassam, Freitag)Die strikten Gesetze zum Familiennachzug in die EU-Länder führen zu langen Trennungszeiten. Letztlich profitieren von diesem Umstand die von der Politik hart bekämpften Schleusergruppen
  • Wir Komplizen? (von Tsafrir Cohen, medico-Rundschreiben)
    Seit beinahe zwei Jahren sind wir nun Augenzeugen von Verbrechen gegen die Menschheit, die die israelische Politik und Armee begehen. Die Gräueltaten des 7. Oktobers sind angesichts ihres Ausmaßes schon lange keine glaubwürdige Ursache mehr für das Geschehen.
  • Dobrindt will schnelle Asylverfahren, unbefristete Abschiebehaft und KI-Einsatz (von Katja Thorwarth, Frankfurter Rundschau)
    Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat politisch ein erklärtes Ziel: Migration begrenzen. Hierfür lädt er sämtliche EU-Innenminister nach München.

Teile diesen Beitrag: