Abschiebehaft und „Ankerzentrum“ genanntes Lager sollen nebeneinander existieren
Ministerpräsident und Innenminister lieferten vergangene Woche ein eindrückliches Schauspiel inkompetenter Informationspolitik. In aller Öffentlichkeit zeigten sie, dass sie sich gar nicht so viele Gedanken darüber machen, unter welchem Label Menschen interniert werden sollen. Hauptsache weg mit den Schutzsuchenden aus der Öffentlichkeit, wen interessiert es, wie das geschehen soll. Nun steht fest: das „Ankerzentrum“ genannte Lager soll auf der Hamburger Straße etabliert werden. Direkt neben dem Abschiebegefängnis. Die Stadt Dresden erhält so einen Schandfleck, in dem Ohnmacht und Verzweiflung herrschen werden, das Mensch-Sein ausgelöscht wird. Der SFR e.V. ruft für den 3. Juni zum Protest gegen Abschiebungshaft in Dresden auf, am 6. Juni folgt eine Demonstration gegen Lager in Halle.
„Vom Lager die paar Meter rüber in den Knast – diesen demütigenden Weg könnten künftig einige Menschen gehen.“ Mark Gärtner vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. kommentiert die Pläne aus Staatskanzlei und Innenministerium. Auf der Hamburger Straße 19 in Dresden soll nun doch ein „Ankerzentrum“ genanntes Lager etabliert werden. „Es ist ein System der Hoffnungslosigkeit und Demoralisierung, was hier geschaffen werden soll.“ In der Abschiebungshaft auf der Hamburger Straße 15, direkt neben dem geplanten Lager, können Menschen bis zu 18 Monaten inhaftiert werden. Die Pläne des CSU-geführten Bundesinnenministeriums sehen derweil vor, dass Menschen in den Lagern ebenso bis zu 18 Monate kaserniert werden sollen. „Es ist theoretisch denkbar, dass sich Menschen mindestens drei Jahre auf der Hamburger Straße aufhalten, erst als Lagerinsass*innen, dann als Inhaftierte. Das ist staatlich gewolltes zu Grunde richten von Menschen.“ so Gärtner. „Die Erstaufnahmeeinrichtungen sind unter humanitären Gesichtspunkten schon nicht tragbar. Mit Blick auf die Berichte aus den „Transitzentren“ genannten Lagern in Bamberg und Manching kann nur gesagt werden: das was sich auf der Hamburger Straße abspielen soll, wird humanitär katastrophal.“
Protest gegen die Zentralisierung von Menschen ist legitim!
Dass Menschen im Lager wie im Abschiebegefängnis systematisch kaputt gemacht werden, liegt auf der Hand. Birgt doch die Art und Weise, Menschen in Kasernen oder Gefängnissen zu zentralisieren, die Gewalt bereits im Namen. „Kasernen und Knäste sind gewaltvolle Orte. Das wissen wir von den Einrichtungen der Bundeswehr, das wissen wir von den Justizvollzugsanstalten. Und inzwischen wird in der Bundesrepublik wirklich darüber nachgedacht, Geflüchtete einzusperren beziehungsweise zu internieren – potentiell traumatisierte Menschen, die nur ihr Recht wahrnehmen, Schutz zu suchen.“ meint Gärtner weiter. Vor allem sind es Frauen, LGBTIQ-Menschen und Kinder, die durch eine Lager- oder Knasterfahrung für den Rest ihres Lebens gezeichnet sind. In diesen Orten wird jegliche Individualität ausgelöscht, der einzelne Mensch absoluter Macht ausgeliefert. Ohnmacht und Verzweiflung werden auf der Hamburger Straße institutionalisiert werden. Gärtner: „Die Hamburger Straße wird zum Ort des Leids, wenn die Pläne so umgesetzt werden. Ein Ort, für den sich die Stadt Dresden wird schämen müssen. Die humanitäre Verantwortung der Bundesrepublik wurde schon längst gemeuchelt. Jetzt ist auch die historische wie juristische Verantwortung dran. Wenn es noch soetwas wie Hoffnung auf ein Bewusstsein – wenigstens für Geschichte – gibt, dann liegt die beim kleinen Koalitionspartner.“ Die SPD hatte sich im Zuge der Verwirrung letzte Woche bereits gegen die Lager positioniert. Für den SFR e.V. ist klar: mit allen zur Verfügung stehenden, rechtlichen Mitteln wird der Verein im Bündnis mit weiteren, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen der Stadt versuchen, die Menschen aus der Abschiebehaft herauszuholen. Wenn das Lager kommen sollte, wird selbiges gelten.
Erste Gelegenheiten zum Protest wird es bereits Anfang Juni geben. Am 3. Juni ruft der SFR e.V. gemeinsam mit dem Studierendenreferat WHAT der TU Dresden zur Demo gegen Abschiebungshaft auf. Treff ist 15 Uhr vorm Dresdner Hauptbahnhof, von da geht es durch die Innenstadt (Aufruf siehe hier). Am 6. Juni wird gegen die geplanten Lager in Halle demonstriert. Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt und Jugendliche ohne Grenzen organisieren den Protest anlässlich der Innenministerkonferenz.
Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
-Öffentlichkeitsarbeit-
Mark Gärtner
Dammweg 4
01097 Dresden
Tel.: 0351 / 33 23 55 94
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