Pressespiegel zur Asylpolitik vom 22. Januar 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de
Geschehenes – Kurzmeldungen
Blick nach Europa und die Welt
- 173 Menschen sind am Wochenende im Mittelmeer ertrunken. Zwischen Marokko und Spanien starben 53 Menschen, 120 sank 50 Seemeilen vor Libyen. Drei Menschen konnten gerettet und nach Lampedusa verbracht werden. Die Sea Watch 3 hat derweil 47 Menschen am Wochenende aufgenommen und sucht nun wieder einen Hafen.
SZ (20.01.19)
- Mindestens 40 LGBTIQ-Menschen wurden seit Dezember in Tschetschenien in Russland eingesperrt und gefoltert, mindestens zwei sollen bereits an den Folgen gestorben sein. Die EU fordert schnelle, umfassende und transparente Untersuchungen, die Regierungen Deutschlands und Frankreichs zeigen sich tief besorgt.
tagesspiegel (18.01.19)
- Der österreichische Innenminister Hermann Kickl nimmt eine Abschiebung, bei der ein Dreijähriger von seiner schwangeren Mutter getrennt wurde, nicht zum Anlass, über Humanität nachzudenken. Nein, er schlägt alle Forderungen – ob von der Vorarlberger Landesregierung nach Mitsprache beim humanitären Bleiberecht, von der Vorarlberger Wirtschaftskammer nach Schutz von abgelehnten Asylantragsteller*innen in Lehre vor Abschiebung, ob von Kirche oder gar aus der Vorarlberger ÖVP – aus. Aufenthaltserlaubnisse sollen auch bei minder schweren Straftatsbeständen aberkannt werden, Abschiebungen nach Syrien sollen bei Straftäter*innen möglich sein. Das Asylrecht will er dafür ändern.
Der Standard (17.01.19)
Bund, Land, Kommune
- Vergangene Woche beschloss der Bundestag, dass Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als „Sichere Herkunftsstaaten“ gelten sollen. Wenn der Bundesrat zustimmen sollte, würde Geflüchteten aus diesen Ländern minderer Rechtsschutz und eine pauschale Bewertung ihres Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ drohen. Damit der Bundesrat zustimmt, braucht es zwei Bundesländer, bei denen die Grünen an der Landesregierung beteiligt sind. Im Bundestag hatte die Fraktion gemeinsam mit der Linken dagegen gestimmt. Bundesinnenminister Horst Seehofer erdreistet sich derweil zu behaupten, dass durch die Einstufung der Westbalkanstaaten als „sicher“ nicht eine einzige soziale Härte entstanden sei. Eine unglaubliche Frechheit im Angesicht der vielen dokumentierten Fälle von Menschen, die krank, von den Jugoslawienkriegen und ihren Folgen versehrt, nach Jahren in Deutschland, abgeschoben wurden.
tagesschau (18.01.19)
- Weiterhin möchte Seehofer die Abschiebehaft verschärfen. Unter anderem will er Menschen die Freiheit entziehen lassen, ohne das ein*e Richter*in darüber befunden hat. „Glatt verfassungswidrig“, nennt das Rechtsanwalt Peter Fahlbusch. Außerdem sollen Menschen in Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten eingesperrt werden – was wiederum ein Verstoß gegen EU-Recht ist. Bundesjustizministerin Katarina Barley beharrt auf dem Trennungsgebot zur Strafhaft und lehnt Seehofers Pläne ab. Vieles von den Regelungen, die das Bundesinnenministerium derzeit plane einzuführen, gebe es schon, der Recht sei illegal, so Fahlbusch. Als „reine Show für die Öffentlichkeit“ beurteilt er Seehofers Vorhaben.
taz (18.01.19)
Handelsblatt (20.01.19)
- Von Januar bis November 2018 sind laut Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 15.089 Menschen „freiwillig ausgereist.“ Im Jahr 2017 waren es 29.522, im Jahr 2016 54.006 Menschen.
SPON (14.01.19)
- Die neu konstituierte, hessische Landesregierung aus CDU und Grünen hat sich darauf geeinigt, dass alle geflüchteten Menschen unabhängig vom Herkunftsland schnell auf die Kommunen verteilt werden. Der Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung soll so kurz wie möglich sein. Hessen erteilt damit Seehofers „Ankerzentren“ eine Absage. Was progressiv klingt, hat allerdings einen Haken. Denn, wer Straftaten begeht oder auf andere Weise „den Zusammenhalt gefährdet“, muss wieder zurück in die Erstaufnahme. Offensichtlich ist das eine schwammige Regelung, die Willkür Raum bietet.
FAZ (21.01.19)
- Im Dresdner Abschiebeknast wurde vorvergangene Woche ein Mensch eingeliefert, der bald zum zweiten Mal Vater wird. Kurz nach seiner Ankunft in Dresden verweigerte er die Nahrungsaufnahme, seit letzter Woche Montag befindet er sich im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt. Inzwischen wird er zwangsernährt. Die Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden, der Anwalt und die Frau des Inhaftierten versuchen eine Lösung zu finden, der Ausgang ist ungewiss.
Beide Links leider mit Paywall:
Sächsische Zeitung (17.01.19)
Sächsische Zeitung (21.01.19)
- Zwei Sammelabschiebungen mussten vergangene Woche am Flughafen Leipzig/ Halle verzeichnet werden. Am Mittwoch waren es 18 Personen, die nach Tunesien abgeschoben wurden, am Donnerstag traf es 62 Menschen, die sich in Georgien wiederfanden. 26 von ihnen kamen aus Sachsen.
TAG 24 (17.01.19)
Hintergrund & Meinung
- Der Fall einer kranken, schwangeren Frau aus dem Kreis Mainz-Bingen, die aus dem Krankenhaus abgeschoben werden soll, hatte im Oktober 2018 für Aufsehen gesorgt. Solche Fälle häufen sich. Ärzt*innen geraten unter Druck, das Krankenhaus ist kein geschützter Ort mehr. Behörden kaufen sich dabei willige Ärzt*innen ein, die keine Nachfragen stellen und den Abschiebeprozess begleiten, ohne auf Menschenrechte zu achten. Eine weitere Frau, die schwanger abgeschoben wurde, hatte vier Tage nach Ankunft in Italien eine Fehlgeburt. Der fünf Monate alte, tote Fötus wird auf einer verdreckten Toilette in einem italienischen Camp geboren.
WDR Monitor (17.01.19)
- „Danke Antifa“, sagt Lalon Sander in der taz. Am 25. Oktober 2010 wird Kamal K. in Leipzig ermordet. Unzählige andere Geschichten von rassistischer Gewalt und rassistischen Morden existierten. Wer „Keine Gewalt“ rufe um gegen Rechtsradikale zu protestieren, verkenne das. Es gibt Menschen, so wie Sander, die stellen sich darauf ein, Ziel rechtsradikaler Gwalt zu sein. „Schon deshalb ist „Keine Gewalt“ eine absurde Parole – ich musste mich immer wieder mit der Gewalt beschäftigen. Sie war immer da, zumindest als mögliches Schicksal.“ Schutz habe damals nicht die Polizei versprochen. Was Sander während seiner Zeit in Leipzig geholfen habe: Gewalt beziehungsweise die Androhung von Gewalt durch Antifaschist*innen.
taz (15.01.19)
- Abschiebungshaft führt zu mehr Abschiebungen – erzählen Politiker*innen gern, die kein Problem damit haben, wenn unschuldige Menschen hinter Gittern sitzen. Die Aussage stimmt jedoch nicht. Während sich beispielsweise in Bayern die Zahl der Inhaftnahmen von 2016 auf 2017 mehr als verdoppelte, von 403 auf 898, stieg die Zahl der Abschiebungen aus der Haft lediglich um 56 Prozent auf 334. Das vielbeschworene Bild des „untergetauchten Geflüchteten“ ist nicht ohne Weiteres haltbar, meint auch Galina Cornelisse von der Freien Universität Amsterdam. Abschiebungshaft ändere wenig an zwischenstaatlicher Zusammenarbeit. Der Schluss: Abschiebungshaft ist nicht effektiv, und, so auch Michael Flynn, Geschäftsführer des Global Detention Projects, massiv belastend. In physischer und psychischer Weise. Mindestens 64 Menschen haben nach Angaben der Antirassistischen Initiative Berlin Selbstmord in Abschiebungshaft begangen.
Mediendienst Integration (14.01.19)