Pressespiegel zur Asylpolitik vom 20. März 2019

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 20. März 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • „Der Rassismus von Christchurch ist überall“ titelt die Deutsche Welle. Der Terrorist, der in einer Moschee in Christchurch 50 Menschen ermordete, bespielt mit seiner menschenverachtenden Ideologie dieselbe Klaviatur wie beispielsweise die Identitäre Bewegung in Deutschland. Heißt im Umkehrschluss: die Gefahr, die von Rassist*innen ausgeht, ist überall.
    Die ersten Opfer des Anschlags wurden derweil in Christchurch beigesetzt, 29 Menschen werden noch in Krankenhäusern behandelt, acht befinden sich in einem kritischen Zustand.
    DW (20.03.19)
    tagesschau (20.03.19)

 

  • Auf der dritten Syrien-Geberkonferenz hat die internationale Staatengemeinschaft etwa 6,2 Milliarden Euro für Betroffene des Krieges und die Aufnahmeländer in Nachbarschaft zu Syrien für das Jahr 2018 zugesagt. Weitere 2,1 Milliarden Euro wurden bereits für 2020 zugesichert. In Syrien wird das Geld für humanitäre Hilfe ausgegeben, in den Nachbarländern für Entwicklungshilfe. Weitere 1,5 Milliarden werden von der EU an die Türkei gemäß des gemeinsamen Deals, der Menschen vom Weiterfliehen abhalten soll, fließen. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will derweil die Rückkehr von Menschen nach Syrien organisieren. Um ihre Sicherheit zu garantieren, setzt er sich auch für Gespräche mit dem Assad-Regime ein. Die Grünen und zahlreiche Hilfsorganisationen machen jedoch deutlich, dass der Krieg nicht vorbei sei und die Macht des Assad-Regimes die Rückkehr der Geflüchteten und den Wiederaufbau des Landes verhindere. Die Hilfsorganisationen fordern deswegen, dass über Geldzahlungen hinaus die Geberländer sich zur Aufnahme von Fliehenden verpflichten müssen. Dies war jedoch kein Thema auf der Konferenz.
    Migazin (15.03.19)

 

  • Etwa 50 Menschen wurden vor der libyschen Küste vom italienischen Schiff „Mare Jonio“ der NGO Mediterranea gerettet. Zunächst verweigerte Innenminister Matteo Salvini das Anlegen in Italien.
    DLF (19.03.19)

 

  • Die Zahl der Asylanträge in allen EU-Mitgliedsstaaaten lag 2018 bei 580.800 und war damit 11 Prozent niedriger als im Vorjahr. 2014 war die Zahl ähnlich hoch. Hauptherkunftsländer waren Syrien, Afghanistan und der Irak. Ein Viertel der Anträge wurde in Deutschland gestellt, darauf folgen Frankfreich, Griechenland, Spanien, Italien und Großbritannien. Im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße verzeichnete Zypern die höchste Quote (8.805 Anträge Geflüchteter pro 1 Million Einwohner*innen), danach folgt Griechenland (6.051).
    Zeit (14.03.19)

 

  • Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Urteilen klargestellt, dass Abschiebungen zwischen EU-Ländern nicht durchgeführt werden dürfen, wenn menschenunwürdige Behandlung droht. Jedoch: wenn allein Obdachlosigkeit, wie in Italien, befürchtet werde, dann genüge das nicht, um eine Überstellung aussetzen zu können. „Extreme Armut“ schütze nicht, sondern erst, wenn „extreme materielle Not“ für Schutzsuchende in einem EU-Mitgliedsstaat herrsche. Grundsätzlich gelte der „Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens“ unter den EU-Ländern, also dass alle Staaten im Einklang mit Menschenrechten und Grundrechtecharte agieren. Constantin Hruschka sieht zumindest eine Verbesserung in dem Urteil. Gerichte müssen nun die Lebensbedingungen im Zielstaat der EU-internen Abschiebung prüfen. Bisher kam es immer wieder vor, dass einige Gerichte diese Prüfung als hypothetisch abgelehnt hätten. Der EuGH hatte unterstrichen, dass logisch auch hier die Menschenwürde eine Rolle spiele.
    SZ (19.03.19)

 

  • Bundesinnenminister Horst Seehofer hat angekündigt, die Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze erneut verlängern zu wollen. Damit stellt er sich gegen die EU-Kommission, die von Deutschland, Österreich, Frankreich und Dänemark verlangt hatte, die Binnenkontrollen aufzuheben, die Außengrenzen seien inzwischen vor Fliehenden zur Genüge abgeschottet.
    SPON (13.03.19)

Bund, Land, Kommune

  • Heute morgen landete in Kabul der 22. Abschiebeflug nach Afghanistan. Wie sich gestern herausstellte, wurde diesmal ab Leipzig/ Halle abgeschoben. „Weniger als 30“ Menschen hätten sich an Bord befunden. In Nürnberg rastete die Polizei vollkommen aus. Um einen Schüler abzuschieben, der vor den Abschiebebehörden floh (Vermutung: er wollte nicht in den Krieg zurück), rückten SEK und USK an. Nach unseren Informationen hat Sachsen mindestens eine Person abgeschoben, sie kommt aus Chemnitz.
    SPON (20.03.19)
    Nordbayern (19.03.19)
    LIZ (19.03.19)

 

  • Knapp 2.000 Straftaten richteten sich im vergangenen Jahr gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte. In 1.775 Fällen wurden geflüchtete Personen direkt beleidigt oder angegriffen. Das Spektrum der Straftaten reicht von Beleidigung und Sachbeschädigung über gefährliche Körperverletzung bis hin zu versuchtem Mord. 173 Straftaten zielten auf Unterkünfte. Insgesamt wurden 315 Menschen verletzt. Mit mehr als fünf Straftaten pro Tag ist das Gewaltpotential damit unverändert hoch, auch wenn die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren gesunken sind. Im Jahr 2017 waren es 1.930 Angriffe auf geflüchtete Personen und 312 gegen Unterkünfte, in 2016 2.561 Straftaten gegen Personen, 995 gegen Unterkünfte. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, sieht die Verantwortung klar bei AfD und rassistischen Gruppierungen, aber auch bei CDU und CSU. Sie würden keine Gelegenheit auslassen, Schutzsuchende als Kriminelle darzustellen und Migration zu dämonisieren.
    Tagesspiegel (16.03.19)

 

  • Die Pauschale für Menschen im Asylverfahren, die Übernahme der Kosten der Unterbringung für anerkannte Geflüchtete, die Integrationspauschale – der Bund unterstützt Bund und Länder über mehrere Finanzinstrumente, die jedoch Ende 2019 auslaufen. SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat nun angekündigt, anstelle dieser Mittel eine Pauschale pro geflüchteter Person für die ersten fünf Jahre nach der Ankunft. Beispiel Hamburg: der Stadtstaat würde künftig 1,3 Milliarden, nicht mehr 4,7 Milliarden Euro pro Jahr zahlen. Ministerpräsident*innen und Kommunalverbände kritisieren den Plan heftig. Integrationserfolge würden so gefährdet, die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten der Kürzungen würden die kurzfristigen Einsparungseffekte übersteigen, verschuldete Kommunen dürften nicht alleingelassen werden. Armin Laschet, Ministerpräsident NRW, wirft Scholz vor, er provoziere Steuererhöhungen in den Kommunen und zündele damit.
    tagesschau (19.03.19)

 

  • Annette Widmann-Mauz, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, spricht sich in einem Schreiben an Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dafür aus, Integrationskurse für alle Geflüchteten, unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status, zu öffnen. Da eine Vielzahl der Menschen auf lange Sicht hier bleiben werde, erachte sie es als notwendig, den Zugang zu Sprache und Ausbildungsförderung zu ermöglichen.
    DW (13.03.19)

 

  • In der Funkkaserne bei München wurde ein Lager namens „Ankerzentrum“ eingerichtet. Kaum überraschend, dass sich an der Form der Unterbringung schnell Kritik entzündete, von Kindeswohlgefährdung war die Rede (siehe Pressespiegel von vergangener Woche). Der Münchener Stadtrat beschäftigt sich nun mit dem Thema, die Regierungspräsidentin von Oberbayern besichtigte das Lager. Die Münchner SPD spricht über „Ankerzentren“ als „völlige Verfehlung in der Flüchtlingspolitik.“ Die nun geplanten Maßnahmen sehen allerdings nur marginale Verbesserungen, wie ein Spielzimmer für Kinder vor, eine Abkehr von der Lagerpolitik ist nicht vorgesehen. Die oberbayerische Regierung plant, ein weiteres Nebenlager in Moosfeld zu eröffnen.
    SZ (16.03.19)

 

  • Am Gymnasium in Weißwasser taucht seit einiger Zeit eine Schüler*innnezeitung mit klar rechtsradikalen Inhalten auf. Gefördert wird die Zeitung inzwischen vom Verein „Exfreisa“. Das Kürzel steht für „Extremismusfreies Sachsen“, richtet sich trotz aller Rhetorik klar gegen Antifaschist*innen. Das zeigt sich allein am Personal: der Verein wird unter anderem gestützt von den AfD-Landtagsabgeordneten Carsten Hütter und Sebastian Wippel. Achim Exner sitzt im Vereinsvorstand, früher organisierte er die Pegida-Demos mit, heute arbeitet er bei der AfD-Landtagsfraktion. Im Gründungsprotokoll ist weiterhin Felix Menzel verzeichnet, Chefredakteur des rechtsradikalen Magazins Blaue Narzisse und verbandelt mit Götz Kubitschek, der sich intellektuell gebende Verleger in der faschistischen Bewegung.
    Klar ist weiterhin: ein Verein, der „Extremismus“ im Namen führt, setzt die menschenverachtenden Umtriebe von Nazis mit antifaschistischem, demokratischem Aktivismus gleich. So auch Hütter, der eine quantitative Annäherung von „Links- und Rechtsextremismus“ feststellen möchte. Das entspricht nur nicht den Zahlen.
    „Exfreisa“ hatte auch eine Projektförderung beim Programm „Weltoffenes Sachsen“ der sächsischen Staatsministerin für Gleichstellung und Integration beantragt und eine Ablehnung erhalten. Gegen den Bescheid will der Verein nun Widerspruch einlegen.
    Im Gymnasium in Weißwasser legt sich die Schulleiterin gegenüber der Zeit derweil fest: die Schüler*innenzeitung habe an der Schule nichts zu suchen.
    Zeit (13.03.19)

 

  • Außerdem haben die Nazis in Chemnitz mal wieder den öffentlichen Raum für sich beansprucht, diesmal war es der Fußball. Eine darauffolgende Trauerfeier für einen der Ihren, der verstarb, verzeichnete mit knapp 1.000 Teilnehmer*innen weniger Anwesende, als erwartet. Mit 1.000 Nazis scheint die sächsische Normalität wieder hergestellt. Zitat eines Chemnitzer SFR-Kollegen: „Schön. Immerhin nicht 6.000.“ . Nachzulesen im Medium der Wahl, im Interview des Tagesspiel mit dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz lässt sich zumindest schließen, dass sächsische Sicherheitsbehörden geneigt sind, Hetzjagden wie im August/ September in Chemnitz nicht mehr zuzulassen.

Hintergrund und Meinung

  • In Frankreich wird ein Anstieg der Asylanträge von Menschen afghanischer Staatsbürgerschaft verzeichnet, 9.400 waren es im Jahr 2018 und damit doppelt so viele wie in 2017. Doch ist Frankreich für die meisten nicht das erste EU-Land, das die Menschen betreten. Viele fliehen weiter, auch aus Deutschland, nachdem ihre Asylanträge dort abgelehnt worden sind und hoffen in Frankreich auf Anerkennung als Flüchtling, wenn die Dublin-Überstellungsfrist abgelaufen ist. Die Anerkennungsquote für Afghan*innen in Frankreich liegt bei etwa 70 Prozent, in Deutschland bei etwa 50, nach Afghanistan wird in der Regel nicht abgeschoben. In der kurzen Reportage von DLF werden Ali und Sahir porträtiert, die es vorziehen, in Frankreich auf der Straße zu leben, anstatt sich nach Afghanistan abschieben zu lassen.
    DLF (16.03.19)

Anmerkung vom 25. März: In einer ursprünglichen Version des Pressespiegels hieß es, Felix Menzel sei in der Identitären Bewegung aktiv. Das ist nicht korrekt. Richtig ist, dass Menzel mit der Identitären Bewegung sympathisiert, vgl. dazu Süddeutsche Zeitung vom 03. Juli 2013: „Der Turmkeller“, Seite 11.

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