Newsletter (06/25): “Landesausreisezentrum in Dresden: Ein Staat, der erpresst”

Dresden, 05.06.2025

Liebe Leser:innen,

gesagt, getan: Während jegliche Erwartungen an die Sozialpolitik auf der Strecke bleiben, hat die Landesregierung das im Koalitionsvertrag versprochene Landesausreisezentrum für abgelehnte Asylbewerber eröffnet. In der Pilotphase des Projekts sollen bis zum Jahresende bis zu 120 “Ausreisepflichtige” in diesem Zentrum untergebracht werden. Hinter einem verstärkten Tor, unter dem Damoklesschwert der Abschiebung und ohne jegliche Integrations- oder Sozialmaßnahmen – am Ende entsteht nichts weiter als ein zweites Abschiebegefängnis mit offenem Vollzug.

Derzeit leben mehr als 20 “alleinreisende Männer” im Ausreisezentrum auf der Stauffenbergallee in Dresden, einer ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung. Das Zentrum wird vom privaten Unternehmen European Homecare/ORS betrieben, das bereits die Sicherheitsmaßnahmen erhöht hat. So wurden die Mauern “sicherer” gemacht und es wurde ein mehrstufiges Tor am Eingang installiert. Jedes Mal, wenn ein Bewohner die Unterkunft verlassen möchte, muss er einen sogenannten “Verlassen-Zettel” ausfüllen. Kehrt er innerhalb von drei Tagen nicht zurück, werden weitere Maßnahmen ergriffen. Die Präsenz der Polizei wird zur Normalität. Die Mitarbeiter:innen, die vertraglich zur “sozialen Betreuung” der Bewohner verpflichtet sind, sollen eine erleichternde Rolle bei Abschiebungen übernehmen, wodurch das Vertrauen der Bewohner selbst an ihrer Betreuung komplett untergraben wird. Ein Ort des Schreckens: Abschiebung geht hier wie ein Gespenst um.

Wofür dieses Zentrum entstanden ist, ist kein Geheimnis. Innenminister Schuster kündigte offen an, dass Geflüchtete durch das “Pilotprojekt” zur “freiwilligen Ausreise” bewegt werden sollen. Eine “Freiwilligkeit”, die durch Abschreckungsmaßnahmen erzwungen wird. Ein Staat, der Menschen mit Erpressung und Drohungen dazu zwingt, ein Dokument zu unterschreiben und “abzuhauen”.

Das Ausreisezentrum ist im Zusammenhang mit den gesetzlichen und politischen Verschärfungen entstanden, mit denen wir in den letzten Jahren zunehmend konfrontiert sind. Insbesondere die GEAS-Reform, die spätestens ab nächstem Jahr überall in Kraft tritt, zielt darauf ab, die Zahl der Orte zu erhöhen, an denen das Recht kaum mehr Gültigkeit hat. Nach dieser Vorstellung sollen Menschen, die (zusammen mit ihren Kindern) inhaftiert sind, ihrer Grundrechte beraubt werden, um sie davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Inwieweit die Regelungen im Ausreisezentrum im Zusammenhang mit der GEAS-Reform noch verschärft werden, bleibt abzuwarten.

Die Anwendung einer verschärften Residenzpflicht, die faktisch einer Freiheitsentziehung gleichkommt, stellt einen tiefgreifenden Eingriff in die Bewegungsfreiheit dar. Viele von Untergebrachten befinden sich in laufenden Klageverfahren mit ungewissem Ausgang – eine zwangsweise Ausreise wäre hier weder rechtmäßig noch legitim. Faktisch kommt die Einrichtung einem halbgeschlossenen Lager gleich, in dem rechtsstaatliche Mindeststandards ausgehöhlt werden. Die Aussage des Innenministers, dass “vorrangig Straffällige” hier untergebracht werden sollen, bringt das Aufenthaltsgesetz als Ergänzung zum Strafgesetzbuch noch einmal zur Anwendung.

Um eine Symbolpolitik gegen Geflüchtete durchzusetzen, werden Menschen “im großen Stil” drangsaliert, enormer psychischer Druck wird auf sie ausgeübt und sie werden zur Illegalität gezwungen – mit vielfältigen Folgen. Während die Gelder für landesweite Integrationsarbeit, Demokratiearbeit und Bildung im aktuellen Haushaltsentwurf für die Jahre 2025/2026 massiv gekürzt werden, scheint es an Geldern für soziale Isolation nicht zu mangeln.

Im Ausreisezentrum werden immer mehr Menschen leben, denen jegliche Möglichkeit zur politischen und gesellschaftlichen Teilhabe genommen wird, die stumm gemacht werden. Die Angst vor Abschiebung wird zum Schlagstock der Mächtigen gegen Migrant:innen und alle Menschen, die auf ihr Recht zum (Über-)Leben beharren. Deshalb sind demokratische Kräfte gefragt, die dieser immer brutaler werdenden Politik mit funktionierenden Ansätzen begegnen und die rechte Propaganda, auf der das Ausreisezentrum basiert, entkräften.

Die 20 Menschen, die derzeit diesem Druck ausgesetzt sind, haben Namen, Geschichten, Hoffnungen. Sie brauchen Schutz und keine Isolation und müssen sofort “entlassen” werden. Dieses Zentrum mit dem orwellschen Namen muss geschlossen werden. Menschen verdienen eine menschenwürdige Behandlung statt staatlich angeordneter Drangsalierung.


Berichte aus dem Verein

VG Berlin: Zurückweisungen rechtswidrig

“Die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet ist nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts rechtswidrig. Ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens dürfen sie nicht abgewiesen werden, entschied das Gericht im Fall dreier Somalier, die nach der neuen Regelung am 9. Mai von Frankfurt (Oder) aus nach Polen zurückgeschickt wurden. Die Beschlüsse sind nach Gerichtsangaben unanfechtbar.”

Medienbericht.


Bundesverfassungsgericht bestätigt: Abschiebung in Sachsen verletzte Grundrechte

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem aktuellen Beschluss die sächsische Abschiebepraxis scharf kritisiert. Bei der Abschiebung von Mehdi N. wurde ein Urteil des Verwaltungsgerichtes ignoriert und Akteneinsicht verweigert. Nun braucht es dringend eine Familienzusammenführung von Mehdi N. und seiner hier lebenden Ehefrau.

Pressemitteilung.


Gemeinsames Statement zum Doppelhaushalt: Zivilgesellschaft fordert Investitionen in Sachsens Zukunft

Der Entwurf des Doppelhaushalts 2025/2026 für den Freistaat Sachsen sieht Kürzungen vor, die Sachsen langfristig schwächen werden. Vereine und Verbände sprachen sich heute in der Landespressekonferenz für mutige Investitionen in Sachsens Zukunft aus. Gleichzeitig warnten sie vor langfristigen Folgen der aktuell geplanten Kürzungen. Sie forderten die Staatsregierung und die Abgeordneten der demokratischen Parteien im Landtag auf, Nachbesserungen vorzunehmen, um bewährte Strukturen zu erhalten und so den Standort Sachsen zu sichern.

Gemeinsame Pressemitteilung.


Dramatische Suizidbilanz unter Geflüchteten: Psychosoziale Versorgung ausbauen!

Im Jahr 2024 wurden in Sachsen drei Suizide und 32 Suizidversuche unter Geflüchteten dokumentiert – obwohl sich die Zahl der neu ankommenden Menschen halbierte, bleiben die Zahlen auf einem alarmierenden Niveau. Besonders betroffen waren Minderjährige sowie Menschen in Abschiebehaft und Sammelunterkünften. Die erschütternde Bilanz macht die dramatischen psychischen Belastungen deutlich, denen viele Geflüchtete ausgesetzt sind.

Pressemitteilung.


Schärfere Grenzkontrollen: Wahrung von Menschenrechten Umsetzung statt rechter Symbolpolitik

Mit großer Sorge und Empörung kritisiert der Sächsische Flüchtlingsrat die von der Bundesregierung angeordneten verschärften Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien, die von Sachsens Innenminister Armin Schuster ausdrücklich begrüßt werden. Es drohen rechtswidrige Push-Backs und die stille Abkehr von der Genfer Flüchtlingskonvention.

Positionierung.


Geflüchtete im “Dublin-Verfahren”: Leistungsausschlüsse und Abschiebungen bedeuten Rechtlosigkeit und Elend

Infolge aktueller asylpolitischer Verschärfungen sind Asylsuchende im sogenannten Dublin-Verfahren zunehmend rechtswidrigen Leistungsausschlüssen sowie Abschiebungen in Länder ausgesetzt, in denen dokumentierte Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Ein aktueller Fall aus Sachsen verdeutlicht die dramatischen Folgen dieser Praxis.

Pressemitteilung.



Razzien gegen politisch aktive Geflüchtete aus Eritrea: “Terrorvorwurf entwertet berechtigten Widerstand”

In Deutschland leben heute über 82.000 Menschen aus Eritrea – eine Zahl, die sich seit 2013 fast versiebenfacht hat. Auch in Sachsen ist die eritreische Community in den letzten Jahren stark gewachsen. Die meisten dieser Menschen sind vor einem repressiven Regime geflüchtet, das sie mit Zwangsrekrutierung, politischer Verfolgung und ökonomischer Perspektivlosigkeit konfrontiert hat. Während die internationale Öffentlichkeit Eritrea oft nur am Rande wahrnimmt, hat sich in der Diaspora eine vielfältige politische Bewegung formiert – nicht selten unter schwierigen Bedingungen. Inmitten dieser Entwicklungen kam es jüngst in mehreren Bundesländern zu groß angelegten Razzien gegen politisch aktive Geflüchtete aus Eritrea. Der Vorwurf: Terrorismus. Doch was steckt hinter dieser Eskalation? Und wie wirkt sie sich auf das politische Engagement der Diaspora aus? Darüber sprechen wir mit Jenny Ouédraogo, Projektmanagerin für West- und Ostafrika bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Interview



Empfehlungen des bundesweiten Bleiberechtsnetzwerkes der Flüchtlingsräte zum Übergang vom Chancenaufenthaltsrecht ins Bleiberecht

Die folgenden Empfehlungen sind Rückschlüsse aus aktuellen Praxiserfahrungen von der Beratung einer Vielzahl von Schutzsuchenden am Übergang vom Chancenaufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG) in ein dauerhaftes Bleiberecht (§ 25a/b AufenthG).

Empfehlungspapier.


Veranstaltungshinweise

SFR-Friends kommen zusammen!

Am 4. März hatten wir unseren geschätzten Mitstreiter Volker Gerloff für unsere erste #SFRfriends-Veranstaltung zu Gast. Mit ihm haben wir uns dem oft nur randständig behandelten Thema des Leistungszugangs geflüchteter Menschen mit Behinderung gewidmet, über ihre Rechte auf Gesundheits- und Pflegeleistungen gesprochen und wie wir dabei unterstützen können, diese durchzusetzen.

Und die nächste SFRfriends-Veranstaltung ist schon in Planung: Robert Nestler von „Equal Rights Beyond Borders“ wird einen Input über das Thema „Kriminalisierung in der Geflüchteten-Unterstützung“ mitbringen und u. a. mit uns einen Blick auf die Situation in weiteren EU-Staaten werfen. Der Termin folgt – alle Freund*innen des SFR sind herzlich eingeladen!


Aufenthaltsverfestigung für Menschen mit Aufenthaltserlaubnis

Nur für Frauen*

Sie besitzen eine Aufenthaltserlaubnis und möchten wissen, wie Sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis – die Niederlassungserlaubnis – erhalten oder möchten gerne im EU-Ausland arbeiten? Wir werden darüber sprechen, nach wie vielen Jahren Sie diese beantragen können und welche Voraussetzungen Sie dafür erfüllen müssen.

In der Schulung wird es nicht darum gehen, wie ein deutscher Pass beantragt werden kann.

WANN: am 17.06.2025 um 17:00 Uhr bis 19 Uhr
WO: Frauen- und Mädchengesundheitszentrum MEDEA e.V., Harry-Dember-Straße 11, 01169 Dresden

Anmeldung unter: mia@medea-dresden.de

Die Schulung wird im Rahmen des Projektes „Meine Rechte. Meine Perspektiven – Empowerment-Projekt für Drittstaatsangehörige in Sachsen“ organisiert. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes sowie mit Mitteln der UNO Flüchtlingshilfe.


Spanisch: Dia de talleres en Dresden

Conocer los procesos en Alemania son importantes para integrarse y adaptarse de manera adecuada. Te invitamos a una charla informativa gratuita, donde podrás conocer:

1 .Conocer el proceso de asilo.
2. Como manejarse con las oficinas gubernamentales.
3. Entrada al mercado laboral.
4. Permiso de trabajo
5. Voluntariados y practicas

Datum: 26.06.2025
Uhrzeit: 10:00 – 15:00
Veranstaltungsort: Stadtteilhaus, Priesnitzstraße 18
01099 Dresden

Anmeldung: Keine vorherige Anmeldung erforderlich. El registro previo no es necesario.


Bautzen: Alles zur Bezahlkarte

Sie beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und nicht vom Jobcenter? Haben Sie Fragen, wie viel Geld Ihnen eigentlich zusteht? Oder Ihnen wurden die Leistungen gekürzt und Sie wollen wissen, ob es Möglichkeit gibt, wieder die Leistungen in voller Höhe zu bekommen?

Werden Ihnen die Leistungen nicht in bar bezahlt und nicht auf Ihr Bankkonto überwiesen, sondern Sie haben eine Bezahlkarte? Wir wollen über Möglichkeiten und Begrenzungen der Bezahlkarte sprechen.

Kommen Sie gerne in unsere Schulung über das Asylbewerberleistungsgesetz und die Bezahlkarte um über diese und andere Themen rund um Leistungen nach Asylbewerberleitungsgesetz zu sprechen!
Die Schulung richtet sich insbesondere an Geflüchtete.

Die Teilnahme ist kostenlos.
Anmeldung: keine

WANN: 26. Juni 2025, 13:00 – 15:00
WO: Willkommen in Bautzen / Schülerstr. 6, 02525 Bautzen



Drei Stimmen aus der Presse

  • Retten als Verbrechen (von Katarzyna Czarnota, medico-Blog)
    An der polnisch-belarussischen Grenze werden nicht nur Geflüchtete kriminalisiert, sondern auch diejenigen, die ihnen Hilfe leisten.
  • Trumps Einwanderungspolitik: Abschiebung als Erlösungsakt (von Georgiana Banita, Freitag)
    Je weniger Sicherheit ein Staat bietet, desto wichtiger wird deren Inszenierung: Wie Donald Trumps Stil auch in Deutschland Schule macht
  • 22-jähriger Geflüchteter in Leipzig an Tuberkulose gestorben (LVZ)
    Ein Geflüchteter ist in Leipzig an Tuberkulose gestorben, dabei gilt die Infektion als gut behandelbar. Das Gesundheitsamt ermittelt.

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