PRESSESPIEGEL ZUR ASYLPOLITIK VON SFR UND RLCL | 20. NOVEMBER 2018

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 20. November 2018
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • Mindestens 79 Menschen befanden sich auf einem Frachtschiff vor der libyschen Stadt Misrata. Sie waren auf ihrer Flucht gerettet worden, sollten nun aber wieder nach Libyen zurückgeschifft werden. Sie weigerten sich, an Land zu gehen. Sie befürchten Inhaftierung, Folter und Zwangsarbeit.
    Die Zeit (15.11.18)
    Die Zeit (16.11.18)

 

  • US-Präsident Donald Trump hatte per Erlass angeordnet, dass Fliehende nur noch Asyl beantragen dürfen, wenn sie über einen offiziellen Grenzübergang einreisen. Das sah Bundesrichter Jon Tigar aus San Francisco anders und erließ eine einstweilige Verfügung gegen Trumps Erlass. Damit wurde nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen geltendes US-Recht wiederhergestellt. Hintergrund sind etwa 9.000 Menschen in mehreren Gruppen, die sich durch Mexiko fliehend auf den Weg in Richtung US-amerikanische Grenze begeben hatten. 3.200 von ihnen haben inzwischen Asyl in Mexiko beantragt. Weitere befinden sich derzeit kurz vor ihrem ursprünglichen Ziel. Etwa 2.000 haben bereits die Grenzstadt Tijuana erreicht. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt San Diego. Einige der Menschen bewerben sich für einen Termin bei den US-Behörden, um Asyl zu beantragen. Mexikanische Behörden befürchten, dass der Geduldsfaden reißen könnte und einige gewaltsam versuchen werden, die Grenze zu durchbrechen. 20 Personen versuchten dies bereits vergangene Woche. US-Präsident Donald Trump hatte Soldat*innen an die Grenze verlegen lassen.
    SPON (07.11.18)
    Die Zeit (09.11.18)
    SZ (14.11.18)
    SPON (17.11.8)
    Die Zeit (20.11.18)

 

  • Der UN-Migrationspakt soll Standards bei der Versorgung von Fliehenden und Migrant*innen definieren. Staaten, die unterhalb dieser Standards bleiben, sollen demnach angehalten sein, ihre nationale Gesetzgebung entsprechend anzupassen. Sanktionsmechanismen sind nicht vorgesehen, die Bundesrepublik Deutschland dürfte argumentieren können, die meisten Standards trotz Minimalregelungen wie dem Asylbewerberleistungsgesetz nachzukommen. Dennoch wird er von Faschist*innen bis zu Nationalkonservativen zur Bedrohung stilisiert. Fakten und Antworten hat die dpa zusammengetragen.
    Wiedergegeben in MDR aktuell (19.11.18)

 

  • Die EU-Kommission übt Druck auf Spanien aus, seine Grenzen stärker zu kontrollieren. Die Kommission will Ausbildungs- und Ausrüstungsdefizite bei spanischen Beamt*innen und eine fehlende Infrastruktur bei der Registrierung ankommender Fliehender festgestellt haben. Es fehle an Geräten zur Abnahme von Fingerabdrücken, der Austausch von Informationen und Risikoanalysen zwischen den Behörden funktioniere nicht. Spanien bekam drei Monate Zeit, die Mängel abzustellen. Immer mehr Menschen kamen zuletzt in Spanien über die westliche Mittelmeerroute an. Bis Anfang letzter Woche waren das 55.000 Menschen in diesem Jahr.
    tagesschau (13.11.18)

Bund, Land, Kommune

  • Seit dem 01. August 2018 können subsidiär Schutzberechtigte in Deutschland ihre Familien wieder nachholen – so lang das monatliche Kontingent von 1.000 Personen nicht erfüllt ist. Zwei Jahre lang war der Nachzug ausgesetzt gewesen. Doch nicht einmal 1.000 kommen pro Monat. In den drei Monaten von August bis Oktober wurden lediglich 953 Anträge bewilligt. Drei Behörden – die Botschaft an dem Ort, wo sich die Familie aufhält, die zuständige Ausländerbehörde des sich bereits in Deutschland befindlichen Familienmitglieds sowie zum Schluss das Bundesverwaltungsamt – entscheiden darüber. PRO ASYL sieht seine im Vorfeld angebrachte Kritik bestätigt, dass die Ämter nicht hinterherkommen würden. Allein in den Botschaften in der Türkei, im Irak, in Jordanien und dem Libanon haben sch 28.000 Terminanfragen von Familien angesammelt.  Bis Dezember ist nun zunächst Zeit, den Rückstand aus den ersten drei Monaten aufzuholen, danach erlöschen die Kapazitäten. PRO ASYL fordert, die Kontingentlösung aufzugeben. Allen Geflüchteten solle wieder ein Zusammenleben mit den Angehörigen ermöglicht werden.
    BZ (09.11.18)

 

  • Der Bundestag hat beschlossen, dass für Widerrufs- und Rücknahmeverfahren im Asylgesetz künftig eine Mitwirkungspflicht gelte. Bedeutet, wenn die Aufenthaltserlaubnis, zum Beispiel bei Flüchtlingsanerkennung nach drei Jahren, abläuft und sich die Frage der Verlängerung stellt, müssen Geflüchtete mitwirken, im Zweifel also vorm BAMF erscheinen. Der Verwaltungsaufwand dürfte sich damit weiter erhöhen, für das BAMF wie im Falle des negativen Ausgangs, für Gerichte.
    SPON (09.11.18)

 

  • Das Bundesinnenministerium hat angekündigt, eine gesetzliche Meldepflicht für vollziehbar ausreisepflichtige Menschen in Sammelunterkünften fest etablieren zu wollen. Zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens sollen die Leute sich abmelden müssen, wenn sie die Unterkunft verlassen. Wenn das nicht erfolge, könne Abschiebehaft angeordnet werden. Außerdem sollte Post nach diesen Plänen nur noch mit einer Chipkarte abgeholt werden können, so könne nachvollzogen werden, wann Menschen einen negativen Bescheid erhalten haben. Außerdem möchte das Innenministerium „no-name-Buchungen“ bei Fluggesellschaften durchführen können. Wird ein abzuschiebender Mensch nicht angetroffen, könnte so eine andere Person seinen Platz einnehmen.
    Die Zeit (18.11.18)

 

  • Außerdem hat sich der bayerische Innenminister Joachim Hermann erneut Abschiebungen nach Syrien gewünscht. Ähnlich äußerten sich seine Kollegen aus Niedersachsen und Sachsen. Das Auswärtige Amt warnt dagegen in einem Lagebericht davor. In keinem Teil Syriens bestehe langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen, so das Amt. Rückkehrer*innen würden als Verräter*innen eingestuft, ihnen drohe Haft und Folter. Möglichkeiten, den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, bestünden kaum, die medizinische Situation sei eingeschränkt, Luftangriffe und Terroranschläge drohten. Bundesinnenminister Horst Seehofer will dennoch prüfen, ob sich Abschiebungen realisieren ließen.
    Die Zeit (19.11.18)

 

  • In Siegen in NRW hat der Prozess gegen die 30 Tatverdächtigen begonnen, denen vorgeworfen wird, Geflüchtete in einer Sammelunterkunft in Burbach zwischen Herbst 2013 bis Herbst 2014 misshandelt wenn nicht gefoltert zu haben. Der Vorwurf lautet auf Körperverletzung, Nötigung, Diebstahl und Freiheitsberaubung in 54 Fällen. In der Unterkunft solle es ein „Problemzimmer“ gegeben haben, in dem Menschen über mehrere Tage gefesselt, geschlagen, bespuckt und angeschrien worden sein. Die mutmaßlichen Taten der Security-Mitarbeiter*innen sollen unter Billigung des Betreibers „European Homecare“, der Sozialarbeit sowie zwei Mitarbeiter*innen der Bezirksregierung Arnsberg geschehen sein. European Homecare wurde daraufhin die Verantwortung für die Unterkunft entzogen, dennoch betreibt es nach wie vor Unterkünfte, unter anderem in den Erstaufnahmeeinrichtungen am Standort Dresden. Den Zuschlag hatte das Unternehmen im Sommer 2017 erhalten.
    Ein weiterer Skandal stellt die Abschiebehaftanstalt Büren, das größte Gefängnis seiner Art mit 140 Haftplätzen, derzeit auf 175 erweitert, dar. Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hatte nach einem unangekündigten Besuch Maßnahmen wie Einzelhaft, Kameraüberwachung und Entkleidung bei der Ankunft kritisiert. Das Land will derweil das Abschiebehaftvollzugsgesetz reformieren. Demnach solle es eine einwöchige Zugangsuntersuchung geben, in der die Gefangenen keinen Kontakt zu Menschenrechtsorganisationen und Anwält*innen aufnehmen dürfen sollen. Frank Gockel vom Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. kritisiert das scharf. Es bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesnovelle.
    ND (08.11.18)

 

  • Am Dienstag vergangener Woche hob am Flughafen Leipzig/ Halle ein Flieger mit 42 Menschen ab, die nach Afghanistan abgeschoben wurden. Drei von ihnen kamen aus Sachsen, erklärte das Sächsische Staatsministerium des Inneren auf Anfrage des SFR. Die drei Betroffenen kamen aus Mittelsachsen, Zwickau und Chemnitz und fielen nicht unter die Kategorien der Straftäter*innen, „Gefährder*innen“ und/ oder „Identitätsverweiger*innen“. Seit Oktober 2017 beteiligt sich Sachsen an den seit Dezember 2016 laufenden Abschiebungen nach Afghanistan. Bisher wurden damit zehn Personen aus Sachsen abgeschoben, darunter sechs, die unter keine der drei Kategorien fallen, die Abschiebungen in ein Kriegsgebiet legitimieren sollen. Vier Personen wurden aus einer Justizvollzugsanstalt abgeschoben. Neben Sachsen beteiligten sich Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Sachsen-Anhalt an den Abschiebungen. Von den 42 Menschen seien zehn aus der Haft abgeschoben worden, so eine Sprecherin des Bundesministeriums des Inneren. Gegen die Abschiebung protestierte das Aktionsnetzwerk Protest LEJ zunächst vorm Hauptbahnhof in Leipzig. Etwa 200 Menschen fuhren anschließend zum Flughafen und setzten die Demonstration dort fort. Dass nach wie vor nach Afghanistan abgeschoben wird, sei ein Schönreden der dortigen Sicherheitslage, so Yasou Akeda von Protest LEJ. Diese Auffassung wird durch die Richtlinien des UNHCR zur Feststellung internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender unterstrichen. Die überarbeitete Version wurde Ende August veröffentlicht. Unter anderem wurde der Auffassung, dass Kabul eine inländische Fluchtalternative darstelle, ein erheblicher Schlag versetzt. Finnland stoppte auf Grund dessen die Abschiebungen nach Afghanistan.
    SPON (14.11.18)
    LVZ (14.11.18)

 

  • Auch diese Abschiebung nach Afghanistan blieb unbeobachtet. Denn am Flughafen Leipzig/ Halle existiert keine Abschiebungsbeobachtung. Gemeinsam mit zahlreichen Initiativen forderten wir diese ein und verdeutlichten mit dem Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V., der Gefangenengewerkschaft / Bundesweite Organisation und dem Aktionsnetzwerk Protest LEJ die Dringlichkeit einer Beobachtungsstelle auf einer Pressekonferenz am selben Tag der Abschiebung (PM mit Statements von der PK). Das sächsische Innenministerium bleibt derweil bei seiner Haltung, dass die Flughafenseelsorge dem Job der Abschiebungsbeobachtung nachkomme. Eine Haltung, die durch eine auf der Pressekonferenz veröffentlichten Stellungnahme so nicht mehr haltbar ist. Dalia Höhne, Abschiebebeobachterin in Düsseldorf führt dort klar und deutlich aus, dass Abschiebungsbeobachtung einen grundsätzlich anderen Job als Flughafenseelsorge habe.
    Interview mit mephisto 97.6 (13.11.18)
    SZ (13.11.18)
    Migazin (14.11.18)
    FAZ (14.11.18)

Hintergrund & Meinung

  • Media Yousef, syrischer Staatsbürgerschaft und nach Deutschland geflohen, wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstellt, dass sie bereits einen Schutzstatus in Bulgarien erhalten habe. Dies habe die Behörde nicht ausreichend nachgewiesen, urteilt das Verwaltungsgericht und hebt den Bescheid auf. Nach der erneuten Anhörung lehnt das BAMF den Antrag von Media Yousef erneut ab. Mit derselben Begründung. Gegenüber der taz erklärt Richter Renner, der zweimal über dieselbe Begründung zum selben Fall entscheiden musste, dass die Exekutive die Judikative zunehmend unter Druck setze. Indem Urteile einfach missachtet werden würden. Außerdem kritisiert er, dass das BAMF in Gerichtsverfahren so gut wie nie Prozessbevollmächtigte entsende. Bei Media Yousef ist das anders gelaufen. Ein BAMF-Vertreter erscheint im Gerichtssaal. Überhaupt erst dadurch ist eine Einigung vor Ort möglich. Das BAMF verspricht, Media Yousef den subsidiären Schutzstatus zuzusprechen, was sie akzeptiert, wofür die Klage zurückgezogen wird.
    taz (03.11.18)
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