Pressespiegel von SFR und RLCL zur Asylpolitik | 17. Juli 2018

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17.07.2018
Pressespiegel zur Asylpolitik

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 17. Juli 2018
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • Die italienische Küstenwache hatte 67 fliehende Menschen an Bord, doch verweigerte die italienische Regierung ihrem eigenen Schiff die Einfahrt in einen Hafen. Einige von den Geretteten sollen an Bord eines anderen Schiffes, was sie ursprünglich rettete, gegen die Besatzung vorgegangen sein. Pauschal und ohne dass Details bekannt waren, wurden alle 67, auch die sechs Kinder, als „Verbrecher*innen“ und „Pirat*innen“ vom italienischen Innenminister Matteo Salvini bezeichnet. Am Ende konnten sie in Sizilien von Bord gehen.
    https://www.dw.com/de/fl%C3%BCchtlinge-d%C3%BCrfen-in-italien-an-land/a-44656299 (13.07.18)
  • Weitere 450 Menschen wurden am Wochenende von der italienischen Polizei und der EU-Behörde Frontex gerettet, doch wieder hieß es, die Schiffe durften italienische Häfen nicht anlaufen. Lediglich acht Frauen und Kinder wurden nach Lampedusa gebracht. Zuvor hatte der italienische Innenminister Salvini angekündigt, die Häfen nicht nur für Nichtregierungsorganisationen sondern auch für staatliche und internationale Schiffe mit Fliehenden an Bord zu sperren. Italiens Regierung weigerte sich und verlangte nach einer „unverzüglichen“ Verteilung der Menschen auf die EU-Mitgliedsstaaten, Salvini brachte gar einen Rücktransport nach Libyen ins Gespräch. Zunächst erklärten sich Malta und Frankreich bereit, je 50 Fliehende aufzunehmen, es folgten Deutschland, Portugal und Spanien. Gestern erst konnten die Menschen in Sizilien an Land gehen.
    https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-in-europa-italien-einigt-sich-mit-frankreich-und-malta-ueber-gerettete-migranten/22802188.html (14.07.18)
  • Um die 3.000 Menschen haben in der italienischen Stadt Ventimiglia, nah an der Grenze zu Frankreich „Für einen würdigen Empfang von Flüchtlingen in einem Europa ohne Grenzen“ protestiert. Sie forderten ein europäisches Aufenthaltsrecht sowie das Recht auf Freizügigkeit.
    https://www.tagesschau.de/ausland/proteste-ventimiglia-101.html (14.07.18)
  • Und gleich bei Ventimiglia, auf der anderen Seite der Grenze, liegt der Hof von Cédric Herrou. Seit drei Jahren nimmt er für einige Zeit Fliehende bei sich auf bis sie einen Asylantrag in Frankreich stellen können. Anfangs noch kriminalisiert und vor Gericht gestellt, hat er nun vom obersten Gericht Frankreichs, dem Verfassungsrat, bestätigt bekommen, dass sein Handeln dem Grundsatz der „Fraternité“ entspreche – aus dem Prinzip der Brüderlichkeit folge die Freiheit, einer*m Zweiten zu helfen, ohne seinen*ihren Aufenthaltsstatus zu beachten, argumentierten die Richter*innen. Herrous Hof ist inzwischen professionalisiert. Die Menschen kommen an, können rasten und lassen sich nach einiger Zeit in Frankreich registrieren um weiter nach Nizza zu fahren und dort ihren Asylantrag zu stellen. Früher mussten Herrou und die Fliehenden noch über Gebirgspässe Richtung Nizza fahren, immer in der Angst, von der Grenzpolizei aufgegriffen zu werden. Für die Schutzsuchenden hätte dies die sofortige Zurückweisung nach Italien bedeutet. Noch heute versuchen das die Polizist*innen: wer es auf den letzten Metern nicht auf den Hof schafft, droht dasselbe Schicksal.
    https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/frankreich-verfassung-bruederlichkeit-fluechtlingshilfe-nationalfeiertag-cedric-herrou (14.07.18)

Bund, Land, Kommune

  • Einer der Menschen, die sich unter den 69 Abgeschobenen nach Afghanistan Anfang Juli befand, hat in Kabul Selbstmord begangen. Horst Seehofer hat sich Kraft dessen, was auch immer in seinem 69-jährigen Hirn vor sich geht, für alle Zeit disqualifiziert, jemals wieder politische Verantwortung zu tragen. Da nützt auch sein dahergeheucheltes Bedauern im Nachhinein nichts mehr. Außerdem hat er seinen „Masterplan Migration“ veröffentlicht. Was davon durchkommt, ist noch offen, es ist ein Papier großer Ankündigungen ohne Substanz, ohne rechtliche Ausführungen, ohne politischen Plan. Lager und Abschottung und sonst alles, was so bekannt ist von der Rhetorik von AfD bis CSU. Kleine, zusätzliche Verschärfung: die in Sachsen bereits bekannten Fantasiepapiere, im „Masterplan“ „Dokumente unterhalb der Duldung“ genannt, findet offenbar auch das Bundesinnenministerium richtig gut. Die SPD hat Seehofer auch verärgert, weil er wieder auf den Stand vor die Koalitionseinigung zurückkehrte und „Transitzentren“ wieder auftauchten.
    http://www.migazin.de/2018/07/11/seehofers-masterplan-geplante-verschaerfungen-asylrecht/ (11.07.18)
    https://www.tagesspiegel.de/politik/asylpolitik-seehofer-bedauert-suizid-von-abgeschobenem-afghanen/22789716.html (12.07.18)
    Analyse von PRO ASYL zu Seehofers Ausführungen: https://www.proasyl.de/news/masterplan-deutschland-macht-dicht/ 
  • Im gesamten Jahr 2017 lag die Gesamtschutzquote für alle entschiedenen Asylanträge bei 43 Prozent. Im ersten Quartal 2018 ist sie auf 32 Prozent gesunken. Die bereinigte Schutzquote lag bei 46 Prozent, also die Quote, die formelle Entscheidungen nicht berücksichtigt, wie zum Beispiel die Unzulässigkeit des Asylantrags wegen der Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaats. Dabei wurde jeder dritte, negativ beschiedene Asylantrag von Verwaltungsgerichten korrigiert und ein Schutzstatus zugesprochen. Menschen afghanischer Staatsbürgerschaft hatten zu fast 60 Prozent Erfolg vor den Richter*innen.
    http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-asyl-schutz-deutschland-1.4048296 (11.07.18)
  • Eine Familie soll von der Ausländerbehörde Chemnitz aus abgeschoben werden. Als die Mutter sich selbst verletzt, setzt die Polizei Pfefferspray ein und hält sie fest. Vater und Kinder sollten dennoch nach Polen abgeschoben werden. Die Mitarbeiter*innen des SFR zeigen sich in einer PM in jeglicher Hinsicht fassungslos über die gestrigen Vorkommnisse. Zwei Kolleg*innen mussten die Szenerie ansehen. Schlussendlich scheitern die Behörden am Hippokratischen Eid. Die Ärzt*innen, die die Familienmutter behandelten, verweigerten die Übergabe an die Behörden. Auch Vater und Kinder wurden vor der Abschiebung bewahrt.
    https://www.freiepresse.de/chemnitz/geplante-abschiebung-einer-familie-endet-blutig-artikel10256929 (11.07.18)

Hintergrund und Meinung

  • Bernd Kastner von der SZ berichtet über eine sich zunehmend radikalisierende, resignierende oder sich immer weiter politisierende Szene der Unterstützer*innen von Geflüchteten. Von „Fassungslosigkeit“ angesichts der aktuellen Debatten ist die Rede, dass für Wut die Kraft nicht mehr reiche, von einem rigoroser werdenden Denken wenn auch nicht Handeln. Vergleiche zum Faschismus würden schnell über die Lippen kommen oder auch verschriftlicht werden. Denn: man werde nicht ernst genommen. Viele Widrigkeiten seien die Unterstützer*innen gewohnt. Der alltägliche Kampf mit den Behörden, das beharrliche Verweigerung von dem, was allgemein Integration genannt wird, also der Zugang zu Arbeit und Sprachkursen – das würden sie kennen. Aber die Diskursverschiebung nach Rechts treibe einige regelrecht in die „politische Notwehr“, wie Kastner es nennt. Die einen raten Geflüchteten, sich nicht mehr an ihrer Meldeadresse aufzuhalten, andere überlegen, Richter*innen an Verwaltungsgerichten mit in internen Kreisen bekannter AfD-Mitgliedschaft öffentlich zu outen. Was Kastner beobachtet haben will: den Willen, weiterzumachen.
    http://www.sueddeutsche.de/politik/zuwanderung-drei-jahre-danach-1.4053442 (15.07.18)

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