PRESSESPIEGEL ZUR ASYLPOLITIK VON SFR UND RLCL | 25. SEPTEMBER 2018

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 25. September 2018
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • Die US-Regierung senkt die Obergrenze für Geflüchtete von historisch niedrigen 45.000 Aufzunehmenden weiter auf 30.000. Damit ist die Zahl derer gemeint, die über das Kontingentprogramm des UNHCR aufgenommen werden. Darüber hinaus werden derzeit 280.000 Asylanträge in den USA bearbeitet.
    Artikel der SZ (18.09.18).

 

  • Das letzte, Menschen in Seenot rettende Schiff einer NGO im Mittelmeer war die Aquarius. Ihr wurde durch die dortigen Behörden nun die panamaische Zulassung entzogen. Ärzte ohne Grenzen schreiben, dies verurteile hunderte Menschen zu einem nassen Grab. Panamas Regierung beruft sich auf Berichte, dass rechtliche Vorgaben hinsichtlich von Migrant*innen und Fliehenden nicht eingehalten worden seien, die wichtigste Beschwerde käme aus Italien. Der italienische Innenminister Matteo Salvini bestreitet, Druck ausgeübt zu haben. Zum gegebenen Zeitpunkt befinden sich 58 Menschen an Bord der Aquarius, wo sie anlegen können, ist unklar.
    Artikel des Tagesspiegel (24.09.18).

 

  • Am Freitag hat die griechische Regierung damit begonnen, Geflüchtete von den ägäischen Inseln auf das Festland zu tranferieren. In den kommenden zwei Wochen sollen 3.000 Menschen überwechseln dürfen. Nichtstaatliche Organisationen wie die Kommunen auf den Inseln hatten vor „sozialen Explosionen“ gewarnt, die Lager seien überfüllt. Fäkalien würden austreten, die Zahl der Behandlungen von Ärzte ohne Grenzen wegen schwerer psychischer Probleme sei bereits im letzten Jahr um 50 Prozent gestiegen, nun seien es noch mehr, Menschen warteten seit bis zu zwei Jahren auf ihren Bescheid, die Zahl der Selbstmordversuche steige ebenso, selbst sechsjährige Kinder redeten davon, Suizid begehen zu wollen. Insgesamt sind es mehr als 20.000 Menschen, die auf Lesvos, Chios, Samos, Leros und Kos ausharren müssen. Insgesamt liegen die Kapazitäten bei 6.338 Menschen.
    Artikel des Handelsblatts (21.09.18).

 

  • In einem sind sich die EU-Staats- und Regierungschefs einig: die Fluchtbewegungen aus afrikanischen Staaten sollen im Norden des Kontinents gestoppt werden. Zwar habe sich unter den nordafrikanischen Staaten keiner gefunden, der Gefallen an der Idee der „Ausschiffungsplattformen“ gefunden hätte. Für die deutsche Bundeskanzlerin sei das erledigt, andere EU-Regierungen halten offenbar noch daran fest. Beschlossen ist aber nix, in Salzburg fand lediglich ein, so die offizielle Bezeichnung, „informelles Treffen“ statt. Besprochen wurden unter anderem Vorschläge der EU-Kommission. Einer davon: die „Grenzschutzbehörde“ Frontex soll künftig eine Personalstärke von 10.000 und mehr Kompetenzen besitzen. Unter anderem sollen Abschiebungen, auch gegen den Willen der Mitgliedsstaaten, durchgeführt werden können. Auch dies stoße nicht durchgehend auf Begeisterung. Die Deutsche Welle hält fest: „Null Fortschritt […], Streit und Uneinigkeit.“ Angesichts der Dimension von vorgezeichneter Unmenschlichkeit hat das wohl auch etwas Gutes.
    Artikel der Deutschen Welle (20.09.18).

  • Der italienische Innenminister Matteo Salvini hat per Dekret angeordnet, dass das Asylrecht verschärft werde. Unter anderem sollen Asylanträge künftig ausgesetzt werden, wenn Antragsteller*innen als „sozial gefährlich“ eingestuft werden oder in erster Instanz verurteilt sind. Abschiebehaft wird von 90 auf 180 Tage verlängert, der Kreis derer, die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis erhalten sollen, soll eingeschränkt werden. Größere Sammelunterkünfte soll es auch geben, ein Vorschlag, der bei italienischen Bürgermeister*innen auf Ablehnung stößt. In einem Schwung regelt Salvini, dass „Terrorist*innen“ die italienische Staatsbürgerschaft entzogen werden soll – was ein unglaublicher Verstoß gegen Völkerrecht darstellen dürfte und mit Sicherheit keinen Beitrag zur Sicherheit leisten wird. Präsident Sergio Mattarella muss den Dekret noch unterzeichnen, das italienische Parlament muss innerhalb von 60 Tagen zustimmen.
    Artikel von SPON (24.09.18)
    Artikel der Zeit (24.09.18)

Bund, Land, Kommune

  • „Das Integrationsklima hierzulande ist grundsätzlich positiv.“ Zu diesem Schluss kommt das Integrationsbarometer 2018, in Auftrag gegeben vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. 63,8 Prozent der Menschen ohne Migrationsbiographie bewerteten das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft als positiv, 68,9 Prozent waren es bei den Menschen mit Migrationsbiographie. Klar ist, dass alltägliche Kontakte gegebenenfalls vorhandene Skepsis oder Feindseligkeit gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten abbauen. Mehr als die Hälfte der Menschen ohne Migrationsbiographie geht davon aus, dass die aufgenommenen Geflüchteten nicht zu einer höheren Kriminalität führen.
    Artikel der Frankfurter Rundschau (17.09.18).

 

  • Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erweist sich im Politikfeld Flucht und Asyl als Realpolitiker und spricht davon, dass längst nicht alle Menschen abgeschoben werden können, die ausreisepflichtig seien. Es müsse mehr Kraft auf Integration verwendet werden.
    Artikel von SPON (23.09.18).

 

  • Bisher scheitert die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien und inzwischen auch Georgien als „Sichere Herkunftsstaaten“ im Bundesrat. Landesregierungen mit grüner Beteiligung verweigern sich – denn: Menschenrechtsverstöße dort sind bekannt. Über den erneuten Vorstoß der Bundesregierung soll nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen abgestimmt werden.
    Artikel der tagesschau (21.09.18).

 

  • Maaßen, der ehemalige, Fake News verbreitende Verfassungsschützer, darf sich jetzt Sonderbeauftragter im Innenministerium nennen und dort weiterhin zu Flucht und Asyl arbeiten.
    Nachzulesen im Medium der Wahl.

 

  • Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer gibt dem Tagesspiegel ein Interview und gibt dort an, es gebe 24.000 Asylbewerber*innen -von denen- 11.700 vollziehbar ausreisepflichtig sind. Das ist eine in jeglicher Hinsicht falsche Aussage. Zunächst: mit „Asylbewerber*innen“ werden weitläufig Menschen im Asylverfahren bezeichnet. Also die Menschen, die sich gestattet in der Bundesrepublik aufhalten. Von den 11.700 tatsächlich vollziehbar ausreisepflichtigen Personen besitzen weiterhin knapp 9.000 eine Duldung (siehe Drs. 6/13961). Das heißt: sie halten sich rechtmäßig hier auf, ihre Abschiebung ist offiziell ausgesetzt. Außerdem zählen unter die vollziehbar Ausreisepflichtigen nicht nur Geflüchtete, auch andere Menschen wie zum Beispiel Studierende mit abgelaufenen Visa fallen unter die Kategorie.  Die Zahlen hatte Kretschmer am Tag darauf korrigiert, in den einschlägigen, rechtsradikalen Netzwerken verbreiteten sie sich dennoch. Weiterhin ist Kretschmer der Meinung, dass die Zahl der Duldungen „zu hoch“ sei – der sächsische Ministerpräsident stellt demnach infrage, wenn seine Behörden beschließen, dass Menschen aus guten Gründen nicht abzuschieben seien.
    Das Interview mit dem Tagesspiegel (16.09.18).
    Faktencheck der ARD (17.09.18).

 

  • An der Öffentlichkeitsoffensive der sächsischen Staatsregierung im Namen der Unmenschlichkeit beteiligte sich Ende letzter Woche auch Innenminister Roland Wöller. Der hatte ausnahmsweise mal einen Blick in einen Gesetzestext geworfen und festgestellt, dass die EU-Aufnahmerichtlinie in Einzelfällen den Mitgliedsstaaten ermöglicht, Geflüchtete im Asylverfahren zu inhaftieren. Dies zur Feststellung ihrer Identität beziehungsweise Staatsangehörigkeit. Als Beispiel führt Wöller den mutmaßlichen Totschlag aus Chemnitz an. Als Kollektivbestrafung bezeichnete das der SFR, unterstrich, dass Passlosigkeit häufig nicht selbstverschuldet sei und die Leute schon heute dazu verpflichtet seien, an ihrer Identitätsfeststellung mitzuwirken – unter Androhung von ebenso schon heute existierenden Sanktionen. Es sei hinzugefügt, dass kaum ein Mensch vor seiner Flucht nochmal auf’s Amt des Staates, vor dem er flieht, gehe und dort einen Pass beantrage. Auch Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge unterstreichen, wie unnötig Wöllers Vorschlag ist. Von 45.316 im ersten Quartal 2018 überprüften Dokumenten (Dokumente! Nicht Menschen. Ein Mensch kann mehrere Dokumente besitzen!) erwiesen sich 1.071 als ge- oder verfälscht. Das ist eine Quote von gerade einmal 2,36 Prozent. Identitätshaft ist in Deutschland nicht vorgesehen, weswegen Wöller nun laut darüber nachdenkt, im Bundesrat eine Änderung von Asyl- und Aufenthaltsrecht zu initiieren.
    Artikel von MDR Sachsen (21.09.18).

 

  • Der Freistaat komplettiert in Dresden den Schandfleck auf der Hamburger Straße. In der Abschiebungshaft haben die Beamt*innen ihre Arbeit aufgenommen, mit den ersten Inhaftierungen sei in den kommenden Wochen zu rechnen. Außerdem heißt die Erstaufnahmeeinrichtung nun „Ankerzentrum“. Bisher sind dort schon BAMF, Zentrale Ausländerbehörde (also die Abschiebebehörde) und das Gesundheitsamt untergebracht, die Bundespolizei und die Verwaltungsgerichtsbarkeit sollen folgen. Bei letzterer unter einem Dach mit Exekutivbehörden wird sich Sachsen künftig den Vorwurf gefallen lassen, die Gewaltenteilung zu unterminieren.
    Artikel der DNN (21.09.18).
  • „Wenn 6.000 Neonazis und besorgte Bürger hier auf die Straße rennen, dann werden Integrations- und Sicherheitsgipfel abgehalten. Alle wollen Verständnis zeigen und ­irgendwen überzeugen. Wenn wir aber seit Jahren vor den rechten Strukturen in Sachsen warnen, Demonstrationen veranstalten und Aufklärungsarbeit betreiben, bekommen wir de facto null Unterstützung von der Stadt.“ Die taz berichtet über antifaschistische Arbeit in Chemnitz, hier zitiert, Robin Rottloff, Pressesprecher von Chemnitz Nazifrei. Auch Uwe Dziuballa hat viel Aufmerksamkeit erfahren, als er und sein Restaurant „Shalom“ angegriffen wurden. Doch antisemitisch motivierte Gewalt und Drohungen kennt er seit Langem, Unterstützung von Seiten der Polizei vermisse er. Ergreift die Stadt Maßnahmen, um die zu unterstützen, die sich auch auf die Straße stellen, wenn Menschen abseits medialer Aufmerksamkeit zum Ziel von Gewalt und Jagden werden? „„Gar nichts machen die. Die verlassen sich auf uns und darauf, dass wir ein Zeichen setzen. Uns wurde gesagt, dass es leider keine außerplanmäßigen Mittel für unsere Projekte gibt“ so Rottloff. Am 27. August, ein Tag nach den ersten Hetzjagden, beobachtet Rottloff mehrere geflüchtete Familien mit Koffern am Chemnitzer Hauptbahnhof. Er geht auf sie zu und fragt, wohin sie gehen. Sie flohen erneut, weg aus Chemnitz.
    Artikel der taz (23.09.18)
  • Wobei, sie, die Stadt und das Land, machen etwas. Sie gehen in den Dialog mit den besorgten Bürger*innen. Weil, die bereits erneut geflohenen Geflüchteten, die sind ja schon weg und wählen dürfen sie halt auch nicht. Nach Hetzjagden, Mob und gewalttätigen Angriffen auf People of Color, Demonstrant*innen und Journalist*innen am vorvergangenen Monat wurde vorvergangenen Montag ein Bürgerdialog veranstaltet. Daran nahmen neben Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig auch die Minister für Inneres und Justiz, Roland Wöller und Sebastian Gemkow teil. Wöller stellte zwar fest, dass diejenigen, die sich neben Menschen stellten, die Hitlergrüße zeigen, sich auf der falschen Seite befinden würden. Doch dann saß er neben dem ProChemnitz-Chef und Rechtsanwalt Martin Kohlmann an einem Tisch. Der hatte auf Demonstrationen unter anderem verlauten lassen, dass das, was sich in Chemnitz abspiele, nur ein Vorgeschmack auf das Kommende sei, dass sich Geflüchtete „unterwerfen“ sollten und dergleichen. 
    Artikel der Freien Presse (17.09.18)
    Artikel von MDR Sachsen (17.09.18)

 

  • Der Freitag scheint sich in Chemnitz als Tag des Naziaufmarschs einzupegeln. Am vergangenen Freitag wurde im Nachgang der faschistischen Demonstration das Vereinszentrum Rothaus der Linkspartei angegriffen. Den vorvergangenen Freitag wurden Personen festgenommen, die sich selber zu einer „Bürger*innenwehr“ ernannten und die Personalien von Menschen kontrollieren wollten.
    Artikel der Freien Presse (22.09.18)

 

  • In Köthen stirbt ein Mann an Herzversagen. Er war herzkrank, „es hätte bei ihm jederzeit zu einem Herzinfarkt kommen können.“ so der Rechtsmediziner im Nachhinein. Dem Herzversagen voraus war ein Streit gegangen. Zwei der Beteiligten waren afghanischer Staatsbürgerschaft was Anlass zu inzwischen drei Nazi-Demos in der Kleinstadt gab. Gegen sie wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Die AfD übte, wie schon in Chemnitz, den Schulterschluss mit faschistischen Gruppierungen und warf den Ermittlungsbehörden Vertuschung vor. Der AfD-Abgeordnete im Landtag Sachsen-Anhalt, Hannes Loth, nahm seine Pauschalurteile später zurück.
    Übersichtliche Faktendarstellung der Zeit (20.09.18).

Hintergrund und Meinung

  • „Die Abriegelung ist komplett“ titelt die taz im Kommentar von Michael Braun. NGOs könnten oder dürften nicht mehr retten, die italienische Küstenwache beschränke sich allein auf die Koordinierung von Rettungseinsätzen zwischen Libyen und Italien, die libysche „Küstenwache“ greife Fliehende auf und schicke sie zurück in die Gefangenenlager.
    Kommentar der taz (24.09.18).
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