PM: Zuhören statt Ignorieren, menschenwürdige Lösungen statt Profitmaximierung

Unsere Pressemitteilung zur Übernahme der „European Homecare GmbH“, die auch in Sachsen zahlreiche Asylunterkünfte betreibt, durch die „Serco Group“, die weltweit für zahlreiche Missstände in ihren Einrichtungen berüchtigt ist, hat einige Reaktionen ausgelöst.

Unter anderem veröffentlichte die Leipziger Volkszeitung (LVZ) einen längeren Bericht mit O-Tönen aus verschiedenen Perspektiven (auch von uns) und der Tageszeitung Junge Welt gaben wir ein Interview, in dem wir unsere Kritik ausführlicher darlegen durften. Zudem berichteten ehemalige Mitarbeitende der European Homecare GmbH in Sachsen von Einschüchterungsversuchen seitens des Unternehmens, als sie die Zustände offen kritisierten.

Gegenüber der LVZ beteuert der Pressesprecher der Schweizer Serco-Tochter ORS, den “Flüchtlingen ein Höchstmaß an Betreuung” zu bieten und die Landesdirektion Sachsen weist unsere Kritik als “unsachlich” und “pauschal” zurück. Laut Landesdirektion Sachsen würde die European Homecare GmbH eine “qualitativ hochwertige Betreuung” gewährleisten. Martina Kador-Probst, Sozialamtsleiterin der Stadt Leipzig, betont, dass der Stadt keine Beschwerden über die Zustände in den Unterkünften vorlägen und die Unterkünfte regelmäßig durch unangemeldete Besuche kontrolliert würden.

Aufruf an die Zivilgesellschaft

Osman Oğuz vom Sächsischen Flüchtlingsrat zeigt sich zwar vorsichtig erfreut über die Resonanz auf die Meldung, betont aber, dass Entsetzen allein nicht ausreiche: “Viele Menschen haben uns auf verschiedenen Wegen ihren Unmut über dieses Geschäftsmodell mitgeteilt. Das ist ein Zeichen dafür, dass es nach wie vor Viele gibt, die nicht damit einverstanden sind, dass Geflüchtete entmenschlicht und zur Ware gemacht werden. Um die Missstände noch stärker in die Öffentlichkeit zu tragen und eine Verbesserung der Lebensumstände zu erreichen, rufen wir die Zivilgesellschaft auf, sich für eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten einzusetzen.”

Was Verantwortung und Anstand erfordern

“Es ist nicht hinnehmbar, dass die Landesdirektion Sachsen und das Sozialamt Leipzig unsere Kritik als ‚unsachliche Pauschalkritik‘ oder mit einer Aussage nach dem Motto ‚Wir haben nichts gehört‘ abtun. Es gibt belastbare journalistische Recherchen und Berichte von Menschenrechtsorganisationen über die bisherigen Rechtsbrüche und Misshandlungen in den Einrichtungen der Serco Group. Auch die Zustände in den Einrichtungen der European Homecare GmbH wurden bisher vielfach kritisiert. Wir haben zudem konkrete Fotos aus einer ihrer Erstaufnahmeeinrichtungen veröffentlicht. Es gehört sowohl zur Verantwortung der Behörden als auch zum Anstand, auf die Kritik insbesondere der Betroffenen einzugehen“, so Oğuz.

Die strukturelle Ignoranz gegenüber Geflüchteten

Die Aussage der Sozialamtsleiterin, dass bisher keine Beschwerden bei der Stadt Leipzig eingegangen seien, findet Oğuz sehr problematisch: “In den Einrichtungen gibt es keine Hinweise, schon gar nicht in verschiedenen Sprachen, wie und wo man sich beschweren kann. Hinzu kommt die allgemeine Sprachlosigkeit und Unsicherheit der Geflüchteten. Es gibt also sowohl strukturelle als auch gesellschaftliche/politische Barrieren, sich zu beschweren. Nun haben wir uns aber als stellvertretende Stimme der Geflüchteten geäußert und die Behörde könnte auch sagen: ‘Okay, wir nehmen Kontakt auf und schauen noch einmal genau hin’. Die Reaktion hingegen zeigt einmal mehr die strukturelle Ignoranz gegenüber der Lebenssituation von Geflüchteten.

Dezentral und nach sozialarbeiterischen Prinzipien

Die beunruhigenden Praktiken der beiden Unternehmen stehen zwar im Vordergrund des vorliegenden Beispiels, sind aber nicht der zentrale Gegenstand unserer Kritik. Oğuz benennt als Kern des Problems “die Privatisierung von Einrichtungen und damit die Fokussierung auf Profitmaximierung oder Kostensenkung statt auf menschenwürdige Lösungen” und führt aus: “Es gibt viele Ansätze, wie die Unterbringung von Geflüchteten dezentral, nach sozialarbeiterischen Prinzipien und im Rahmen eines gerechten Integrationskonzeptes erfolgen könnte. Unsere Forderung ist, dass gemeinsam mit migrantischen Selbstorganisationen und gemeinnützigen Trägern an einer Lösung auf Basis dieser Vorschläge gearbeitet wird.”

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