Pressespiegel zur Asylpolitik vom 27. März 2019

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 27. März 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • Drei Frauen und ein Kind sind ertrunken, als sie versuchten, von der Türkei auf die griechische Insel Lesvos zu fliehen. Elf Menschen wurden von der türkischen Küstenwache gerettet.
    tagesschau (26.03.19)

 

  • Eine Studie der Women’s Refugee Commission hat Geflüchtete in Italien zu der Gewalt in den libyschen Gefangengenlagern befragt und eine Studie dazu verfasst. Das Ausmaß der Gewalt wird damit erstmals ersichtlich. Die Worte, die beschreiben, was dort geschieht, sind kaum zu ertragen. Sarah Chynoweth, Leiterin der Studie, spricht von auffälliger „Intensität und Kreativität“ der sexuellen Gewalt: „Männer und Frauen werden gezwungen, andere zu vergewaltigen, Penisse werden abgeschnitten, Frauen werden so lange misshandelt und vergewaltigt, bis sie verbluten und sterben. Jungen müssen ihre Schwestern vergewaltigen.“ Ein Überlebender aus Gambia berichtete der NGO: „“Wenn mir das vorher jemand erzählt hätte, hätte ich das nie geglaubt. Das glaubt man erst, wen man es mit eigenen Augen gesehen hat“ Die Women’s Refugee Commission gibt unterschiedliche Gründe für die Gewalt an. Verwandte werden damit erpresst, um Lösegeld zu zahlen, sie dient der Unterhaltung des Wachpersonals und zur Bestrafung und zum Töten von Menschen, die als wertlos betrachtet werden. Bei Protesten gibt es Erschießungen.Die EU finanziert diese Lager, sie unterstützt die libysche Küstenwache, die Menschen dahin zurückverschifft. PRO ASYL: „Dies geschehe im Namen Europas und sei Teil der Abmachungen mit dem Bürgerkriegsstaat Libyen. Das ist Teil der europäischen Flüchtlingspolitik.“
    DW (26.03.19)

 

  • Diese Verbrechen gegen die Menschheit ignorierend kann die EU ihre Rettungsmission „Sophia“, die Fliehende im Mittelmeer vor dem Ertrinken bewahren sollte, nach dem 31. März nicht fortführen. Dabei ist die Mission bereits ein Einschnitt, die vormalige, wesentlich umfangreichere, italienische Mission „Mare Nostrum“ konnte nicht über 2014 hinaus verlängert werden, weil die EU sich weigerte, Italien zu entlasten. Nun scheitert wiederum „Sophia“ am Veto Italiens, weil dessen Regierung keine weiteren Fliehenden aufnehmen möchte. Auch die deutsche Regierung hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Bereits im Januar kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen an, dass die deutsche Marine kein Schiff mehr zur Verfügung stellen werde.
    MDR (27.03.19)

Bund, Land, Kommune

  • Das sogenannte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ würde, wenn so vom Bundestag beschlossen, bedeuten, dass Geflüchtete weitere, massive Verschärfungen erleben müssten. Sowieso schon mit aller Rücksichtslosigkeit durchgeführte Abschiebungen sollen noch „effizienter“, die Abschiebehaft noch stärker ausgeweitet werden, der Bundesgerichtshof als letzte Instanz in Abschiebehaftfällen nur noch ausnahmsweise ersucht werden dürfen. Die sächsischen Fantasiepapiere sollen Gesetz werden. Ein weiterer Punkt ist die Kriminalisierung der Zivilgesellschaft, der seit dem Wochenende einige Aufmerksamkeit erfährt. Für Heribert Prantl in seinem hörenswerten Kommentar in der SZ möglicherweise ein Manöver, um von den oben genannten Maßnahmen abzulenken, die Geflüchtete vogelfrei lassen werden würden. Prantl erinnert das an das mittelalterliche Prinzip „Acht und Bann“. Menschen wurden vogelfrei erklärt und wer ihnen half, wurde mit unter den Bann gestellt. Wer auch immer meint, mit diesem Gesetz werde der Rechtsstaat gestärkt, wird sich das anhören dürfen.

 

  • Zum Anlass der Aufregung: in einem Interview gegenüber der Welt am Sonntag maßt es sich der Beamte Hans-Eckhard Sommer, Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an, zuerst zu behaupten, die Zahl der Asylanträge sei „zu hoch“, 162.000 in 2018 seien zuviel. Das nur ist Quatsch, eine Obergrenze gibt es ja nicht und ein Grundrecht kann nicht „zu oft“ beansprucht werden. Im zweiten Schritt ritt Sommer dann eine Attacke gegen die Landesflüchtlingsräte. Sein Chef, Bundesinnenminister Horst Seehofer, hat bereits in einen Referentenentwurf hineinschreiben lassen, dass Organisationen, die Abschiebetermine verbreiten, strafrechtlich verfolgt werden. Zum zweiten Mal nun schon ist es ein Berufsbeamter aus dem BMI, der bestimmte Gruppen ins Ziel nimmt. Nach Hans-Georg Maaßen und seinem Schuss gegen Geflüchtete und Journalist*innen nach den Hetzjagden in Chemnitz sind nun die nächsten dran. Die Landesflüchtlingsräte reagieren gegenüber der SZ mit Selbstbewusstsein. „Absurd“ und übertrieben, Hinweise auf einige wenige Termine führen nicht zum Abbruch zahlreicher Abschiebungen, sie schaffen Öffentlichkeit. Unter anderem dafür, dass die Bundesrepublik in das vom Krieg gebeutelte Afghanistan abschiebt. Klar ist: durch Hinweise auf Abschiebungen haben Menschen noch die Möglichkeit, überhaupt ihre Rechte wahrzunehmen. Es ist bereits heute in jeglicher Hinsicht zu kritisieren, dass Abschiebungen als Geheimsache behandelt werden.
    MDR (23.03.19)
    SZ mit Zitat des SFR(25.03.19)
    MDR mit Zitat des SFR (27.03.19)

 

  • Das Abschiebegefängnis im hessischen Darmstadt wird ein Jahr alt. Mit einer Kapazität von 20 Plätzen wurden 235 Menschen inhaftiert. Das Bündnis Community for All bringt dokumentierte Vorwürfe von Gefangenen an, nach denen die medizinische Versorgung völlig unzureichend sei. Bei gesundheitlichen Beschwerden habe es Fälle gegeben, wo lediglich Beruhigungsmittel verabreicht wurden. Zudem soll es zu Misshandlungen und Isolationshaft gekommen sein. Die schwarz-grüne Landesregierung plant, die Haftanstalt um 60 weitere Plätze auf 80 zu erweitern.
    Wiesbadener Kurier (25.03.19)

 

  • Udo Witschas leitet wieder die Ausländerbehörde Bautzen. Am Montag Abend stimmten 18 von 81 anwesenden Kreisrät*innen des Landkreises für seine Wiedereinsetzung. Das Signal, das von der kontroversen, vom Landrat und einigen Kreisrät*innen konfus geführten Sitzung ausgeht, ist katastrophal. Die Verantwortung für Schutzsuchende obliegt nun wieder einer Person, die freimütig sensible Informationen mit einem NPD-Funktionär geteilt hat. In einem gemeinsamen Statement hatten sich der Willkommen in Bautzen e.V., der RAA Sachsen e.V. und der SFR e.V. gegen Witschas erneute Wahl ausgesprochen. Die Fragen, die die Vereine in ihrer PM vom 04. März veröffentlicht hatten, blieben weiterhin unbeantwortet.
    Lausitzer Rundschau (24.03.19)

 

  • In Ostritz im Landkreis Görlitz war es wieder soweit, Nazis feierten ihr Festival. Gegen die laut Polizei etwa 500 Rechtsradikalen besuchten etwa 2.000 Menschen das Friedensfest sowie das Konzert von Rechtsrocktnicht. Zugegen war auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, die sich für Weltoffenheit und Toleranz aussprach. Journalist*innen und Polizist*innen wurden von den Nazis angegriffen, es flogen Bierbecher, ein Feuerlöscher kam zum Einsatz.
    MDR (24.03.19)

 

  • Das Sächsische Staatsministerium des Inneren plant, die Gefährlichkeit von Nazis künftig mittels eines Punktesystems zu bewerten. Die zehn Ober-Nazis sollen demnach unter besondere Beobachtung der Sicherheitsbehörden geraten. Dieses Vorgehen gegen Rechts mag allein nicht überzeugen.
    FP (21.03.19)

Hintergrund und Meinung

  • Das Psychosoziale Zentrum in Leipzig besteht seit 2016 und berät und behandelt traumatisierte und psychisch erkrankte Menschen. Ein wichtiges Interview, das einen Einblick gibt, wie psychologische Gespräche über eine Sprachbarriere mit Menschen ablaufen, die das Schlimmste erlebt haben und bei denen es oft nur noch gelingen kann, die Person zu stabilisieren, sie aber nicht zu heilen.
    LVZ (25.03.19)

 

  • Die Angst vor Abschiebung kann sich als Suizidalität äußern. Faisal I. tötete sich im März 2017, als er vom Dach eines Leipziger Hotels sprang. Am selben Tag hatte er die Ablehnung seines Asylantrags erhalten. Ihre Ängste werden in Sachsen häufig nicht aufgefangen, genügend Strukturen gibt es nicht, so Juliane Nagel, DIE LINKE. Oft werden Menschen auch allein gelassen, wie Shabas al-Aziz, der im Mai 2016 in Arnsdorf an einen Baum gefesselt wurde und im darauffolgenden Winter im Tharandter Wald starb. Die Umstände seines Todes sind nach wie vor ungeklärt, was klar ist: seine psychische Belastungen und die ungenügende psychologische und medizinische Versorgung. Und das sein Betreuer Steffen Frost AfD-Politiker ist.
    ND (23.03.19)

 

  • „Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist ein Roman von Lukas Rietzschel, den die SFR-ÖA nur empfehlen kann. Wie sich einige Jugendliche in Sachsen in den vergangenen 20 bis 30 Jahren Richtung Rechts radikalisiert haben – ohne demokratische und antifaschistische Strukturen, die sie auffangen – zeigt Rietzschel eindrücklich und in einer trostlosen und damit realistischen Sprache. Berührend und abstoßend zugleich. Einen Einblick gibt die Lesung bei MDR Kultur.
    MDR Kultur (25.03.19)
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