Dresden, 05.05.2025
Liebe Leser:innen,
die Armut nimmt wieder zu und der Sozialstaat wirkt weniger armutsvermeidend – das stellt der Paritätische in seinem aktuellen Bericht fest. Aber dafür gibt es ja den Koalitionsvertrag, der Lösungsansätze für die aktuellen Probleme enthalten soll, oder? Zu den größten Verlierern dieses Vertrages zählt der Paritätische allerdings diejenigen, die auch am meisten zu klagen haben: Arme und Geflüchtete. Die Armenfeindlichkeit zieht sich durch die gesamte Politik (der “Bosse”!) und die gleichen Spuren finden sich in der Migrationsfrage wieder.
Die Bundesregierung bedient sich altbekannter Doppelzüngigkeit, diesmal mit offenerer Rhetorik: Begrenzung und Steuerung. Klarer kann die Botschaft nicht sein: Migration ja, aber nur als verwertbare Arbeitskraft. Flucht? Systemfehler. Wer arm und schutzbedürftig ist, verliert zunehmend Rechte.
Integration? Eher Repression.
Im Kapitel “Sicheres Zusammenleben, Migration und Integration” wird schnell klar: mehr Abschottung gegen Schutzsuchende, mehr Disziplinierung für Arbeitskräfte. Auch wenn Integration versprochen wird, bleibt der Ton repressiv. Nur “qualifizierte Zuwanderung” ist erwünscht – ein “konsequenterer Kurs” soll es sein. Markus Söder (Union) nennt es in den Tagesthemen: “Law and Order”.
Viele migrationspolitische Maßnahmen überschneiden sich mit straf- und sicherheitspolitischen Maßnahmen. “Ausländer” (bzw. “Migrant”, “Flüchtling”) durchzieht das gesamte Papier, mal offen, mal im Unterton: bei polizeilichen Befugnissen, “Clankriminalität”, “missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen” oder dem Schutz “unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung”. Während saloppe Bekenntnisse wie “Deutschland ist weltoffen” den “guten” Migrant:innen zuwinken, wird gleichzeitig der Zeigefinger gehoben: Man will sie eben so, wie man sie haben will!
Steuerung und Begrenzung
Die Maßnahmen zur Begrenzung der Migration bringen wenig Überraschung: Legalisierte Pushbacks, mehr Internierungen, mehr GEAS-Reform, mehr Abschiebungen, Aussetzung “embryonaler” Rechte wie Familiennachzug, strafrechtliche Überdehnungen… Einiges ist eindeutig rechtswidrig, anderes setzt die Justiz unter Druck. Die bundesweit geplanten Ausreisezentren werden wir zunächst in Sachsen als “Modellprojekt” erleben dürfen. Die “Rückführungsoffensive” soll im Ernstfall mit erweiterten Polizeibefugnissen durchgesetzt werden. Weigert sich ein Herkunftsland, Geflüchtete zurückzunehmen, soll es durch Streichung von Entwicklungshilfe erpresst werden können.
Weniger Aufsehen erregen die Maßnahmen zur Steuerung: Deutschland will zwar keine “Taugenichtse” (CDU/CSU-Sprech) mehr – wohl aber “Fachkräfte”, Qualifizierte. Denen soll allerdings permanent abverlangt werden, was sie zum Leben in “unserem Land” berechtigt: Leistung. Dieses postmoderne “Anwerbeabkommen” manifestiert sich in der neu eingeführten “Chancenkarte” mit einem Punktesystem – bewertet werden Abschlüsse, Berufserfahrung, Deutschkenntnisse, Alter sowie die Punkte der:des Partner:in, falls vorhanden. Dies ist der legale Weg, während legale Fluchtwege abgeschafft werden.
Im Alltag eines Menschen, dessen Familiennachzug nun auf Eis gelegt werden soll, heißt das: “Willst du deine Familie sehen? Zeig, was du kannst und upgrade deinen Aufenthalt!”
Dem Kahlschlag entgegen
Die Migration(-spolitik), die sich die Bundesregierung vorstellt, ist zwar möglich, aber letztlich nur um den Preis einer Zweiklassengesellschaft mit brutalem Leistungsprinzip und kriegerischer Konkurrenz, über die ein autoritärer Staat herrscht: Krisenmanagement als Politik, Abschottung als Religion.
Die Folgen dieses Kurses sind in Sachsen bereits am bittersten zu spüren. Auf der einen Seite die wachsende Gefahr von strukturellem und alltäglichem Rassismus an immer mehr Orten, auf der anderen Seite der Kahlschlag in der Integrationsarbeit. In unserer Pressemitteilung haben wir davor gewarnt, wohin das führen wird: Geflüchtete werden weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt und mit all ihren Anliegen und Sorgen ausgegrenzt. Wenn aber Integration durch Repression ersetzt wird, hat das nicht nur Folgen für Geflüchtete, sondern für alle. Es ist eine faschistische Illusion, dass im Schatten rassistischer Repression Ruhe herrsche – dort wartet die Hölle.
Wir lehnen diesen Kurs ab – in Sachsen wie bundesweit. Auf Unrecht lässt sich nur Unheil bauen.
Berichte aus dem Verein
Ende vom Projekt EDA: Bitterer Verlust für geflüchtete Frauen in der Region Chemnitz
Zum 31. März endete das Projekt EDA des Sächsischen Flüchtlingsrats – ein Angebot, das für viele geflüchtete Frauen in Chemnitz und Umland mehr war als nur Unterstützung zur Heranführung an den Arbeitsmarkt. Das Bedauern über das Projektende ist groß, denn Rückzugsräume und gezielte Angebote für geflüchtete Frauen sind ohnehin rar. EDA hat in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, wie wichtig solche Räume sind.
Pressemitteilung: Kann sich Sachsen die Integration sparen? Durch Kürzungen droht landesweites ProjektsterbenDie massiven Kürzungen des sächsischen Doppelhaushaltes im Bereich Integration und Demokratiearbeit sind alarmierend. Die Richtlinie „Integrative Maßnahmen“ wird 2026 nur noch zur Abfinanzierung bereits bewilligter Projekte genutzt. Danach läuft sie leer. Es droht ein kompletter Kahlschlag in der zivilgesellschaftlichen Integrationsarbeit in Sachsen, während die rechtsextreme und menschenrechtsfeindliche Bedrohungslage zunimmt. Pressemitteilung. |
Tod in Windeln – Text eines Fliehenden aus der Türkei
Dies ist die Geschichte einer Reise zur Hoffnung. Sie handelt vom Wunsch und dem Bemühen, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Doch diese Geschichte wirft Schatten, die größer sind, als ich mir vorstellen konnte.
Text von Yunus Altan.
Fast 9.000 Geflüchtete aus Venezuela in Sachsen: Viele leben mit prekärem Aufenthalt
Die Zahl der aus Venezuela geflüchteten Menschen in Sachsen steigt weiter an, genauso wie deren unsichere Bleibeperspektive. Zum 31. Dezember 2024 lebten 8.845 venezolanische Staatsangehörige im Freistaat.* Trotz der weiterhin prekären politischen Lage in Venezuela hat die Zahl der Abschiebungen aus Sachsen in den südamerikanischen Staat 2024 deutlich zugenommen.
Nach Aussagen des BAMF-Chef Sommer: Lehren des Zweiten Weltkriegs bewahren – Schutz durch Asyl muss individuell bleiben!BAMF-Chef Eckhard will das individuelle Recht auf die Prüfung von Asyl abschaffen. In einer Zeit, in der Migration einseitig zur Bedrohung inszeniert wird und der Rechtsextremismus in Europa auf dem Vormarsch ist, sendet dies ein gefährliches wie falsches Signal. Ein einordnender Kommentar, der den Erhalt geltender Rechtsnormen fordert. Positionierung. |
Der Chancenaufenthalt nach §104c AufenthG: Deine Chance auf AufenthaltDu bist geduldet und seit mindestens 5 Jahren am 31.10.2022 in Deutschland? Dann kannst du bis 31.12.2025 den Chancenaufenthalt beantragen! Damit bekommst du 18 Monate Zeit, um die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht zu erfüllen. Denn in Sachsen leben ungefähr 9.600 Menschen mit einer Duldung, also ohne gesicherten Aufenthalt unter ständiger Angst einer Abschiebung. Über 2.000 Menschen haben diese akute Angst nicht mehr, da sie durch das Chancenaufenthaltsrecht derzeit geschützt sind und damit auch Recht auf Arbeit wie Umzug besitzen. Für alle, die noch einen Antrag stellen könnten, haben wir hier einige Infos zusammengefasst. Wichtig:
Massenabschiebungen aus dem Iran und Pakistan: In Afghanistan droht nächste humanitäre KatastrophePakistans Regierung plant, bis zu einer Million geflüchtete Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Sie werden gewaltsam aus der Grenzregion vertrieben, in denen Ableger der Taliban immer wieder für Sicherheitsprobleme sorgen. Für die Zustände werden pauschal alle afghanischen Geflüchteten verantwortlich gemacht. Es droht eine Versorgungskrise der Betroffenen, da die katastrophale Ernährungslage im Land bereits jetzt dazu führt, dass ca. 24 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind und 14 Millionen Afghan*innen akut an Hunger leiden. Daher braucht es jetzt neue internationale Hilfsgüter, um die Abgeschobenen schnellstmöglich zu versorgen. 69% aller Fliehenden weltweit suchen laut UNHCR in Nachbarländern Schutz. Diese sind leichter zu erreichen und bieten im Idealfall auch wieder eine schnellere Chance der Rückkehr. Für Afghan*innen wird dies zunehmend schwerer, da ihre Diskriminierung und Verfolgung nun auch dort stattfindet. Pakistan ist dabei kein Einzelfall, auch im Iran werden geflohene Afghan*innen wiederholt bedroht oder Schlimmeres. Im Oktober 2024 mehrten sich Berichte über die gezielte Tötung von über 200 Schutzsuchenden aus Afghanistan als diese die Grenze zum Iran überquerten. Auch die iranische Regierung plant Massenabschiebungen von Geflüchteten aus Afghanistan innerhalb kürzester Zeit. Angesichts einer nach Innen ausgerichteten und auf Abschottung ausgelegten Debatte beim Thema Flucht erreichen derlei Fakten leider immer weniger Menschen hierzulande. Deshalb sinkt die Spendenbereitschaft für Hilfsorganisationen, obwohl deren Arbeit immer entscheidender wird, um weitere Flucht zu verhindern. Call for Papers für Querfeld 2025Unser Jahresmagazin QUERFELD lädt freie Autor:innen und Interessierte ein, Beiträge für die Ausgabe 2025 einzureichen! Titelthema: Grenze – aus rechtlicher, sozialer, politischer und philosophischer Perspektive. Auch Geschichten von Grenzerfahrungen sind willkommen. 🗓 Deadline: 30. Mai 2025 📅 Veröffentlichung: September 2025 📩 Einsendungen an: pr@sfrev.de Wir veröffentlichen diesen Call in 13 Sprachen. Wichtige Infos:
Fragen? Schreib uns an pr@sfrev.de oder per DM auf Instagram/BlueSky! |
Veranstaltungshinweise
Aufruf zur Bildungsdemo am 15. Mai in Dresden
Die GEW ruft zur Demonstration in Dresden auf:
“Gute Bildung braucht gute Bedingungen. Doch seit Jahren wird dafür nicht genug investiert und mit der aktuellen Landespolitik drohen deutliche Rückschritte zulasten der Bildungsgerechtigkeit der nachfolgenden Generationen und der Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten in der Bildung. Auch die geplanten Kürzungen bei der politischen Bildung sowie bei Demokratie- und Integrationsprojekten sind ein fatales Signal.
Bildung ist entscheidend für unsere gesellschaftliche Entwicklung und muss deshalb absolute Priorität in der Politik bekommen. Deshalb rufen wir zu einer landesweiten Bildungsdemo am 15. Mai 2025 nach Dresden auf!
- Umsetzung des Kita-Moratoriums ab sofort statt Stellenabbau
- Qualitätsverbesserungen an Kitas inkl. Stufenplan für einen besseren Personalschlüssel
- Rücknahme der SMK-Maßnahmen, die zulasten der Lehrkräfte gehen, und Fokus auf Bildungsqualität
- Bildungspaket für Schulen mit Entlastungen für Lehrkräfte, Klassenleiterstunde, attraktiven Angeboten für ältere Lehrkräfte, Ausbau der Schulassistenz und mehr Schulsozialarbeit
- Schluss mit Befristungsmissbrauch an Hochschulen und weniger Arbeitsbelastung
- Tarifvertrag für studentische Beschäftigte
- Einführung des Rechts auf fünf Tage Bildungszeit in Sachsen
- Rücknahme der Kürzungen bei Integrationsprojekten, Gleichstellung, Antidiskriminierung und Demokratiearbeit sowie bei der Beratung gegen Rechtsextremismus
- Fortsetzung und Finanzierung des Gesamtkonzeptes gegen Rechtsextremismus sowie Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen für Vielfalt, Teilhabe und gutes Miteinander
Demokratie ist kein Luxus, sondern braucht Menschen, die sich täglich für sie einsetzen – unter guten Bedingungen. Dafür setzen wir gemeinsam ein starkes Zeichen!
Start: 17:30 Uhr auf dem Postplatz Dresden / Anschließend Demozug über die Augustusbrücke zur Kundgebung auf dem Areal der Filmnächte am Elbufer. / Ende ca. 19:30 Uhr
Es fahren extra von der GEW gebuchte Busse aus allen Regionen Sachsens nach Dresden und wieder zurück. Dafür bitten wir um Anmeldung! Nähere Informationen zu Abfahrtzeiten und -orten veröffentlichen wir hier ab dem 5. Mai.”
Aktuelle Informationen für Menschen aus der Ukraine
Sie sind aus der Ukraine geflüchtet, besitzen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG und möchten gerne wissen, wie es weitergeht und welche Möglichkeiten Sie nun haben? Kommen Sie gerne in unsere Schulung zur aktuellen Rechtslage für Menschen, die vom Krieg in der Ukraine geflohen sind.
Ende 2024 wurde entschieden: Die Aufenthaltserlaubnisse gem. § 24 AufenthG für Menschen aus der Ukraine gelten automatisch bis zum 4. März 2026 fort. Das betrifft jedoch die meisten Menschen ohne ukrainische Staatsangehörigkeit und ohne internationalen Schutzstatus bzw. ohne unbefristetes Aufenthaltsrecht in der Ukraine nicht.
Wir werden in der Schulung besprechen, ob und für wie lange Ihre Aufenthaltserlaubnis verlängert wird und welche weitere Aufenthaltserlaubnis Sie noch beantragen können.
Die Schulung richtet sich insbesondere an Geflüchtete. Die Teilnahme ist kostenlos.
- WANN: 7. Mai 2025 um 15:00 – 17:00
- WO: Villa der Kulturen / Kraftwerk Mitte 2 01067 Dresden
und
- WANN: 8. Mai 2025 um 14:00 – 16:00
- WO: Damigra Leipzig / Jahnallee 69 04177 Leipzig
Como salir de la Duldung?Su solicitud de asilo ha sido denegada y se pregunta qué va a pasar ahora? Hablaremos de la Beschäftigungsduldung, Ausbildungsduldung y muchas opciones más que le podrían beneficiar.
Aufenthaltsverfestigung für Menschen mit AufenthaltserlaubnisSie besitzen eine Aufenthaltserlaubnis und möchten wissen, wie Sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis – die Niederlassungserlaubnis – erhalten oder möchten gerne im EU-Ausland arbeiten? Wir werden darüber sprechen, nach wie vielen Jahren Sie diese beantragen können und welche Voraussetzungen Sie dafür erfüllen müssen. In der Schulung wird es nicht darum gehen, wie ein deutscher Pass beantragt werden kann. Eine Kooperationsveranstaltung mit Quarteera e.V. Anmeldung: Bitte schreiben Sie eine Mail an sachsen@quarteera.de
Raus aus der Duldung – Wege ins BleiberechtIhr Asylantrag wurde abgelehnt und Sie fragen sich, wie es jetzt weiter geht oder Sie besitzen bereits eine Duldung und fragen sich, welche Möglichkeiten Sie nun haben? Wir wollen darüber informieren, was eine Duldung ist und welche Wege aus der Duldung zu einer Aufenthaltserlaubnis führen können. Die Schulung richtet sich insbesondere an Geflüchtete. Die Teilnahme ist kostenlos.
Aufenthaltsverfestigung für Menschen mit AufenthaltserlaubnisSie besitzen eine Aufenthaltserlaubnis und möchten wissen, wie Sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis – die Niederlassungserlaubnis – erhalten oder möchten gerne im EU-Ausland arbeiten? Wir werden darüber sprechen, nach wie vielen Jahren Sie diese beantragen können und welche Voraussetzungen Sie dafür erfüllen müssen. In der Schulung wird es nicht darum gehen, wie ein deutscher Pass beantragt werden kann. Eine Kooperationsveranstaltung mit Quarteera e.V. Ohne Anmeldung.
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Drei Stimmen aus der Presse
- Und sie kommen doch (Von Kerem Schamberger und Valeria Hänsel, medico-Blog)
Die zukünftige Bundesregierung rückt in der Migrationspolitik noch weiter nach rechts. Warum sie scheitern wird – und dabei der AfD in die Hände spielt. - Zehn Jahre nach dem »Sommer der Migration« hat Europa die Seenotrettung aufgegeben (Von Chris Grodotzki, Jacobin)
2015 begannen humanitäre Organisationen Flüchtende auf dem Mittelmeer zu retten. Seither hat sich nicht nur das Klima gegenüber Migrantinnen und Migranten verschärft – auch die zivile Seenotrettung wird immer weiter erschwert.
- Flüchtlingscamps in Tunesien: Die große Vertreibung (Von Mirco Keilberth, nd.aktuell)
Die Räumung der Olivenhaine in Tunesien dauert an. Sicherheitskräfte zerstören Zeltlager und gehen brutal gegen Geflüchtete vor