Mehrmals im Jahr veröffentlichen wir Zahlen und Grafiken zu wichtigen Aspekten aus dem Politikfeld Flucht und Asyl in Sachsen, um aktuelle Entwicklungen aufzuzeigen. Zum Vergrößern auf die Grafiken klicken.
Letzte Aktualisierung: April 2024 über die Zahlen bis zum 31.12.2023
Auch 2023 musste beobachtet werden, dass sich positive Trends bei der dezentralen Unterbringungsquote umgekehrt haben. In Dresden, Meißen, Mittelsachsen, dem Vogtland und in der Sächsischen Schweiz gleichen die seit 2016 verzeichneten Daten einer umgedrehten U-Kurve. Mit Ausnahme des Erzgebirgskreises hat sich die Quote der im Asylverfahren dezentral untergebrachten Personen in allen sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten verringert. Einen deutlichen Absturz legten 2023 gleich zwei Landkreise hin – Nordsachsen sowie der Landkreis Leipzig. Waren in Nordsachsen im Jahr 2022 noch 72,8 Prozent der Menschen im Asylverfahren dezentral untergebracht, so sank diese Quote um fast 16 Punkte auf 56,92 Prozent. Und auch im Landkreis Leipzig sank die Quote um 15 Prozent. Dresden hat seinen Abwärtstrend vom Vorjahr 2023 fortgesetzt und befindet sich nun bei einer Quote von 64,23 Prozent. Insgesamt muss konstatiert werden, dass die dezentrale Unterbringungsquote in Sachsen weiterhin eine negative Entwicklung durchläuft. Zudem bleibt es nach wie vor schwierig, die Zahlen der einzelnen Kommunen miteinander zu vergleichen, da eine einheitliche und ehrliche Definition, was als dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden zählt, in Sachsen fehlt. Beispielsweise schönt sich die Stadt Dresden Zahlen, indem nicht nur das selbstbestimmte Wohnen mit frei gewählten Mitbewohner*innen als dezentral zählt.
Bautzen bleibt nach wie vor Schlusslicht. Lediglich 20,17 Prozent der Menschen sind dort dezentral untergebracht. Nach allem, was aus dem Landratsamt Bautzen zu hören und zu sehen ist, besteht keinerlei politischer Wille, dies zu ändern. Auch wenn erste dezentrale Unterkünfte geschaffen wurden, um die Notunterkünfte im Landkreis zu entlasten.
Lange Zeit waren durchschnittlich ca. 2.000 Menschen in den sächsischen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Bereits mit der Fluchtbewegung über Belarus/ Polen seit August 2021 stieg die Zahl zwischenzeitlich auf ca. 3.000 Personen, sank aber rasch wieder auf 2.213 zum Jahresende 2021. Nach der Fluchtbewegung aus der Ukraine waren es über 4.000 Menschen, die in den Aufnahmeeinrichtungen lebten – Ende 2023 sogar 4.931 Menschen. Aktuell leben jedoch deutlich weniger Menschen in den EAEs, so leben zum heutigen Stand (25. April 2024) laut Landesdirektion 2.633 Personen in den Massenunterkünften, was einer Auslastung der gesamten Kapazitäten von 36 Prozent entspricht. Ukrainer*innen sind derzeit kaum noch in den Einrichtungen, denn sie erhalten mit Ankunft und Registrierung direkt einen Aufenthaltstitel und die Möglichkeit, sich eine eigene Wohnung zu suchen, Jobcenter-Leistungen zu beziehen und arbeiten zu gehen. Die meisten Menschen in den Aufnahmeeinrichtungen sind im Asylverfahren und können qua Gesetz in den Camps untergebracht werden. Es mag eine Herausforderung sein, die Menschen schnell und würdig unterzubringen, doch Platz gibt und gab es in den Kommunen. Teils sprechen wir übrigens über Zeltlager. Drei von ihnen gibt es Stand Frühjahr 2023: die Bremer Straße in Dresden und die Leipziger Lager Mockau II und III. Mockau I ist derzeit nicht in Betrieb. Aktuelle Belegungszahlen, inklusive der Menschen, die aus der Ukraine in Sachsen ankommen, hält die Landesdirektion Sachsen hier bereit. Spannend ist auch der Blick auf die Menschen in den Lagern, denen die sogenannte „Wohnsitzverpflichtung“ auferlegt wurde. Das bedeutet, dass sie auf Grund einer unterstellten „schlechten Bleibeperspektive“ bis zu 24 Monate in den Aufnahmeeinrichtungen leben müssen. Die neue Aufnahmeeinrichtung Einsiedel bei Chemnitz ist mit 56,85 Prozent der Menschen, für die diese Verpflichtung greift, 2023 ganz vorn gewesen.
In absoluten Zahlen befanden sich zum Stichtag 31.12.2023 genau 171 Kinder in schulpflichtigem Alter länger als drei Monate in den Lagern von Sachsen. Das entspricht gut 26,5 Prozent aller schulpflichtigen Kinder (645), die in Lagern leben müssen. Damit hat sich die Zahl der Kinder, denen das Recht auf Bildung verwehrt wird im Jahr 2023 fast verdreifacht. Und das, obwohl EU-Recht eindeutig den Schulzugang spätestens drei Monate nach Asylantragstellung vorsieht. Noch Ende 2021 war die Zahl auf einen historischen Tiefstand von 20 Kindern gesunken, ihr Anteil an schulpflichtigen Kindern insgesamt lag damals bei 7,27 Prozent. Das starke Absinken der Zahlen war ein Fortschritt, der nun offenbar aufgegeben wurde, der Trend geht wieder massiv nach oben. Im Koalitionsvertrag wurde das Versprechen abgegeben, dass alle Kinder schnellstmöglich einen Schulzugang erhalten sollen. Zum 31.12.2023 befanden sich 13 Kinder länger als sechs Monate in den Lagern. Und sogar länger als zwölf Monate waren noch vier Kinder in den Aufnahmeeinrichtungen. Gerade im Hinblick auf die wieder stark steigenden absoluten Zahlen schulpflichtiger Kinder in den Erstaufnahmeeinrichtungen muss der Druck auf die politisch Verantwortlichen aufrechterhalten werden. Am 11. April 2024 befanden sich in Sachsen 1543 geflüchtete Kinder und Jugendliche ohne Schulplatz. Jede verlorene Zukunft ist eine zu viel!
Wer ist eigentlich für „die Geflüchteten“ in Sachsen zuständig? Und wer zählt überhaupt darunter? Denn zahlreiche Untergruppen mit verschiedenen Bezeichnungen wie auch Rechtsansprüchen können unter diesen Begriff gefasst werden. Die folgende Grafik gibt Aufschluss darüber, in wessen Zuständigkeit welche Personen in Sachsen leben. Stichtag war der 30.11.2023: Deutlich wird, dass die meisten von den Menschen, die sich derzeit humanitär geschützt in Sachsen aufhalten, aus der Ukraine kommen – entweder als Ukrainer:innen oder als Drittstaatler:innen. Insgesamt sind es neun verschiedene Gruppen, die sich in der Legende der Grafik wiederfinden. Das Feld ließe sich noch weiter aufschlüsseln. Hier kurz erklärt: „Im Asylverfahren“ sind die Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, für den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aber noch keine Entscheidung getroffen hat oder noch eine Klage an einem Verwaltungsgericht offen ist. Nach dem positiven Abschluss des Asylverfahrens können die „Asylberechtigung“, „die „Flüchtlingsanerkennung“, der „subsidiäre Schutz“ oder auch ein „Abschiebungsverbot“ zuerkannt werden. Hier wird immer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Wenn das Asylverfahren für die geflüchtete Person negativ ausfällt, ist sie „geduldet“ beziehungsweise „ausreisepflichtig“. Dann können aber noch andere Bleiberechtsoptionen wie die Aufenthaltserlaubnisse wegen „nachhaltiger Integration“ oder „unmöglicher Abschiebung“ greifen – die Daten zu deren Erteilung siehe unten. Heute gibt es auch Menschen, die unter den § 24 Aufenthaltsgesetz, den temporären Schutz, fallen. In diesem Paragraf wird die EU-Rechtsnorm angewendet, die erstmals für die Fluchtbewegung aus der Ukraine aktiviert wurde. Hier wird unterschieden zwischen denen, die die Aufenthaltserlaubnis bereits haben und jenen, die sich noch im Antragsverfahren befinden. Bei der Verteilung auf die Kommunen hier noch einmal die Grafik, aber mit einer gestauchten y-Achse auf 5.000 Menschen für den genaueren Blick: Werden alle neun Gruppen in ihrer Gesamtzahl für Sachsen addiert, ist die Rechnung folgende: 19.593 Menschen im Asylverfahren = 131.300 Menschen. Diese Zahl entspricht 3,28 Prozent der Bevölkerung Sachsens, die mit vier Millionen Menschen beziffert ist.
In ganz Sachsen haben im Jahr 2023 46.663 Menschen die Aufenthaltserlaubnis erhalten, weitere 11.708 befinden sich im Antragsverfahren. Die meisten Menschen befinden sich in den drei großen Städten.
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680 Asylberechtigte
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15.145 Menschen mit Flüchtlingsanerkennung
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10.784 Menschen mit subsidiärem Schutz
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6.751 Menschen mit Abschiebungsverbot
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46.663 Menschen im § 24
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11.708 Menschen im Antragsverfahren für den § 24
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13.207 geduldete und ausreisepflichtige Menschen
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6.769 Menschen mit einer anderen humanitären/ völkerrechtlichen Aufenthaltserlaubnis
Nachdem die Zahl der Abschiebungen pandemiebedingt deutlich gesunken war – von 1.100 im Jahr 2019 auf 472 in 2020 – zog die Zahl der Abschiebungen in 2021 wieder an und sank 2022 wieder auf 504 Menschen ab. 2023 gab es dagegen wieder einen deutlichen Aufwärtstrend: 747 Menschen wurden aus Sachsen abgeschoben und es gab 44 Sammelabschiebungen. Der Aufwärtstrend scheint sich nach den Angaben des Medienservice Sachsen auch 2024 fortzusetzen. Vergleicht man die Zahl der Abschiebungen im ersten Quartal (Januar bis März) von 277 abgeschobenen Menschen aus Sachsen mit dem Vorjahreszeitraum (195 abgeschobene Menschen), so ist ein signifikater Anstieg erkenntlich. Weiterhin kam es genau wie im Vorjahr auch 2023 zu sieben Familientrennungen, trotz des von der sächsischen Regierung beschlossenen „Leitfaden Rückführungspraxis“. Dort heißt es, Familien sollen „möglichst nicht getrennt“ werden – ein im Konjunktiv formuliertes rechtliches Schlupfloch, das sächsische Behörden offensichtlich nutzten. In einem Fall wurde ein Ehepaar getrennt. Das Abschiebeland, in welches von der sächsischen Regierung 2023 am häufigsten abgeschoben wurde, war erneut Georgien (239 Personen), wieder gefolgt von Tunesien (89 Personen) und Nordmazedonien (74 Personen).
Am Ende war der kurze, mehrmonatige Zeitraum, den die Abschiebehaft pandemiebedingt im Jahr 2020 leerstand, nur ein kurzes Luftholen. Und hat im Vergleich die Zahl der Menschen, die in Abschiebehaft genommen werden, nicht wirklich gedrückt. Vom 04. Dezember 2019 bis zum 31. Dezember 2020 waren 70 Menschen in Abschiebehaft eingesperrt, 2021 waren es dann 86, 2022 mussten 94 Personen die Haftanstalt von innen sehen. Die folgenden Zahlen zur Abschiebehaft beziehen sich auf die uns zur Verfügung stehenden Daten bis zum Jahr 2022. Fehlende Aktualisierungen sind auf die Nichtbeantwortung der Anfrage zum Thema Abschiebehaft des Sächsischen Innenministeriums zurückzuführen. In Bezug auf die Staatsangehörigkeit ist der Anteil der Menschen mit tunesischer Staatsbürgerschaft jedes Jahr der größte. Zunächst noch mit 16 Prozent, dann mit 30 Prozent, in 2021 gar 48 Prozent, in 2022 waren es 24 Prozent aller Inhaftierten. Hoch ist der Anteil auch jedes Jahr bei georgischen Staatsbürger:innen. Auffällig ist, dass die Verteilung nach Staatsbürgerschaft bei den anderen Menschen von Jahr zu Jahr schwankt. Beispielsweise waren algerische Bürger:innen in 2022 mit zwölf Prozent die dritte Gruppe nach Tunesier:innen und Georgier:innen, in 2021 lag ihr Anteil bei lediglich einem Prozent. Sächsische Ausländerbehörden – hier insbesondere die Landesdirektion – haben 53 Prozent der in Abschiebehaft Dresden vollzogenen Freiheitsentziehungen im Jahr 2022 beantragt. Die Bundespolizei kommt inzwischen auf 41 Prozent. Ihr Anteil war in den ersten Jahren der Abschiebehaft Dresden wesentlich niedriger. Vom 03.12.2018 bis zum 31.12.2022 kam sie auf „lediglich“ 10 Prozent der Haftanträge. Hier ist ein deutlicher Anstieg festzustellen. Bei den Ländern haben im Jahr 2022 neben Sachsen auch Bayern, Rheinland-Pfalz und Brandenburg zu der Haft ohne Straftat in Dresden beigetragen. Die Sicherungshaft ist bezüglich der Haftarten mit einem Anteil von 57 Prozent das mit Abstand wichtigste Instrument für die Behörden. Da Abschiebehaft nichts anderes ist als „Haft ohne Straftat oder andere Verfehlung“ ist es schon mehr als zynisch wenn Behörden, aber auch Jurist*innen und Gerichte hier von der „üblichen Art“ der Abschiebehaft sprechen. Der Ausreisegewahrsam – eine maximal zehntägige Abschiebehaft – folgt mit 31 Prozent und wird damit deutlich relevanter im Vergleich zu den Vorjahren. Dahinter folgt die Überstellungshaft – für Menschen erdacht, die unter die Dublin-III-Verordnung fallen und innerhalb Europas abgeschoben werden – mit 10 Prozent.
Das Jahr 2023 verzeichnet einen besonders bitteren Höchststand an Inhaftierungen in der Hamburger Straße 15 in Dresden. Ganze 231 Menschen wurden in Abschiebehaft genommen, was mehr als zweieinhalbmal so viele Inhaftierungen sind wie im Vorjahreszeitraum.
Was das Tortendiagramm in zynischer Weise offenlegt: Wohl kein Ort in Dresden, wenn nicht in Sachsen, ist derart international wie die Abschiebehaft, der Ort in welchem Menschen lediglich auf Grund ihrer schieren Existenz eingesperrt werden. Wobei die Staaten des Westens fehlen. So offenbart das Diagramm auch den Kern von Abschiebehaft: Rassismus und Neo-Kolonialismus.
Jugendliche und Heranwachsende können dann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten, wenn sie sich unter anderem seit drei Jahren hier aufhalten und „erfolgreich“ die Schule besucht haben. Die Zugangsvoraussetzungen wurden zuletzt von der Ampel-Bundesregierung geändert. Zuvor waren es vier Jahre, die die Jugendlichen und Heranwachsenden in Deutschland sein mussten. Von einem Absenken der Hürden kann jedoch nicht gesprochen werden. Die jungen Menschen sollen nun zuvor geduldet gewesen sein oder den sogenannten Chancen-Aufenthalt erteilt bekommen haben. Hohe Hürden spiegeln sich in niedrigen Zahlen wider. Auf diesem niedrigen Level ist Leipzig mit 96 erteilten Aufenthaltslaubnissen sachsenweit ganz vorn, was der höchsten Zahl seit 2015 entspricht. In den Landkreisen ist Zwickau mit 16 erteilten Aufenthaltserlaubnissen vorn, gefolgt vom Vogtland mit zwölf. Ganze drei Kommunen haben im Jahr 2023 nur zwei Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a AufenthG erteilt. Das waren die Stadt Dresden, Bautzen und die Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge. Wenn eine Ausländerbehörde argumentiert, sie kann nur auf Antrag entscheiden, lässt sich entgegnen, dass Informations- und Anstoßpflichten auch zur Arbeit einer Ausländerbehörde gehören. Beim § 25b AufenthG – die entsprechende Aufenthaltserlaubnis für Erwachsene (nach verbesserter Regelung) sechs bzw. vier Jahren Aufenthalt – ließ sich 2023 eine überraschende Zunahme der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen beobachten. Mit Ausnahme der Stadt Dresden, die ganze 23 von 26 Anträgen abgelehnt hat, gab es in allen Kommunen eine Zunahme der erteilten Aufenthaltserlaubnisse. In der Stadt Leipzig fanden sich diese 2023 sogar auf einem Rekordniveau wieder – 150 Anträge wurden hier bewilligt. Dies entspricht fast einer Verdreifachung des Vorjahreswertes, womit die Hoffnung geweckt ist, dass Ausländerbehörden routinierter beim Erteilen von Aufenthaltserlaubnissen werden. Jedoch muss neben der bereits erwähnten Ablehnungspraxis in Dresden auch das Leipziger Land kritisch erwähnt werden. Hier wurde ebenfalls nur in 16,67 Prozent der Fälle eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, was einer Ablehnung von 65 von 78 gestellten Anträgen entspricht.
Die Grafik zum § 25 Abs. 5 AufenthG scheint die Skyline von Leipzig widerzuspiegeln – zu Recht. Der Tower steht für die Messestadt mit 393 erteilten Aufenthaltserlaubnissen im Jahr 2023. Allerdings liegt die Stadt damit immer noch hinter dem Niveau der zwischen 2017 und 2021 jährlich erteilten Aufenthaltserlaubnisse zurück. Und doch relativiert sich der Jahresvergleich innerhalb Leipzigs, wenn der Blick auf die anderen zwölf sächsischen Kommunen geweitet wird. Dort sind die Zahlen verschwindend gering: das Vogtland belegt mit nur 29 Erlaubnissen den zweiten Platz, auf dem Dritten folgt Meißen mit 17. Der Landkreis Leipzig, Nordsachsen, Görlitz und der Erzgebirgskreis haben jeweils nur eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Zu Chemnitz wiederum liegen keine Zahlen vor, sodass es hier mit null erteilten oder abgelehnten Aufenthaltserlaubnissen dargestellt ist.
Zunächst ein Absatz, der wichtig ist, um die folgende Grafik zu verstehen: In Sachsen besteht die Härtefallkommission aus neun Mitgliedern, die von den Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen entsandt werden. Den Vorsitz führt derzeit der Sächsische Ausländerbeauftragte. Die Mitglieder können Anträge bei der Geschäftsstelle der Härtefallkommission beim Sächsischen Ausländerbeauftragten stellen. Der Ausländerbeauftragte entscheidet über die Annahme. Nach spätestens drei Monaten berät die Kommission und entscheidet mit einer 2/3-Mehrheit. Wenn eine solche zustande kommt, wird der Innenminister ersucht, ein Bleiberecht auszustellen. Theoretisch kann er dem Ersuchen auch die Stattgabe verweigern. Angesichts dessen, dass in Sachsen nur eine 2/3-Mehrheit für das Ersuchen genügt und somit auch staatliche Mitglieder zugestimmt haben müssen, sollte die Stattgabe lediglich eine Formalie sein. Wichtig ist also: die Kommission berät. Wenn sie positiv entscheidet, dann ersucht sie den Innenminister. Und dieser sollte dem Ersuchen stattgeben. Schließlich hat eine 2/3-Mehrheit seiner Kommission sich schon mit dem Fall beschäftigt und offenbar sehen nicht-staatliche wie staatliche Mitglieder ein Bleiberecht als notwendig an. Das ging eine Zeit lang auch ganz gut. Schon vor 2018, dem Beginn der Grafik, waren kaum Fälle bekannt, in denen der Innenminister die Stattgabe verweigerte. Bis 2018 gab es hier auch kaum Unterschiede, dann kam 2019 eine Kluft von fünf verweigerten Ersuchen. Der damalige Innenminister Roland Wöller schien sich zu besinnen und gab im folgenden Jahr allen bis auf einem Ersuchen statt. 2023 nahm die Zahl der Beratungen mit 47 Fällen wieder ein wenig zu. Jedoch wurde nur bei 27 dieser Fälle im Anschluss der Innenminister ersucht. Dieser wiederum verweigerte in sechs Fällen die Ausstellung eines Bleiberechts und gab nur 21 Fällen statt. Damit wird der Abwärtstrend seit dem Höchstjahr 2019 mit 72 Beratungen, 50 Ersuchen und 49 Stattgaben weiter fortgesetzt.
Der neue Innenminister wiederum – Armin Schuster – lehnte 2022 vier Ersuchen ab. Dabei war 2022 schon das schlechteste Jahr der Kommission. Nur noch 31 Fälle wurden beraten, für 25 Fälle ersuchte die Kommission den Minister, nur noch 21 Fällen gab er statt.
Seit der Einführung im August 2016 bis zum 31. Dezember 2023 wurden in Sachsen 1097 Ausbildungsduldungen erteilt. Das ist nach bald acht Jahren eine geringe Zahl und der Blick auf die Entwicklung in den Kommunen zeigt: mit einem Anstieg ist nicht zu rechnen. Fünf Kommunen können 2023 einen marginalen Anstieg an gewährten Ausbildungsduldungen verzeichnen – der Landkreis Leipzig, Zwickau, Görlitz, der Vogtlandkreis und der Erzgebirgskreis. Bis auf den letzten bleiben dabei jedoch alle unter 10 Ausbildungsduldungen pro Jahr, was verdeutlicht für wie wenige Menschen dieses restriktive Instrument greift. Waren es im Jahr 2018 in Dresden immerhin noch 50 Ausbildungsduldungen und in Leipzig 2019 gar 58, blieben diese Zahlen mit Blick auf die vier vergangenen Jahre absolute Ausnahmen. In Bautzen gab es die letzten zwei Jahre jeweils nur eine einzige Ausbildungsduldung. Der Vogtlandkreis hat, nachdem er letztes Jahr gar keine Ausbildungsduldung vergeben hat, dieses Jahr wenigstens vier solcher Duldungen gewährt. Die Mehrheit der Anträge wurde 2023 mit Blick auf die Quote positiv beschieden. Jedoch hat die positive Anerkennungsquote vom Vorjahr abgenommen und liegt nun nur noch bei fünf von 13 Kommunen bei 100 Prozent. In Nordsachsen wurde 2023 nur der Hälfte der beantragten Fälle eine Ausbildungsduldung erteilt. Mittelsachsen, Zwickau und Dresden liegen ebenfalls unter 80 Prozent. Die Beschäftigungsduldung ist ein Instrument, welches vollziehbar ausreisepflichtige Geflüchtete, die arbeiten, vor der Abschiebung sichern soll. Allerdings ist sie hochgradig restriktiv. So braucht es zwölf Monate Vorlaufzeit – in der „normalen Duldung“, sprich in der Gefahr, abgeschoben zu werden – um überhaupt in den Schutz der Beschäftigungsduldung zu kommen. Dass Abschiebung Vorrang vor „Fachkräftesicherung“ hat, zeigen auch die niedrigen, absoluten Zahlen – in Bautzen, Görlitz und Nordsachsen hat die Beschäftigungsduldung de facto überhaupt keine Relevanz. Mittelsachsen sowie der Vogtlandkreis sind die einzigen Landkreise, die die Zahl der vergebenen Beschäftigungsduldungen 2023 um eine bitter niedrige Menge erhöhen konnten. Ansonsten hat sich der Abwärtstrend überall fortgezeichnet
Suizide, Suizidversuche und Selbstverletzungen gehören wohl zu den schlimmsten Folgen einer Migrations- und Asylpolitik, die in verstärktem Maße auf Abschottung und Abschreckung setzt. Im Jahr 2023 gab es acht dokumentierte Suizide unter Geflüchteten. Zum vierten Mal seitdem gezählt wird, stellt diese Zahl die höchste Anzahl an Suiziden in einem Jahr dar. Auch in den Jahren 2016, 2020 und 2022 nahmen sich acht geflüchtete Menschen das Leben. Die Zahl der Suizidversuche und Selbstverletzungen ist mit 32 Fällen weiterhin besorgniserregend. Sank die Zahl 2020 um etwa ein Drittel auf 42 Suizidversuche und Selbstverletzungen, bleibt ihre Zahl seither auf diesem Niveau. Diese Zahlen sind dramatisch, dokumentieren sie doch, mit welchen extremen psychischen Belastungen sowohl Flucht und Migration als auch der Asylprozess in Deutschland bzw. Sachsen einhergehen. Zu den Suiziden und Suizidversuchen nach der Form der Unterbringung lässt sich Folgendes feststellen: Der hohe Balken zu Suizidversuchen nach Form der Unterbringung bei der Stadt Leipzig muss kontextualisiert werden. Zwei Erklärungsversuche sind möglich: Entweder, Leipzig ist besonders sorgfältig, was das Dokumentieren von Suizidversuchen angeht, oder die Rate ist tatsächlich höher als in anderen Städten. Beide Erklärungen sind möglich. Generell kommt es in sächsischen Aufnahmeeinrichtungen häufig zu Suizidversuchen. Auch die Abschiebehaft Dresden verzeichnet mit 17 Fällen einen hohen Anteil, vor allem unter Anbetracht dessen, dass sie erst seit Dezember 2018 in Betrieb ist. Klar ist, dass Sammelunterbringung und Haft ohne vorangegangene Straftat als Auswüchse einer repressiven und autoritären Migrationspolitik massiv die psychische und folglich auch die physische Gesundheit von Asylsuchenden schädigen – die Zahlen belegen dies. Die Aufstellung der Zahlen muss noch einmal pointiert kritisiert werden. Denn wurden bisher Suizide und Suizidversuche auf die einzelnen Aufnahmeeinrichtungen aufgeschlüsselt, ist dies heute nicht mehr der Fall. Unterschieden wird nur noch nach den drei größeren Bezirken Dresden, Chemnitz, Leipzig. Nicht zu vergessen ist: Abschiebehaft und Lagerunterbringung können tödlich sein. Bei der Aufschlüsselung von Suiziden und Suizidversuchen nach Geschlecht bestätigt sich, was gesamtgesellschaftlich gilt: Suizide und Suizidversuche treten bei männlich gelesenen Personen häufiger auf. Ein Fall sei in diesem Zusammenhang wiedergegeben, dessen bloße Daten eine Geschichte im Kopf entrollen, die jedoch wohl nie wird erzählt werden können. In der Vorbemerkung zu Drs. 7/1786 schreibt MdL Jule Nagel: „In Drs. 7/1178 zu Suiziden, Suizidversuchen und Selbstverletzungen von Geflüchteten in Sachsen seit 2017 sind in Anlage 1 drei Suizidversuche in der Aufnahmeeinrichtung Grillenburg, jeweils einer am 29. und 30. September sowie am 29. Oktober vermerkt. Es handelt sich dabei dreimal um eine Frau iranischer Staatsbürgerschaft im Alter von 44 Jahren, was die Fragestellerin zur Vermutung veranlasst, dass es sich hier um dieselbe Person handelt.“ Das Staatsministerium des Inneren bestätigt die Vermutung und gibt im Weiteren an: „Seit 28. November 2019 ist die Betroffene unbekannt verzogen.“
Die Staatsregierung gibt nur dann Suizidversuche in Justizvollzugsanstalten an, wenn danach eine stationäre Behandlung erforderlich war. Dies ist zynisch und nicht nachvollziehbar, denn dokumentiert werden Selbstverletzungen mit Sicherheit auch dann, wenn eine Behandlung vor Ort (scheinbar) genügte.
Sozialleistungen dürfen nicht besonders niedrig gehalten werden, um Schutzsuchende abzuschrecken, da dies gegen die Menschenwürde verstößt. Diese rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit musste das Bundesverfassungsgericht erst 2012 in einem Urteil feststellen. Daran anknüpfend sind die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Leistungskürzungen überhaupt recht fragwürdiger, verfassungsrechtlicher Natur. Nichtsdestotrotz wird von solchen Kürzungen im Freistaat Sachsen umfassend Gebrauch gemacht. Im 2. Halbjahr 2023 hielten sich sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen weniger Menschen mit gekürzten Leistungen in Sachsen auf. Bautzen sticht trotz einem leichten Rückgang mit einer Kürzung bei 7,4 Prozent der untergebrachten Personen nach wie vor heraus. Da das Existenzminimum als verfassungsrechtlicher Teil der Menschenwürdegarantie nicht unterschritten werden darf, kann die Zielvorstellung nur lauten, diese Zahlen auf null zu senken. Die rigorose Praxis der Leistungskürzungen macht auch vor Kindern nicht halt. Dies ist besonders zu kritisieren, da Kinder grundsätzlich nicht für das Verhalten ihrer Eltern sanktioniert werden sollten. Besonders hervor sticht die Stadt Leipzig, die 2023 bei 38 Minderjährigen die Leistungen unterhalb der Menschenwürde gekürzt hat, was einem starken Anstieg zum Vorjahr entspricht. Danach folgt Bautzen mit 17 Kindern, dann Mittelsachen mit 14 Kindern. Hervorzuheben ist noch, dass im Bereich der Leistungskürzungen nicht immer und in jedem Landkreis Zahlen zugearbeitet werden, sodass sich in der Grafik die Zahl 0 auch bei fehlenden Angaben wiederfindet. Die Transparenz der Kommunen zu dieser verfassungsrechtlich zumindest fragwürdigen Praxis ist zur kritischen Beobachtung jedoch dringend erforderlich.
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