Pressespiegel zur Asylpolitik von SFR und RLCL | 09. Oktober 2018

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 09. Oktober 2018
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • Laut der NGO Sea Watch stirbt inzwischen jeder fünfte Fliehende auf dem Mittelmeer und bezieht sich auf Zahlen des Italienischen Instituts für Politische Studien.
    Artikel des tagesspiegel (06.10.18)

 

  • Die Menschen im Lager Moria auf der Insel Lesvos ist überfüllt, mit dem einsetzenden Herbstregen werden die Zelte überflutet. Es ist das dritte Jahr, in dem es der griechischen Regierung nicht gelingt, die Fliehenden wenigstens vor den Witterungen zu schützen. Nun will die Zeitung Fileleftheros enthüllt haben, dass die Gelder der EU-Kommission für das „Management“ der Ankommenden – 561 Millionen für Asylverfahren und „Grenzschutz“, weitere 413 Millionen für Notmaßnahmen im Zeitraum 2014 bis 2020 – vom griechischen Verteidigungsministerium betrügerisch verwendet worden. Mehrere der griechischen Lager befinden sich auf Arealen der Armee. So seien Rechnungen für verschiedene Dienstleistungen aufgebläht worden. Die EU-Behörde zur Betrugsbekämpfung, Olaf, bestätigte, dass sie Prüfungen über Unregelmäßigkeiten und Veruntreuung der Gelder bereits 2017 eingeleitet habe.
    Artikel der NZZ (05.10.18)

 

  • Der marokkanische Außenminister Nasser Bourita lehnt „Asylzentren“ in Marokko ab. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten planen, außerhalb ihrer Grenzen derartige Lager, auch „Ausschiffungsplattformen“ oder „Rückkehrzentren“ genannt, zu errichten. Solche Lager seien kontraproduktiv, daran änderten auch Geldzahlungen nichts, so Bourita. Er wirft der EU vor, keine klare Haltung gegenüber Marokko einzunehmen. „Sind wir echte Partner oder nur ein Nachbar, vor dem man Angst hat?“ fragt er.
    Artikel des MDR (03.10.18)

 

  • Die dänische Regierung hatte bereits seit 2016 keine Fliehenden über Kontingente des UNHCR mehr aufgenommen, dem hat sich nun die österreichische Regierung angeschlossen.
    Artikel des Handelsblatts (04.10.18)

 

  • Am Samstag meldete die dpa, dass bayerische Behörden die Abschiebung mehrer Menschen nach Italien planen. Die Geflüchteten sollen demnach in einem Charterflug in den zuständigen Dublin-III-Mitgliedsstaat gebracht werden. Die Abschiebung solle laut dpa allein von Bayern, also ohne Beteiligung der Bundespolizei, organisiert werden. Sofort ergriff der italienische Innenminister Matteo Salvini seine auf dem Silbertablett präsentierte Chance und profilierte sich wieder als großer Abschottungspolitiker. Er würde die Flughäfen schließen, sollte Bayern diese Pläne tatsächlich umsetzen.
    Artikel der Zeit (07.10.18)

 

  • Domenico Lucano, Bürgermeister von Riace in der Region Kalabrien in Italien, erklärte sein Dorf zur Heimat von Geflüchteten. Leerstehende Häuser wurden Geflüchteten zur Verfügung gestellt, mittels einer Vielzahl von Initiativen das Handwerk und die Landwirtschaft wiederbelebt. Nun ist Lucano festgenommen worden. Ihm wird „Begünstigung illegaler Migration“ vorgeworfen. Die italienische Opposition kritisierte die Kriminalisierung von Integrationsmodellen wie der Solidarität mit Geflüchteten.
    Artikel des kurier (02.10.18)

Bund, Land, Kommune

  • In der Nacht vom 07. Juli 2017 geht Fawad A. mit seinen zwei Cousins durch die Straßen von Torgau. Kurz zuvor waren sie an einer Tankstelle von Jugendlichen rassistisch beleidigt worden. Wenig später treffen sie sie erneut und geraten in eine Auseinandersetzung. Hinzu kommt Kenneth E. und gibt zwei Schüsse ab. Sie treffen Fawad A. in der Brust. Dafür wurde er nun zu 13 Jahren Haft verurteilt, anschließend muss er mit Sicherungsverwahrung rechnen. Als Tat mit rassistischem Motiv wollten von Beginn an weder die Polizei und nun auch das Gericht den versuchten Mord nicht bewertet wissen. Selbst dann nicht, als in seiner Wohnung Abbildungen von Adolf Hitler und Erwin Rommel gefunden wurden. Der Prozess selber sei von einer „Mauer des Schweigens“ umgeben gewesen, so Nebenklagevertreter Jasper Prigge. Zeug*innen widerriefen ihre Aussagen, einige wurden von der Polizei vorgeführt, als sie ihren Ladungen nicht nachkamen, die Tatwaffe tauchte nicht auf. Ein Einbruch in der Wohnung von Kenneth E., während er bereits in Untersuchungshaft saß, gibt in dem Zusammenhang Rätsel auf. Die Polizei ermittelte darüber hinaus ausgesprochen fragwürdig. In der Tatnacht nahm sie weder Hausdurchsuchungen noch Schmauchspuranalysen vor, die Tat erhielt nicht einmal eine eigene Pressemeldung. Juliane Nagel, MdL für DIE LINKE sieht darin den ausbleibenden Lernprozess bei Polizei und Justiz bestätigt. Ein rassistisches Tatmotiv müsste in den Hauptfokus rücken, wenn auf einen Geflüchteten geschossen werde.
    Artikel von jungle world (04.10.18)

 

  • Der Chef des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Hans-Eckhard Sommer hat sich im Innenausschuss des Bundestags dafür ausgesprochen, dass Widerrufsverfahren für anerkannte Geflüchtete erst nach fünf Jahren durchgeführt werden. Bisher sieht es das Asylrecht vor, dass nach drei Jahren überprüft wird, ob sich die Voraussetzungen für den Schutzstatus geändert haben. Das BAMF selber gehe aber davon aus, dass sich nach drei Jahren die Situation im Herkunftsland meist nicht verändert habe. Auch die Fraktion DIE LINKE weist darauf hin, dass von knapp 12.000 Prüfungen nur 1,2 Prozent zum Widerruf des Flüchtlingsstatus führten.  Egal ob nach drei oder fünf Jahren, die Verfahren seien bürokratisch aufwendig, überlasteten das BAMF und würden Geflüchtete verunsichern, so MdB Ulla Jelpke.
    Artikel der Zeit (05.10.18)

 

  • Die Schutzquote für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete sinkt. Im ersten Quartal 2017 lag die Quote für unter 16-jährige bei 92,9 Prozent, im zweiten Quartal 2018 nur noch bei 60,3 Prozent. Das gelte für Unbegleitete afghanischer, syrischer, irakischer und somalischer Staatsbürgerschaft. Bei eritreischen Minderjährigen sei die Quote leicht gestiegen. Die Zahl der Asylanträge dieser Gruppe sinkt ebenfalls – 3.379 Erstanträge waren es im ersten Quartal 2017, 939 im zweiten Quartal 2018.
    Artikel des tagesspiegel (06.10.18)

 

  • Ein „Fachkräftezuwanderungsgesetz“ hat die Große Koalition vergangene Woche beschlossen. Aktiv sollen Menschen geworben werden, nach Deutschland zu kommen und zu bleiben. Auch für Geduldete, die ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind, soll es einen verlässlichen Status im Aufenthaltsrecht geben, der sie vor der Abschiebung bewahrt. Der Begriff „Spurwechsel“ wird dabei vermieden. Außerdem soll die Ausbildungsduldung bundeseinheitlich geregelt werden.
    Artikel des tagesspiegel (04.10.18)

 

  • Die Zahl abgeschobener Menschen nach Algerien, Marokko und Tunesien ist gestiegen. 57 Menschen wurden in 2015 nach Algerien abgeschoben worden, bis Ende August 2018 lag die Zahl in diesem Jahr bei 400. Für Tunesien entwickelten sich die Zahlen von 17 auf 231, für Marokko von 61 auf 476.
    Artikel der SZ.

 

  • Mindestens drei kurdische Geflüchtete sind in der Abschiebehaftanstalt Eichstätt in Bayern in den Hungerstreik getreten. Einer von ihnen sollte letzte Woche nach Dublin-III-Verordnung nach Bulgarien abgeschoben werden. Dies misslang dank der Weigerung des Piloten. Währenddessen ist den Anwält*innen der Inhaftierten die Kommunikation mit ihren Mandant*innen erschwert worden. Es sei beispielsweise nicht Aufgabe der Anstaltsleitung, Vollmachten weiterzureichen und zurückzusenden. Somit müssten die Anwält*innen weite Wege nach Eichstätt zurücklegen um auch nur die Vertretung ihrer Mandant*innen zu bestätigen. Zudem sind Telefongespräche nicht mehr möglich.
    Artikel der SZ (04.10.18)

 

  • Nachdem sechs mutmaßliche Terrorist*innen der erst im September gegründeteten Zelle „Revolution Chemnitz“ festgenommen worden sind, kündigte der sächsische Innenminister Roland Wöller an, eine Task Force gegen Rechtsradikalismus gründen zu wollen. Kerstin Köditz, MdL für DIE LINKE, weist darauf hin, dass die Gruppe „Revolution Chemnitz“ ihre Ursprünge bereits in der ab 2006 in Mittweida aktiven Vereinigung „Sturm 34“ habe. Nach ihrem Verbot sei sich nicht weiter damit beschäftigt worden, was die involvierten Personen weiterhin getrieben hätten. Hinweise habe es gegeben, so zum Beispiel eine seit fünf Jahren existierende Facebookseite mit dem Namen „Revolution Chemnitz“. Das Logo: eine 34 in Anlehnung an „Sturm 34“. Die Seite selber wiederum: betrieben von der Gruppe „Nationale Sozialisten Chemnitz“, eine seit 2014 verbotene Gruppierung. Valentin Lippmann von Bündnis 90/ Die Grünen sieht zudem einen unangebrachten, politischen Aktivismus bei den Regierenden am Werk. Die Personen von „Revolution Chemnitz“ waren bereits am 14. September in Chemnitz als selbsternannte Bürgerwehr aufgetreten. Dort wurde auch das Handy eines der Festgenommenen sichergestellt, aus dessen Daten sich Hinweise für die Bildung einer terroristischen Vereinigung ergaben. Die folgende Anklage im Schnellverfahren lautete auf Landfriedensbruch. Lippmann ist froh darüber, dass das Gericht das Schnellverfahren abgelehnt habe, so sei es möglich gewesen, die Mitglieder wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung anzuklagen. „Sorgfalt gehe vor Schnelligkeit.“ so Lippmann.
    Artikel der Freien Presse (01.10.18)
    Artikel des MDR (03.10.18)

Hintergrund und Meinung

  • Ihre Statements im MDR untermauert Kerstin Köditz im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Tom W. von Sturm 34 war beispielsweise wegen brutaler Schläge gegen den Kopf eines Mannes angeklagt worden und sei mit einer Bewährungsstrafe aus dem Verfahren gekommen – ein Triumph für die Szene. Köditz geht von personellen Überschneidungen seit mehreren Generationen aus, ideologisches Handwerkszeug werde weitergegeben, neue Formen der Vernetzung, zum Beispiel über die sozialen Medien, fänden statt, eine Person könne auch mal in drei Gruppen aktiv sein. Das hätten die Sicherheitsbehörden aber nicht auf dem Schirm, die würden nach wie vor davon ausgehen, zu beobachtende Gruppierungen ließen sich im Vereinsregister finden. Dabei sei das nicht hinzunehmen, schließlich hätte der NSU-Untersuchungsausschuss bereits 2012 eine mangelhafte Analysefähigkeit bei Rechtsradikalismus festgestellt.
    Interview in der Frankfurter Rundschau.

 

  • Eine humanitäre, politische und moralische Bankrotterklärung habe sich die EU geleistet, als sie schlussendlich die zentrale Mittelmeerroute schloss. Die „Opfer Europas“ seien nun aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit entfernt worden, Folter, Tod und Elend könnten nun in Libyen totgeschwiegen werden, kommentiert Heiko Hoffmann, langjähriger Sprecher von PRO ASYL in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau. Die Räson von „innerer Sicherheit“ und „Grenzschutz“ vergesse, dass Flüchtlings- und Menschenrechtsschutz die überzeugendsten Antworten auf Terror und Unmenschlichkeit sind, dass Aggression nach außen und Repression nach innen sich wechselseitig bedingen. „Inhumanität nach außen ebnet den Weg zur Inhumanität nach innen.“
    Kommentar in der Frankfurter Rundschau (02.10.18)
Teile diesen Beitrag: