Dresden, 03.12.2024
Liebe Leser:innen,
im „Heim-TÜV„ des Sächsischen Ausländerbeauftragten wird die Unterbringung von „geduldeten Ausländern und Asylbewerbern im Freistaat Sachsen“ evaluiert – allerdings, wie Hans Eylert in der letzten Ausgabe von Querfeld kritisiert, in einer Stimmung von: „Es gibt schon viele, viele Probleme, aber wir sollten sie nicht so schwer nehmen“.
Beschwerden über die Zustände in den Flüchtlingsunterkünften erreichen uns dagegen regelmäßig. So haben wir auch in diesem Jahr versucht, uns den verschiedenen Facetten der Unterbringung zu nähern: Die (ökonomischen, aber auch politischen) Kosten eines profitorientierten „Minimalservice„ durch Unternehmen, die zunehmende Verwahrlosung, die Notwendigkeit einer dezentralen Unterbringung und einer sozial(pädagogisch)en Vernunft statt Schikane. Der Heim-TÜV, der zwar einige Probleme benennt, aber insgesamt die Situation eher verharmlost, steht also im Widerspruch zum Augenschein. Dies veranlasste u.a. die Leute von der Seebrücke Dresden und dem Sächsischen Flüchtlingsrat, diesem Widerspruch ein Gesicht zu geben.
Auf Basis qualitativer Interviews
Die Broschüre “No more camps – we want homes!”, die pünktlich zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember erscheint, ist das Produkt einer monatelangen Recherche, die vor allem auf qualitativen Interviews basiert. Die Broschüre greift die kritischen Stimmen vieler Mitarbeitenden und Bewohnenden der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen (der Camps, um sie wie ihre Bewohner:innen zu benennen), auf. Darüber hinaus formulieren wir 14 Forderungen, die auf den Ergebnissen der Recherche und den Wünschen der Menschen in den Camps basieren.
In Sachsen gibt es derzeit 16 Erstaufnahmeeinrichtungen, die unterschiedlich betrieben werden und unterschiedliche Zustände aufweisen. Die Redaktion der Broschüre hat einige dieser Einrichtungen besucht. Von manchen der Einrichtungen berichteten Bewohner:innen oder Mitarbeiter:innen in teils ausführlichen Interviews über die Zustände. Dabei zeigte sich, dass viele der beklagten Probleme eher auf mangelnden Willen als auf Überlastung oder Perspektivlosigkeit zurückgehen. Hinzu kommt hier und da ein bewusster Wille gerade zur mangelhaften Unterbringung, um keinen “Pull-Faktor” zu schaffen. Manche machen genau mit diesem Unwillen Geld, während andere überall den gleichen Satz wiederholen: “Die kriegen alles vom Staat bezahlt!”
Aktionstag am 10. Dezember
Die Broschüre „No more camps, we want homes!“ gibt einen Gesamtblick auf die Unterbringung von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen, der sich aus vielen, sich oft überkreuzenden Einzelerfahrungen ergibt.
Haltet die Augen offen und bestellt die Broschüre oder holt sie bei uns ab – und bitte helft uns, sie am Aktionstag, dem 10. Dezember 2024, und danach unter die Leute zu bringen – sei es durch Weiterleiten, Teilen oder auch nur Liken! 🙂 Wenn ihr in Dresden oder Chemnitz wohnt, kommt zu den Veranstaltungen, bei denen wir die Broschüre vorstellen.
Wir laden Euch zudem ganz herzlich ein, am 10. Dezember an unserer Social-Media-Kampagne teilzunehmen! Hier gelangt Ihr zu einem Drive-Ordner, in dem Ihr die Anleitung zur Teilnahme sowie Sharepic-Vorlagen findet.
Vielen Dank an Sophie, Lara, Lars, Tom, Hans und alle anderen, die sich hierfür so viel Zeit genommen haben!
Bis zum nächsten Mal!
Öffentlichkeitsarbeit des Sächsischen Flüchtlingsrates
PS: Dies ist nicht der letzte Newsletter in diesem Jahr – wir melden uns noch mit einem Sondernewsletter inklusive eines kleinen Rückblicks!
Berichte aus dem Verein
Spenden: Wir brauchen Euren Schutz!
Menschenrechte sind das Fundament unserer Gesellschaft – sie gelten für alle, unabhängig von Herkunft oder Status. Doch für viele Geflüchtete werden diese Rechte an den Grenzen Europas oder im Alltag missachtet. Grenzschließungen, Pushbacks und unfaire Asylverfahren sind Beispiele dafür, wie die Rechte Schutzsuchender systematisch verletzt werden.
Mit der Kampagne „10 Tage – 10 Menschenrechte: ein Schutzwall für Menschenrechte“ bauen wir gemeinsam eine starke Verteidigung für die Rechte Geflüchteter auf. Jede Spende fügt ein weiteres Stück zu diesem Schutzwall hinzu – Stein für Stein wächst er und verstärkt unseren Einsatz für rechtliche Beratung, politische Arbeit und praktische Unterstützung.
Gemeinsam setzen und stärken wir das Fundament für Menschlichkeit und Engagement, um die universellen Menschenrechte zu verteidigen – heute dringender denn je.
10 Tage, 10 Rechte, 1 Ziel: Menschenrechte schützen – jetzt erst recht!
Unsere Kampagne kannst du über unseren Instagram-Account verfolgen.
Spenden? Hier. Danke!
Solidarität statt Bezahlkarten: Aktionsgruppen in Sachsen ermöglichen Bargeldzugang50 Euro beträgt das monatliche Bargeldlimit der Bezahlkarten in vielen Kommunen Sachsens. Da dies im Alltag eher Integrationshürde ist, tauschen Aktionsgruppen mit Betroffenen Gutscheine gegen Bargeld. Diese praktische Solidarität kann am Ende sogar Behörden entlasten. Flüchtlingsrat fordert kommunale Befugnisse für die landesweite Umsetzung der Bezahlkarte ab Januar 2025. Unsere Pressemitteilung. |
Karikaturenpreis wurde uns gespendet
Die Gewinner des 25. Deutschen Karikaturenpreises Elias Hauck und Dominik Bauer haben uns das Preisgeld (4.000 Euro!) gespendet! Wie der Deutschlandfunk kommentierte, auch um diejenigen zu ärgern, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Wir danken dem preisgekrönten Duo!
Bericht des Deutschlandfunks.
Netzwerk Tolerantes Sachsen warnt vor Finanzkürzungen und fordert Fördergarantien für Demokratiearbeit
Der aktuelle Entwurf von Finanzminister Hartmut Vorjohann zur vorläufigen Haushaltsführung in Sachsen bedroht die Arbeit zahlreicher Projekte, Initiativen und Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus und für ein offenes, vielfältiges Sachsen einsetzen. Die geplante Verwaltungsvorschrift, die den Ministerien bis mindestens Mitte 2025 enge finanzielle Grenzen setzt, würde in diesem Bereich zu einem drastischen Kahlschlag führen.
Gemeinsame Pressemitteilung.
Umsetzung des SäschsIntG: Kommunale Strukturen in die Pflicht nehmen!Im Juni ist das neue Sächsische Integrations- und Teilhabegesetz (SäschsIntG) in Kraft getreten. Grundsätzlich begrüßt der Sächsische Flüchtlingsrat das neue Gesetz. Damit bekommen die Kommunen umfassende und einheitliche Vorlagen für eine nachhaltige Integrationsarbeit. Allerdings haben wir wiederholt bemängelt, dass die kommunale Integrationsarbeit nur als freiwillig gilt. Integrationsarbeit ist aber mit finanziellen Mitteln verbunden, so dass die meisten Kommunen ein Eigeninteresse an der Umsetzung haben werden. Im September hat das Sozialministerium die Umsetzungsverordnung („Kommunalintegrationsarbeitsverordnung“ – KomIntAVO) erlassen. In diesen Tagen erhalten die Kommunen Informationen über die voraussichtliche Finanzierung für das Jahr 2025 und überlegen, wie sie das Gesetz umsetzen sollen. In vielen Kommunen herrscht jedoch – insbesondere nach den Kommunalwahlen – ein schlechtes Klima für die Integration von Geflüchteten. Wie die Kommunen mit dem neuen Gesetz und den Mitteln umgehen, wird über die Zukunft der sächsischen Flüchtlings- und Migrationssozialarbeit ebenso entscheiden wie über das Engagement der vielen zivilgesellschaftlichen Willkommensinitiativen und -bündnisse. Der Sächsische Flüchtlingsrat ruft daher alle Akteure der sächsischen Zivilgesellschaft dringend auf, ihre Kommunalparlamente und -verwaltungen in die Pflicht zu nehmen. Insbesondere sollte gefordert werden:
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Frauen aus aller Welt auf zwei Rädern unterwegs!
Von Mitte September bis Ende Oktober fand in Chemnitz ein besonderer Fahrradkurs statt, der speziell für Frauen angeboten wurde. Unter der Anleitung der engagierten Trainerinnen Juliane Schreiber und Maren Troschke hatten acht Teilnehmerinnen aus verschiedenen Ländern die Gelegenheit, das Fahrradfahren in Theorie und Praxis zu erlernen oder zu verbessern.
Der Kurs, der vom 16. September bis zum 28. Oktober lief, umfasste wöchentliche Unterrichtseinheiten an zwei Tagen. Die Teilnehmerinnen wurden dabei nicht nur in der Praxis – vom sicheren Aufsteigen bis zum Manövrieren im Verkehr – geschult, sondern erhielten auch theoretisches Wissen zu Verkehrsregeln und Sicherheit. Dank der umfassenden Ausstattung mit Rollern, klassischen Fahrrädern und anderen Lernmaterialien war jede Teilnehmerin bestens unterstützt.
Das Projekt wurde mit großem Erfolg abgeschlossen: Alle Frauen erhielten am Ende eine Teilnahmebescheinigung, die ihre neu erworbenen Fähigkeiten würdigt. Besonders erfreulich ist das weiter anhaltende Interesse an solchen Kursen. Viele Frauen haben bereits signalisiert, an weiteren Fahrradkursen teilnehmen zu wollen – ein deutlicher Beweis für die nachhaltige Wirkung des Programms.
Dieser Kurs ist mehr als nur ein sportliches Angebot: Er ist ein Beitrag zur Integration und Selbstständigkeit. Das Fahrradfahren eröffnet den Teilnehmerinnen neue Mobilitätsmöglichkeiten und stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Wir freuen uns darauf, bald weitere Frauen auf den Weg zu bringen – sicher und selbstbewusst auf zwei Rädern!
(Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.)
Die letzten Veranstaltungen von “BIENVENIDOS”
Am 6. November war unser Projekt „BIENVENIDOS“ zu einer Informationsveranstaltung für die venezolanischen Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft auf der Geystraße in Dresden eingeladen. Die Kolleg:innen beantworteten Fragen zum Asylverfahren, zur Wohnsitzauflage, zur Ausbildung und anderen Themen.
Zudem haben die Kolleg:innen des Projektes am 14. und 28. November spanischsprachige Vorträge zu „Bleiberechtsmöglichkeiten nach Asylablehnung“ in Dresden (Club Passage in Gorbitz) und in Leipzig (Soziokulturelles Zentrum Mühlstraße) gehalten.
Aufgrund fehlender Finanzierung wird das Projekt „Bienvenidos“ zum Jahresende leider eingestellt. Das Projekt entwickelte sich schnell zu einer sehr wichtigen Anlaufstelle für die Belange der überwiegend in Sachsen untergebrachten venezolanischen Geflüchteten.
Demonstration in Chemnitz: Laut gegen Abschiebung
Am 29. November 2024 fand in Chemnitz eine Demonstration gegen Abschiebungen statt, insbesondere gegen die Abschiebungen von Robert, Adel und Berhat.
Chemnitz Nazifrei berichtet über die Demonstration:
“Wir haben gemeinsam mit rund 100-150 Menschen ein starkes Zeichen gesetzt – für Berhat, Adel und Robert, aber auch für alle anderen, denen Schutz und Perspektiven verwehrt werden.
Berhat wurde bereits abgeschoben, und auch Adel und Robert droht dasselbe Schicksal. Doch es geht um mehr als nur Einzelfälle: Abschiebungen sind eine menschenverachtende Praxis, die Menschen in Unsicherheit stürzt und ihnen Chancen auf ein menschenwürdiges Leben verweigert.
Ein besonderer Dank gilt allen Redner*innen: Es war bewegend, dass Berhat per Telefon dabei sein konnte, und beeindruckend, dass Adel selbst gesprochen hat. Ihr habt uns daran erinnert, warum dieser Kampf so wichtig ist.
Danke an alle, die dabei waren und Solidarität gezeigt haben. Vergesst die Geschichten von Berhat, Adel und Robert nicht! Lasst uns weiterhin laut sein gegen die menschenunwürdige deutsche und sächsische Asylpolitik.
Der Kampf geht weiter – für Chancen, Perspektiven und Menschlichkeit! Kein Mensch ist illegal!”
Veranstaltungshinweise
Menschenrechte: Auf der Kippe? Vorträge und Musik
Veranstaltungsreihe zum Tag der Menschenrechte
📍 Dresden
Autoritäre Wende, Kriege und Rüstungswahn, Klimakatastrophe, neoliberaler Bankrott, Sozialabbau, Abschottung… Inmitten krisenhafter Umbrüche wird alles zerbrechlicher – vor allem die Menschen und ihre Rechte.
Zum Tag der Menschenrechte treffen wir uns in der Martin-Luther-Kirche in Dresden, um uns mit einem dieser Rechte zu beschäftigen, das derzeit unter Dauerbeschuss steht: Das Recht auf Asyl.
🔥 Verschiedene sächsische Organisationen und der Pfarrer der Kirche werden sich in Blitzvorträgen (5-7 Min) zu verschiedenen Aspekten äußern: Abschiebung, Grenzkontrollen, Bezahlkarte, Gesetzesverschärfungen, Unterbringung, Nächstenliebe…
🔥 Die Broschüre „No more camps, we want homes!“, die sich mit den Zuständen in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen beschäftigt, wird erstmals vorgestellt.
🔥 Es wird Gedichte von/über Flucht geben.
🔥 Zwei musikalische Beiträge (je 30 min) werden den gemeinsamen Samstag etwas aufwärmen.
🔥 Die aktuelle Ausgabe unseres Jahresmagazins Querfeld wird an unserem Infostand erhältlich sein.
Kommt vorbei und lasst uns gemeinsam die Menschenrechte feiern!
🧭 WANN: am Samstag, den 7. Dezember 2024, 16:30 – 18:30 Uhr
📌 WO: Martin-Luther-Kirche (Martin-Luther-Platz 5, Dresden)
Mehr Informationen.
“Green Border” und Unterbringung der Geflüchteten. Gespräch und Filmvorführung
Infovortrag in spanischer Sprache: Asylanhörung und mündliche Verhandlung im KlageverfahrenNeydi Villamizar vom Projekt „¡BIENVENIDOS!“ gibt einen Überblick zum Ablauf der Asylanhörung vor dem BAMF sowie zur mündlichen Verhandlung im Asylklageverfahren, um eine bessere Vorbereitung auf diese essenziell wichtigen Termine zu ermöglichen. Die Veranstaltung findet digital auf der Plattform Zoom über den oben genannten Link statt, eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich. 🧭 WANN: 18. Dezember 2024 – 16:00 – 17:00 📌 WO: Online via Zoom, Teilnahmelink. |
Infovortrag in spanischer Sprache: Bleiberechtsmöglichkeiten nach Ablehnung des Asylantrages
Neydi Villamizar vom Projekt „¡BIENVENIDOS!“ wird einen Überblick über die verschiedenen gesetzlichen Möglichkeiten von der Ausbildungsduldung bis zum neu eingeführten „Spurwechsel“ für Fachkräfte geben, mit denen auch nach Ablehnung eines Asylantrages noch ein Bleiberecht in Deutschland erwirkt werden kann. Die Veranstaltung findet digital auf der Plattform Zoom über den oben genannten Link statt, eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.
🧭 WANN: 19. Dezember 2024 – 16:00 – 17:00
📌 WO: Online via Zoom, Teilnahmelink.
Drei Stimmen aus der Presse
- Das Millionengeschäft mit Geflüchtetenunterkünften (ZDF Magazin Royale)
Für ein gebrülltes „Ausländer raus“ wird man zwar meist noch schief angeschaut, aber wenn man die Aussage sprachlich etwas charmanter verpackt, dann ist das auch in der SPD, FDP und bei den Grünen en vogue. Man darf ja der AfD nicht die ganzen rechten Talking Points überlassen, wenn man die AfD bekämpfen will! Wenn geflüchtete Menschen es trotzdem nach Deutschland geschafft haben, dann wohnen sie meist erstmal in einer Geflüchtetenunterkunft. Diese sind häufig in privater Hand und werfen ordentlich Geld ab. Denn wo steht bitte geschrieben, dass sich Menschenrechte und Gewinnmaximierung ausschließen? - Wie Visa und Mastercard mit der Bezahlkarte Geld machen (Jacobin)
Die Bezahlkarte für Asylbewerber ist Schikane und schränkt den ohnehin schon engen Handlungsspielraum von Geflüchteten noch weiter ein. Für den Staat droht die Bezahlkarte zu einer teuren Bürokratiefalle zu werden. Die einzigen Gewinner sind Firmen wie Visa und Mastercard.
- Politik jenseits der Realität (medico)
Obwohl die Realität der Klimakatastrophe mittlerweile auch in die Zentren des globalen Nordens hereinbricht, sucht man ein Bekenntnis zum Ausstieg aus dem Verbrennen von fossilen Ressourcen wie Öl, Kohle und Gas oder den Ausstieg aus fossilen Subventionen vergeblich. Die Vernutzung, Plünderung und organisierte Zerstörung der Welt wird fortgesetzt, am Weiter-so wird festgehalten – offenbar um jeden Preis.