PM Turnhalle statt Wohnung: Ukrainische Geflüchtete beklagen unwürdige Zustände in Notunterkunft

Familien mit Kindern, Rentner und Menschen mit Behinderung wohnen nach ihrer Flucht aus der Ukraine gemeinsam in der Turnhalle Meinersdorf, einer kommunalen Notunterkunft. Fehlende Beratung und Übersetzung, keine Küche, keine Angebote für Kinder – 30 Personen leben hier auf engstem Raum unter unwürdigen Bedingungen. Gleichzeitig steht im Erzgebirgskreis Wohnraum zur Verfügung und selbst Kapazitäten der Erstaufnahme würden eine humanere Form der Unterbringung zulassen.

Eine Menschentraube bildet sich kurz nach unserer Ankunft in der Turnhalle Meinersdorf. Aufgeregt berichten die Menschen über die Missstände im Objekt. 30 Personen, darunter 11 Minderjährige und Kinder, leben auf Feldbetten in der Turnhalle gemeinsam ohne Chance auf Privatsphäre oder Ruhe. Ein ukrainischer Rentner erklärt: „Wir sind sehr dankbar, dass uns Deutschland Sicherheit bietet. Aber die Zustände in dieser Halle sind wirklich sehr schlecht. Gern würden wir zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung.“ Solche Sätze haben in unserer Arbeit Seltenheitswert, in der Regel versuchen Mensch schnellstmöglich aus den Massenunterkünften der Landesdirektion herauszukommen – doch für Geflüchtete aus der Ukraine ist die Lage derzeit frustrierend.

Sie besitzen Anspruch auf Bürgergeld, haben Recht auf eigenen Wohnraum und können somit nicht in lokalen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. In der Theorie ein klarer Vorteil, doch in der Praxis dauert es einige Monate bis tatsächlich Wohnungen gefunden sind. Lange Bearbeitungszeiten beim Jobcenter sind nur ein Problem, denn nicht alle Vermietungsunternehmen in Sachsen sind gewillt, Menschen ohne Deutschkenntnisse unterzubringen. „Aus der Ukraine Geflohene berichten von Diskriminierung bei der Wohnungssuche. Zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges folgt auf schwindende Solidarität mit Ukrainer*innen nun in Teilen direkte Ablehnung.“, erklärt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

Menschen über Monate in der Turnhalle?

Verantwortlicher Betreiber der Notunterkunft ist der Erzgebirgskreis, der die Ukrainer*innen durch die Landesdirektion zugewiesen bekommt. Im Landkreis scheint ein Mangel an Objekten zur Unterbringung, sodass der Betrieb der Notunterkunft bis zum 31. August geplant ist. In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes dagegen besaßen viele Menschen bereits private Zimmer. Vorzuwerfen ist der Kommune nicht nur die Form der Unterbringung, sondern auch fehlende Beratung für die hier lebenden Menschen, die weder Deutsch sprechen noch zeitnah Sprachkurse besuchen werden.

Ukraine-Verein geschockt und engagiert

„Die Leute übersetzen ihre Formulare von Behörden selbst per App auf ihrem Telefon. Aber wer übernimmt die Verantwortung, wenn dabei etwas falsch läuft und Menschen über Monate kein Geld erhalten? Es gibt in dieser Turnhalle keine Ansprechperson“, berichtet Veronika Smalko der AG Ukraine-Chemnitz-Europa e.V. – ein Verein, der letzte Woche zumindest etwas Spielzeug in die Turnhalle brachte und einen Kinderwagen für ein Baby in der Unterkunft organisiert.

„Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen schlafen über Wochen auf ungeeigneten Feldbetten, so etwas habe ich noch nie gesehen. Doch dies scheint gar keinen Verantwortlichen zu interessieren“, kritisiert Smalko ebenso wie die fehlende Küche und fordert zumindest rudimentäre Ausstattung zur Essenszubereitung. Laut der Kommune gibt es Wachpersonal, welches stets vor Ort ist, aber darüberhinausgehende Angebote der Sozialen Arbeit o.Ä. existieren nicht.

Unterstützung bei Suche nach Wohnraum dringend notwendig

Schmidtke kommentiert abschließend: „Dies ist keine einseitige Kritik am Erzgebirgskreis oder dem Roten Kreuz, welches mit räumlich und finanziell beschränkten Mitteln arbeiten muss. Sondern auch an der Landesdirektion, die Menschen einfach in Landkreise verteilt, ohne eine menschenwürdige Unterbringung zu garantieren. Dies ist ebenso ein Appell an Ehrenamtliche, die Ukrainer*innen bei der Wohnraumsuche zu unterstützen. Sie haben das Recht dazu, es fehlen aber Personen, die bei der Vermittlung unterstützen.“

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