Pressespiegel zur Asylpolitik von SFR und RLCL | 02. Oktober 2018

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 02. Oktober 2018
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • Vergangenen Dienstag schoss die marokkanische Marine auf ein Boot mit Fliehenden. Eine Frau wurde getötet.
    Artikel von SPON.

 

  • Allein vorvergangenes Wochenende erreichten 200 Menschen die griechischen Ägäis-Inseln.
    Meldung von ntv.

 

  • Die 58 Menschen, die sich auf der Aquarius befanden, konnten nach knapp einer Woche am Wochenende in Malta von Bord gehen. Frankreich, Portugal, Spanien und Deutschland erklärten sich zur Aufnahme bereit. Die Aquarius von SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen befindet sich nun auf dem Weg zu ihrem Heimathafen in Marseille. Dies sei notwendig, da „ihre staatenlose Position“ geklärt werden müsse, so die maltesische Regierung. Panama hatte dem Schiff die Flagge entzogen.
    In der Ägäis ertranken derweil fünf Menschen auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland.
    Artikel der DW (30.09.18)

 

  • Bundesinnenminister Horst Seehofer lechzt weiterhin nach einem Abkommen mit dem rechtsradikalen italienischen Innenminister Matteo Salvini. Unbedingt will Seehofer, dass Menschen, die in Italien bereits einen Asylantrag gestellt haben und über die deutsch-österreichische Grenze kommen, innerhalb von 48 Stunden abschieben können. Für diesen in der Zahl der Betroffenen geringen, angesichts einer möglichen Inhaftnahme der Fliehenden aber nicht minder unmenschlichen Preis, will Salvini maßgebliche Verschärfungen in der Asylpolitik erreichen. Die Dublin-Regelungen sollen geändert werden genauso wie die Maßgaben für Schiffe, die Menschen in Seenot retten. Salvini kündigte an, er unterschreibe keine halben Sachen, auf all seine Forderungen müsse eingegangen werden, das Abkommen hänge längst nicht an einer reinen Formalie wie Seehofer es gern darstelle.
    Möge dieses Lehrstück der öffentlichen Demütigung durch Erpressung allen konservativen, dem Staat so sehr verbundenen Politiker*innen eine Lehre sein: mit den Leuten von ganz Rechts ist kein Staat zu machen. Republikanische Gedanken liegen ihnen fern, sie stehen für eine Bewegung, die den Staat fortspülen, seine Gewaltenteilung aushebeln, seine liberalen Freiheitsrechte vernichten und seine Grenzen sprichwörtlich sprengen will. Aber das alles dauert seine Weile und bis es so weit ist, nutzen sie seine Machtinstrumente, seine völkerrechtlich geschlossenen Abkommen und verfassungsrechtlichen Spielregeln, und am Ende auch sein hübsches Gewaltmonopol, gern zum Wohle ihrer Bewegung, aber weder im Sinne des Geimeinwohls noch des Individuums. Wenn ihr, liebe Konservativen, (huhu, Herr Hartmann, it’s SFR callin‘) wenigstens konservativ bleiben würdet, dann wäre das alles zumindest nicht so ein erbärmlich-horstiges Schauspiel.
    Artikel von Zeit Online, (28.09.18)

 

  • Derlei Abkommen hat Seehofer bereits mit Griechenland (in Kraft seit 17. August) und Spanien (seit 15. September) abschließen können. Zwischenbilanz: zwei Abschiebungen von Menschen, die bereits in Griechenland einen Asylantrag gestellt hatten. Keine Abschiebung nach Spanien.  Zur Erinnerung: diese Abkommen sind das Ergebnis des vielleicht vorvorletzten Streits, der fast die Koalition zerrupft hatte.
    Artikel der SZ (27.09.18)

 

  • Die Aquarius war das letzte NGO-Schiff, welches im zentralen Mittelmeer rettete. Die spanische NGO Pro Activa Open Arms kündigte an, dass ihre Astral nun dorthin zurückkehre.
    Artikel von Zeit Online (29.09.18)

Bund, Land, Kommune

  • In Salzgitter in Niedersachsen wurden in einem gestoppten LKW fünf Fliehende gefunden.
    Artikel von NDR.

 

  • Während 43.000 Anfragen für einen Termin zum Familiennachzug bei deutschen Botschaften vorliegen, konnten im August 42 Menschen und in der ersten Septemberhälfte 70 Menschen zu subsidiär Schutzberechtigten nachreisen. Zuletzt war ein monatliches Kontingent von 1.000 Menschen pro Monat ab August 2018 beschlossen worden. Zuvor war der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt gewesen. Kritiker*innen hatten ebendas befürchtet: dass eine bürokratische, selektive Praxis dem Menschenrecht auf Familieneinheit nicht gerecht werde.
    Artikel des tagesspiegel (28.09.18)

 

  • PRO ASYL und Amnesty International sehen die offene und freie Gesellschaft in Gefahr. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Tag des Flüchtlings am 28. September 2018 verdeutlichten sie, dass Internierung, immer härtere Abschiebungen, Akzeptanz von Gefangenenlagern und Sklaverei in Libyen und dem Sterben in Mittelmeer und Wüsten und dergleichen mehr rassistisch motiviert seien. Beide NGOs riefen zur Teilnahme an der #unteilbar – Demo am 13. Oktober in Berlin auf.
    Artikel des migazins (27.09.18)

 

  • Am Donnerstag Nachmittag wird Ahmad H. in seiner Berufsschule in Passau verhaftet. Heute, am 02. Oktober, soll er nach Afghanistan abgeschoben werden, vorher wird er in der Abschiebehaftanstalt Eichstätt eingesperrt. Am Freitag wird er wieder entlassen. Die Ausländerbehörde hätte keine Kenntnisse über die Ausbildungsbemühungen und Integrationsleistungen von Herrn H. gehabt. Der Fall werde eingehend geprüft. Der Bayerische Flüchtlingsrat hatte gemeinsam mit weiteren Unterstützer*innen massiv gegen die drohende Abschiebung protestiert. Er begrüßte die Entlassung als vernünftigen Schritt und wünschte sich, dass derlei Überprüfungen stattfinden, bevor Menschen in Haft kommen.
    Artikel der Passauer Neuen Presse (27.09.18) über die Inhaftierung in der Schule sowie über die Entlassung (28.09.18), PMen des BFR (27.09.18 und 28.09.18).

 

  • Die Fraktion der CDU im sächsischen Landtag hat einen neuen Fraktionsvorsitzenden. Christian Hartmann, vormals innenpolitischer Sprecher der Fraktion, setzte sich gegen den amtierenden Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth durch. Mackenroth kandidierte auf Vorschlag von Ministerpräsident Michael Kretschmer. Hartmann schließt in Interviews eine Koalition mit der AfD nach dem 01. September 2019 nicht aus.
    Artikel von MDR Sachsen (27.09.18)

 

  • Never ending story: Polizei Sachsen übt sich in dumpfen Nazi-„Witzen“, die so dumm sind, dass die Gefährlichkeit einer von rechtsradikalem Gedankengut durchzogenen Polizei ab und an vergessen werden könnte. In dieser Episode: zwei sächsische Beamte sollen Besuch des türkischen Staatspräsidenten mit absichern und geben den Tarnnamen eines der NSU-Terroristen an. Das LKA untersagte ihnen die Durchführung der Dienstgeschäfte und leitete Disziplinarverfahren ein, Innenminister Wöller verurteilte die Handlungen und nannte sie pietätlos gegenüber den Opfern des NSU und ihren Hinterbliebenen. SPD und Grüne forderten die Entlassung der Beamt*innen, von Linken und der FDP wurde die Frage nach einer erforderlichen, stärkeren Sensibilisierung der sächsischen Polizei aufgeworfen.
    Artikel des tagesspiegel (29.09.18), von MDR Sachsen (28.09.18) und der Welt (28.09.18)

 

  • Sechs Rechtsradikale wurden in Bayern und Sachsen von der Bundesanwaltschaft festgenommen. Gegen sie wird wegen Verdachts auf Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung ermittelt. Als Mitte September gegründete Gruppe „Revolution Chemnitz“ sollen sie Anschläge auf PoC und politisch Andersdenkende geplant haben, sie sollen versucht haben, an halbautomatische Waffen zu kommen.
    Artikel von Zeit Online.

 

  • Martin Kohlmann, Geflüchtete vertretender Rechtsanwalt und Mitglied der rechtsradikalen Partei Pro Chemnitz, wurde laut Zeit Online vom Verfassungsschutz beobachtet. Kohlmann habe mit den „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ zusammengearbeitet, eine Gruppe, die an Angriffen au Migrant*innen beteiligt war. Das Verfassen von Reden und Mobilisierungstexten habe er übernommen.
    Artikel von Zeit Online.

Hintergrund und Meinung

  • Die tagesschau berichtet von Lesvos. 9.000 Menschen im für 3.000 Personen ausgelegten Lager Moria, das sind die Zustände. Viele sind inzwischen auf Zelte abseits von Moria ausgewichen. Ein junger afghanischer Vater sucht seit vier Tagen eine*n Frauenärzt*in. Er läuft mit einem Attest herum, auf dem steht, dass seine hochschwangere Frau Blut verliere und sie ihr Kind verlieren könne. „Bitte sofort kontrollieren“ ist vermerkt. Er sucht seit vier Tagen. 400 Menschen wurden seit Beginn eines noch eine Woche laufenden Transfers aufs griechische Festland gebracht.
    Reportage von tagesschau.

 

  • In der Reportage von SPON wird Majids Geschichte erzählt. Er kommt mit 15 Jahren auf Lesvos an und will zu seinem Bruder nach Deutschland. Sein Antrag auf Familienzusammenführung wird immer wieder abgelehnt. Er ist afghanischer Staatsbürgerschaft und hat seine Kindheit im Iran verbracht. Seine Eltern waren wie viele andere bereits aus Afghanistan dorthin geflohen. Die griechische Behörde ist überfordert und schickt das Übernahmeersuchen zu spät nach Deutschland, es gilt eine Frist von drei Monaten. Inzwischen ist Majid volljährig. Er hat noch einen Termin bei der Deutschen Botschaft und die Chance, ein Visum für die Nachreise zu bekommen. Einen Pass und eine übersetzte Geburtsurkunde aus Afghanistan besitzt er nicht. Im schlimmsten Fall könnte er nach Afghanistan abgeschoben werden. Als SPON Mitte September das letzte Mal mit Majid Kontakt aufnahm, war er obdachlos in Athen.
    Reportage von SPON.

 

  • Fünf Mal brennt es ab März 2016 in einem Haus in Döbeln. Immer wird der Keller in Brand gesetzt, vier mal können alle Bewohner*innen entkommen, beim fünften Mal, am 01. März 2017, stirbt Ruth K. Was war kurz vorm ersten Brand passiert? Mehdi G., iranischer Staatsbürgerschaft, war in das Haus gezogen, unter der Skepsis seiner neuen Nachbar*innen. Als es zum ersten Mal brennt, bekommt er den Hass zu spüren, er habe Unfrieden über das Haus gebracht. Als Ruth K. stirbt, hört die Polizei die Telefone im Haus ab. Wie sich herausstellt, hat die Polizei in eine vollkommen falsche Richtung ermittelt. Ein „Täter südländischen Aussehens mit kurzen lockigen Haaren“ hätte nicht gesucht werden dürfen. Ruth K. ist eine von bundesweit 169 Menschen, die seit 1990 von rechtsmotivierten Täter*innen umgebracht worden. Die Zahl entstammt einer Statistik von Zeit Online und Tagesspiegel. Die offiziellen Zahlen: 83. Mehdi G., der immer noch geduldet ist, hat inzwischen ein Arbeitsangebot vom DRK Landesverband, darf es aber in Ermangelung einer Beschäftigungserlaubnis nicht annehmen.
    Reportage von Heike Kleffner in Zeit Online (30.09.18)

 

  • Anna Weissig vom Rosa Linde e.V. aus Leipzig wirft der Ausländerbehörde Leipzig wie der Zentralen Ausländerbehörde Sachsens vor, zwei Menschen trotz psychiatrischen Attests abgeschoben zu haben, in zwei weiteren Fällen sei dies versucht worden. Fachärztliche Gutachten müssten von den Behörden akzeptiert werden. Weissigs NGO berät LGBTIQ-Geflüchtete im Asylverfahren und darüber hinaus. Häufig müssten sich von ihr beratene Menschen in der Anhörung beim BAMF zwangsweise outen, plötzlich über ein Geheimnis sprechen, was lange aus guten Gründen wohl gehütet wurde, nicht wissend, wer der*die Sprachmittler*in sei. Bei der Entscheidung darüber, ob die Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität anerkannt wird, werde häufig nach Klischees entschieden. Spezifische Situationen, wie zum Beispiel heterosexuelle Schutzehen, würden zum Nachteil ausgelegt. Oft werde Antragsteller*innen nicht geglaubt, dass sie beispielsweise lesbisch oder schwul seien. Weissig fordert, dass die besondere Schutzbedürftigkeit von allen Geflüchteten in einem sogenannten Clearing-Verfahren ganz am Anfang des Asylverfahrens festgestellt werde.
    Interview im kreuzer (28.09.18) aus Leipzig.
Teile diesen Beitrag: