Dresden, 04.11.2024
Liebe Leser:innen,
diesen Monat erreichte uns eine erfreuliche Nachricht: Das Sozialamt Leipzig teilte mit einem Foto mit, dass in den privat betriebenen Notunterkünften in Leipzig endlich die fehlenden Türen eingebaut wurden und nun auch mehrsprachig auf die Beschwerdemöglichkeiten hingewiesen wird.
Die Zustände in diesen Unterkünften haben wir mit Unterstützung von menschenrechtsorientierten Sozialarbeiter:innen öffentlich gemacht, woraufhin ein Gespräch zwischen uns, der Betreiberfirma und dem Sozialamt stattfand, das von Vertreter:innen des Migrant:innenbeirats und des Landtags begleitet wurde. Entgegen der Behauptung, dass in den Notunterkünften alles mit rechten Dingen zugehe und selbst der Einbau von Türen (wegen des Brandschutzes) nicht möglich sei, haben wir auf konkrete Schritte zur Verbesserung gedrängt. Dass nun einige unserer Forderungen erfüllt wurden, hebt die Missstände in den Unterkünften natürlich nicht auf, aber wir sind froh, dass hier ein Beispiel für die Wichtigkeit der Zusammenarbeit entstanden ist. Wir bedanken uns ausdrücklich bei den engagierten Sozialarbeiter:innen und allen anderen Beteiligten.
Dieses Beispiel zeigt einmal mehr: Wir setzen uns für konkrete Lösungen und alltagspraktische Verbesserungen ein. Unsere Beratungsangebote erleichtern unzähligen Geflüchteten den Einstieg in den Arbeitsmarkt oder den Umgang mit der Bürokratie. Unsere Empowerment-Angebote motivieren Menschen, sich selbst für ihre Anliegen stark zu machen. Unsere Öffentlichkeitsarbeit versucht, Probleme auf ihre Ursachen zurückzuführen und eine lösungs- und menschenrechtsorientierte Debatte anzuregen.
Doch andererseits leben wir in einer Zeit, in der die vermeintlichen Lösungen immer mehr auf mehr Repression, mehr Verdrängung, mehr Abschiebung basieren. Die Politik setzt von Tag zu Tag mehr auf Abschottung und jegliche Verzerrungen werden durch zum Teil rechtswidrige Gesetzesverschärfungen legitimiert. So fordert unser Ministerpräsident wiederholt eine Obergrenze für Geflüchtete und die Bundesregierung entwickelt täglich neue repressive Maßnahmen zur Abwehr, Abschiebung und Schikane. Damit werden einerseits Menschen pauschal zur Gefahr erklärt und der Boden für eine gefährliche Entmenschlichung bereitet, andererseits werden grundsätzliche, aber auch alltagspraktische Lösungen verhindert. Die Idee der Abschottung schafft mehrere Illusionen, ja eine kollektive Verblendung: Man glaubt, sich durch Abschottung vor globalen Entwicklungen hin zu mehr Katastrophen und mehr Krieg schützen zu können.
Abschottung wird inzwischen nicht nur von rechten Kräften zum Allheilmittel erklärt. Falsche Ängste werden geschürt, und immer mehr Menschen sehen die Lösung nur noch in mehr Repression statt in mehr Solidarität, mehr Umverteilung, mehr Gerechtigkeit. Das ist eines der Hauptmerkmale des viel beklagten gesellschaftlichen Rechtsrucks. Der politische Rechtsruck geht hier Hand in Hand und selbst klare Rechtsbrüche werden mit ein paar Stichworten zu Geflüchteten legitimiert (siehe sogenanntes Sicherheitspaket). Diejenigen, die Geflüchtete zum Feindbild erklären, anstatt ihrer Verantwortung für die Fluchtursachen nachzukommen, greifen im nächsten Atemzug z.B. die Bürgergeld-Empfänger:innen an. Als ob die Ärmsten unsere Erde von einer Katastrophe in die nächste treiben würden. Paläste gegen Blocks und Asylunterkünfte.
Wir freuen uns über die eingebauten Türen in Leipzig – das ist natürlich eine bedeutende Veränderung für die Menschen, die dort leben müssen. Wir freuen uns aber auch, wenn dieses Beispiel einer breiten Öffentlichkeit zeigt, mit welchen Lebensrealitäten viele Asylsuchende konfrontiert sind. Während Konzerne an ihrem Leid verdienen, viele politische Strömungen alle Probleme auf sie abladen und Flüchtlingsfeindlichkeit das gesellschaftliche Klima vergiftet, versuchen sie zu überleben.
Die Geflüchteten sind nicht die Verursacher dieses Elends – ihre Flucht ist eine Folge davon. Das Gerede über Flucht muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden.
Berichte aus dem Verein
¡BIENVENIDOS! läuft am Ende des Jahres aus
Unser Projekt „¡BIENVENIDOS! Community-building für Geflüchtete aus Venezuela“ hat seinen vorletzten Newsletter veröffentlicht, da das Projekt im nächsten Jahr leider nicht mehr finanziert wird. Das Projekt war eine sehr wichtige Anlaufstelle für Geflüchtete aus Venezuela, die deutschlandweit vor allem in Sachsen untergebracht sind. Im Newsletter von ¡BIENVENIDOS! heißt es: “Leider wird unser Projekt zum Jahresende auslaufen und in 2025 nicht weiter finanziert werden können, wie wir von unserem Fördermittelgeber in der vergangenen Woche erfahren mussten. Diese Entscheidung bedauern wir sehr, und hätten unsere Aktivitäten gerne auch im nächsten Jahr noch weiter fortgesetzt. Nichtsdestotrotz können wir bereits jetzt auf ein enorm erfolgreiches und ereignisreiches Projektjahr zurückblicken und sind davon überzeugt, dass wir einen guten Beitrag zur Unterstützung, Stärkung und Sichtbarmachung der venezolanischen Community in Sachsen leisten konnten.”
Hier geht es zum Newsletter.
Mit Sicherheit Verfassungsbruch: Wohnungslosigkeit und Verelendung verhindern!
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ZDF-Bericht über die Situation gehörloser Geflüchteter in Sachsen
Die Situation von gehörlosen Geflüchteten in Sachsen wird häufig übergangen. Nur selten haben sie die Möglichkeit, ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Dabei gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die explizit ihre Situation betreffen und mit einigen Handlungsoptionen wesentlich angegangen werden können.
Deshalb haben wir im Dezember letzten Jahres gemeinsam mit dem Stadtverband der Gehörlosen Dresden e.V. und dem Antidiskriminierungsbüro Sachsen einen offenen Brief verfasst, der nicht nur die aktuelle Situation in Sachsen beschreibt, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen gibt.
Nun hat auch das ZDF über die Situation gehörloser Geflüchteter berichtet – auch wir kamen zu Wort.
Die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen, um gehörlosen Geflüchteten das Leben und die Integration zu erleichtern, bleibt bestehen:
- Individuelle Bedürfnisse erfassen
- Kooperation mit bestehenden Strukturen
- Feste Kontingente in urbanen Zentren
- Unterstützung der Engagierten
- Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen
- Bildung nach Bedarf nicht nach Alter
- Deutschkurse mit Gebärdenübersetzung
Die Umsetzung dieser Maßnahmen würde nicht nur die unmittelbaren Kosten senken, sondern vor allem das Leben und die Integration gehörloser Geflüchteter nachhaltig verbessern. Wir sind davon überzeugt, dass eine gezielte und inklusive Herangehensweise an diese Herausforderung ein wichtiger Schritt in Richtung einer gerechteren Gesellschaft sein kann.
Immer mehr “freiwillige” Ausreisen aus Sachsen
Laut der “Quartalsbilanz Abschiebungen und freiwillige Ausreisen für Juli bis September 2024” der Landesdirektion Sachsen gab es von Januar bis September 2024 726 “freiwillige” Ausreisen. Im Vergleichszeitraum 2022 (Januar bis September 2022) waren es noch 344 “freiwillige” Ausreisen.
Der auffällige Anstieg lässt tief blicken: Denn viele Menschen werden durch ein immer repressiveres Vorgehen zur „freiwilligen“ Ausreise gezwungen. Wenn Menschen sowohl mit immer mehr Anfeindungen als auch mit Repressionen wie der Bezahlkarte (aka Schikanekarte) konfrontiert sind und offen unter das Existenzminimum gedrückt werden, kann von „Freiwilligkeit“ kaum die Rede sein.
Wenn Du in Deinem Umfeld einen Fall von „freiwilliger“ Ausreise kennst, melde Dich bei uns: pr@sfrev.de
Kabarett gegen die deutsche Flüchtlingspolitik
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GEAS: Bundesregierung will bei Drangsalierung noch einen Gang höher schalten
Die Reform des GEAS ist ohnehin ein brutaler Einschnitt in das Asylrecht und eine Verrechtlichung vieler Verwerfungen und Entmenschlichungen. Die Bundesregierung will bei der Umsetzung noch einen Gang höher schalten, um Schutzsuchende zu drangsalieren.
PRO ASYL verurteilt den vom Bundesinnenministerium vorgelegten Referentenentwurf zum GEAS-Umsetzungsgesetz. Dieser Entwurf zur Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in Deutschland bedroht grundlegende Menschen- und Flüchtlingsrechte.
Zudem äußert Deutsches Institut für Menschenrechte in einer Stellungnahme menschenrechtliche Bedenken: “Der Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS-Anpassungsgesetz) enthält Regelungen, die die Rechte von Schutzsuchenden beschränken und zudem unionsrechtlich nicht zwingend sind.”
Terminänderung für die Offene Sprechstunde in Dresden
Die offene Sprechstunde in Dresden im Rahmen des Projektes „PERSPECTIVES“ findet ab sofort mittwochs von 10 bis 14 Uhr statt
Veranstaltungshinweise
Veranstaltungsreihe – Frauen in Afghanistan: Unsichtbar und rechtlos?
Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 erlebt Afghanistan eine dramatische gesellschaftliche und politische Wende.
Besonders Frauen, Mädchen und die LGBTQIA+ Community sind von den Maßnahmen betroffen, die ihre grundlegenden Rechte und Freiheiten einschränken. Mädchen dürfen nicht mehr die Schule besuchen und Frauen dürfen nicht mehr arbeiten, selbst die weibliche Stimme darf in der Öffentlichkeit nicht mehr gehört werden.
Auch vor körperlicher Gewalt machen die Taliban keinen Halt: bereits mehrfach wurden Menschen wegen Homosexualität ausgepeitscht.
Doch was bedeuten diese Verbote für Frauen in ihrem Alltag? Wie bestreiten sie ihren Lebensunterhalt? Wie sieht der Alltag für afghanische Frauen unter der Genderapartheid aus? Gibt es in Afghanistan noch Protestbewegungen und was wünschen sich afghanische Frauen von der Weltöffentlichkeit?
🧭 WANN: 07. November 2024
📌 WO: Online
Anmeldung unter https://eveeno.com/104150064
Grundlagenschulung Ausländerzentralregister
Der Flüchtlingsrat RLP und civi kune RLP laden herzlich zur Schulung ein! Lernen Sie mehr über das Ausländerzentralregister, die gespeicherten Daten und Ihre Rechte.
Fragen, die wir beantworten werden:
- Welche Infos werden gespeichert und wer hat Zugriff?
- Wie werden Daten von besonders schutzbedürftigen Personen behandelt?
- Welche Möglichkeiten gibt es, gegen fehlerhafte Einträge vorzugehen oder die Löschung von Daten zu beantragen?
🧭 WANN: 12. November 2024 – 9:00 – 13:30 Uhr (Anmeldungen bis 11.11.2024)
📌 WO: Online
Teilnahmegebühren: Hauptamtliche 25€, Ehrenamtliche 10€
Referentin: Sarah Lincoln, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Expertin für Datenschutz und Menschenrechte.
Anmeldung per E-Mail an: anmelden@fluechtlingsrat-rlp.de
Infovortrag in spanischer Sprache: Bleiberechtsmöglichkeiten nach Ablehnung des AsylantragesSebastian Lupke und Neydi Villamizar vom Projekt „¡BIENVENIDOS!“ geben einen Überblick über die verschiedenen gesetzlichen Möglichkeiten von der Ausbildungsduldung bis zum neu eingeführten „Spurwechsel“ für Fachkräfte, mit denen auch nach Ablehnung eines Asylantrages noch ein Bleiberecht in Deutschland erwirkt werden kann. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden (SUFW) statt, eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig. 🧭 WANN: 14. November 2024 – 15:00 – 17:00 Uhr 📌 WO: Club Passage / Leutewitzer Ring 5, Dresden-Gorbitz, Sachsen, 01169 |
Spanisches Online-Coaching „Herausforderung vs. Resignation“
In Kooperation mit dem Projekt BIENVENIDOS wird Frau Maria Gabriela Bello, Ärztin aus Venezuela im Prozess der Zeugnisanerkennung, einen Coaching-Workshop über Neuanfänge als Migrant:in, mentale Gesundheit sowie Wertschätzung und Befähigung in einer neuen Lebensumgebung durchführen. Der Vortrag ist kostenfrei und wird online via Zoom stattfinden. Wir bitten um eine kurze Anmeldung bis spätestens 28.11.2024 an villamizar@sfrev.de.
🧭 WANN: 30. November 2024 – 10:00 – 12:00 Uhr
📌 WO: Online

Drei Stimmen aus der Presse
- Ausgesetzt in der Wüste · Europas tödliche Flüchtlingspolitik (BR)
Die Dokumentation beleuchtet die dramatischen Folgen europäischer Flüchtlingspolitik, zeigt exklusiv, wie EU-finanzierte Sicherheitskräfte in Nordafrika systematisch Menschen in die Wüste verschleppen und welche Verantwortung Europas Regierungen tragen. - Das „Wir“ und das „Die“. Wie koloniale Denkmuster die Migrationsdebatte prägen (Thomas Tews – Grundrechtekomitee)
Die antimigrantischen und antimuslimischen Diskurse, die gegenwärtig unsere Migrationsdebatte dominieren, setzen – bewusst oder unbewusst – die in Kolonialismus und Orientalismus wurzelnde Konstruktion nichteuropäischer Subjekte als „die Anderen“ fort. Diese gilt es in ihrer Genese zu analysieren, um sie dekonstruieren zu können.
- „Die Asylpraxis schürt Angst“ (Freitag)
Wie Exil, Fremdheit und Diskriminierung in der Psyche nachwirken, untersucht der aus dem Iran stammende Historiker Mohammad Sarhangi. Sein Buch ist eine Melange aus wissenschaftlichen Fakten, literarischen Anleihen und eigener Geschichte