Nach eigenen Angaben und Medienberichten wurde die „European Homecare GmbH“ (mit bundesweit 120 Einrichtungen) von dem transnationalen Unternehmen „Serco„ übernommen: Für 40 Millionen Euro. Serco übernimmt im Auftrag verschiedener Staaten wie Großbritannien, USA oder Australien Aufträge in Bereichen wie Bau und Betrieb von (Abschiebe-)Gefängnissen und Asylunterkünften, Produktion und Management von Verteidigungstechnik, Entwicklung von Logistik und Management in Kriegsgebieten (u.a. im Nahen Osten). Darüber hinaus ist das Unternehmen im Rüstungssektor tätig und an der Entwicklung, Produktion und Wartung von Atomwaffen beteiligt. In einer Liste der 100 größten Rüstungskonzerne rangiert das Unternehmen auf Platz 62.
Die “Erfolge” des Unternehmens
Das Unternehmen, das einer der Hauptakteure in der katastrophalen Flüchtlingspolitik Großbritanniens ist, betreibt auch im Auftrag des australischen Staates Inselgefängnisse für Geflüchtete im Pazifik, aus denen seit Jahren über Misshandlungen berichtet wird. Ärzt*innen und Sozialarbeiter*innen meldeten Fälle von sexueller Belästigung, nahezu endemischen Depressionskrankheiten und regelmäßigen Suizidversuchen. Ein Gesetz bedroht Lagerangestellte, die diese Missstände öffentlich machen, mit bis zu zwei Jahren Haft. Dennoch wurden die Menschenrechtsverletzungen unter anderem von Amnesty International und Human Rights Watch thematisiert. Das Unternehmen ist auch dafür bekannt, mittellose Geflüchtete für symbolische Löhne in den Lagern arbeiten zu lassen: In Großbritannien sparte das Unternehmen so in einem Jahr 3 Millionen Pfund.
Hogir ist in ihrem Camp gestorben
In Deutschland macht Serco durch die Übernahme von European Homecare GmbH nicht zum ersten Mal auf sich aufmerksam: Hinter dem von Serco betriebenen Flüchtlingslager in Kusel (bei Kaiserslautern) wurde die Leiche des 25-jährigen kurdischen Geflüchteten Hogir A. aus der Türkei erhängt aufgefunden. Der Tod von Hogir A. brachte zahlreiche Misshandlungen von Asylbewerber*innen ins Licht der Öffentlichkeit.
Es war schlimm, jetzt wird Schlimmeres befürchtet
Ohnehin gibt es zahlreiche Berichte über Missstände in den Einrichtungen der European Homecare GmbH, die nach dem gleichen Profitprinzip arbeitet wie Serco. In einem der Lager des Unternehmens in der Bremer Str./Dresden, das nun ebenfalls von Serco übernommen wird, herrschen beispielsweise seit Jahren menschenunwürdige Zustände: Bewohner*innen berichten von restriktivem Verhalten des Sicherheits- und Betreuungspersonals, schlechter Qualität aller Lebensmaterialien, räumlicher Enge und mangelnder Privatsphäre und Hygiene. In welche Richtung sich die Verhältnisse durch die Übernahme von Serco entwickeln werden, ist angesichts der bisherigen internationalen Praxis des Unternehmens beunruhigend absehbar.
Ein florierendes Geschäft
„Das alles klingt nach einem florierenden Geschäft“, kommentiert Osman Oğuz vom Sächsischen Flüchtlingsrat die Übernahme durch Serco und fährt fort: „Zuerst arbeiten sie an der Schaffung von Fluchtursachen durch Kriege, dann beteiligen sie sich am Einfangen und Abschieben von Geflüchteten an den Grenzen und schließlich betreiben sie die Unterkünfte für Geflüchtete – in jedem Schritt im staatlichen Auftrag. Dabei machen sie einen Jahresumsatz von 4,5 Milliarden Dollar. Doch in ihren Lagern herrschen meist elende Zustände. Das Prinzip heißt Profitmaximierung, also je weniger für die Menschen, desto mehr Profit für das Unternehmen. Was sie den ‚Markt der Migrationssicherheit‘ nennen, ist eines der dreckigsten Geschäfte unserer Zeit.“
Faschistische Träume in Erfüllung
Oğuz bezeichnet das Ausmaß der Entwicklung dieses „Marktes“ seit Beginn der 2000er Jahre als „erschreckend“ und sagt: „Was in diesem weit verzweigten Geschäft ‚gemanagt‘ und mit dem Ziel billigster Effizienz umgesetzt wird, entspricht vielen faschistischen Träumen von Internierung, Vertreibung und Ausbeutung. Ganz im Sinne des Zeitgeistes: nach der Logik eines neoliberalen, transnationalen Unternehmens.”
Milliardengewinne mit Leid und Rechtsbruch
Durch die Übernahme verfügt das Unternehmen Serco nun auch in Sachsen über zahlreiche Einrichtungen, in denen Geflüchtete untergebracht werden. Ob das Unternehmen weitere Investitionen tätigen und expandieren wird, ist derzeit unklar. Es wird befürchtet, dass künftig auch die Abschiebehaft in Dresden von der Firma übernommen wird. Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe betont, dass die Haftbedingungen schon jetzt freiheitsberaubend, rechtswidrig und traumatisierend sind und fügt hinzu: „Es ist grotesk, wie große internationale Konzerne mit Leid und Rechtsbruch Milliardengewinne machen – übrigens ist das meiste davon mit Steuern bezahlt.“