Pressespiegel zur Asylpolitik vom 17. September 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de
Geschehenes – Kurzmeldungen
Blick nach Europa und die Welt.
- Ruanda hat gegenüber dem UNHCR zugesagt, bis zu 30.000 Menschen aus den Gefangenenlagern Libyens aufzunehmen. Die ersten 500 Menschen sollen in den kommenden Wochen nach Ruanda geflogen werden. Darauf einigten sich der ostafrikanische Staat, die Afrikanische Union und der UNHCR. In Ruanda werden dann Asylverfahren durchgeführt. Einige der anerkannten Geflüchteten sollen gemäß der Einigung auch an Drittstaaten verwiesen werden, einige in Ruanda bleiben Abgelehnte Asylantragsteller*innen will der UNHCR bei der Rückkehr unterstützen.
SPON (10.09.19)
- Der US-amerikanische Supreme Court hat eine von US-Präsident Donald Trump eingeleitete Asylrechtsverschärfung gebilligt. Demnach sollen Asylanträge von Schutzsuchenden in den USA abgelehnt werden, wenn sie auf ihrer Flucht durch Mexiko nicht um Asyl gesucht haben.
Der Standard (12.09.19)
- Zuerst, vorvergangenen Sonntag, hatte sie 50 Menschen gerettet, später übernahm sie 34 bereits gerettete Menschen von einem anderen Rettungsschiff. Vor zwei Tagen durfte die Ocean Viking in Lampedusa, Italien anlegen.
taz (14.09.19)
- Letzte Woche versuchten 86 Fliehende, über den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien zu gelangen. Britische Behörden stoppten sie bei dem Versuch.
Zeit (11.09.19)
- Laut Bundesinnenministerium hat sich Deutschland verpflichtet, jede vierte, aus dem Mittelmeer gerettete und in Italien ankommende Person aufzunehmen. Das „quälende Prozedere“, so Innenminister Horst Seehofer, der wochenlangen Verhandlungen über das Schicksal der Menschen auf den Schiffen, solle so beendet werden. Ihm muss kurz entschlüpft sein, dass er selber über Monate hinweg quälende Prozederes mitzuverantworten hatte. „Besser spät als nie“ genügt angesichts dessen, was sich bisher auf dem Mittelmeer abgespielt hat, nicht als relativierende Phrase. Am 23. September werden sich Vertreter*innen Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Finnlands, Maltas und der EU-Kommission im maltesischen Vittoriosa treffen, um eine vorläufige Quotenregelung zu beschließen.
tagesschau (12.09.19)
- Die Präsidenten Russlands, Irans und der Türkei haben sich gestern getroffen, um über die Lage in Syrien und insbesondere der Region Idlib zu beraten. Das Treffen fand im Rahmen des sogenannten „Astana-Prozesses“ statt. Die türkische Regierung will verhindern, dass aus Idlib mehr Menschen in die Türkei fliehen. In der Region Idlib leben etwa drei Millionen Menschen, sie steht größtenteils unter Kontrolle von dem Regime feindlich gesinnten Truppen. Das Regime führt derzeit eine Offensive gegen die Truppen. Konkrete, offizielle Ergebnisse brachte das Treffen nicht. Russland stützt das syrische Regime, auch in seiner Offensive, die Menschen in die Flucht Richtung Türkei treibt. So weit, so bekannt. Die drei Präsidenten zeigen sich jedoch besorgt über die Verschlechterung der humanitären Lage in Idlib.
Zeit (16.09.19)
- Der EU-Türkei-Deal wackelt. Seit Wochen kommen verstärkt Fliehende Menschen auf den griechischen Inseln in der Ostägäis an. Ein Kurzüberblick:
- Der Deal wurde 2016 geschlossen. Er sah vor, dass Fliehende so lange auf den Inseln festgehalten werden, wie ihre Asylverfahren dauern. Schutzsuchende, die abgelehnt wurden, sollten in die Türkei abgeschoben werden. Das geschieht nur nicht.
- Griechenland will die Abschiebungen nun angehen. Die Regierung ist sich aber angesichts der Berichte von Abschiebungen aus der Türkei nach Syrien bewusst, dass eine Einstufung der Türkei als „sicher“ problematisch sein könnte.
- Interessiert die deutsche Regierung aber nicht: die setzt die griechische Regierung unter Druck, endlich mehr Menschen in die Türkei abzuschieben.
- Die Türkei möchte eine „Sicherheitszone“ in Nordyrien, um dahin abschieben zu können. Eine solche Zone leben die dort lebenden Kurd*innen ab, da sie befürchten, dass der Anteil von Araber*innen sich im Vergleich zu den Kurd*innen massic erhöhen könnte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht, den EU-Türkei-Deal platzen zu lassen, wenn er die Sicherheitszone nicht erhält.
- Die griechische Regierung wiederum wirft der Türkei vor, bereits heute Menschen kontrolliert auf die ostägäischen Inseln fliehen zu lasse. An nur einem Tag seien 13 Boote auf den Inseln gelandet.
- …und während die Regierungen sich die Köpfe einschlagen, rebellieren die Geflüchteten auf den Inseln. Im Lager Moria auf Lesvos protestierten etwa 300 unbegleitete Minderjährige gegen die Zustände und verlangten, auf das griechische Festland verlegt zu werden. Die Polizei setzte Tränengas ein.
- Fakt ist: das, wovor zahlreiche Akteur*innen warnten, zeigt sich heute. Der Deal hat nie funktioniert. In 2016 verlagerte er eine Frage in die Zukunft, er beantwortete sie nicht.
SPON (10.09.19)
Zeit (11.09.19)
DW (12.09.19)
Bund, Land, Kommune
- Im August 2016 attackierte eine selbsternannte „Bürgerwehr“ geflüchtete Menschen beim Dresdner Stadtfest. Zwei Tatverdächtige stehen nun vorm Landgericht Dresden. Ihnen wird gefährliche Körperverletzung und besonders schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Bei dem Angriff wurden neun Menschen verletzt. Einer der Tatverdächtigen muss sich in einem weiteren Strafverfahren um die Gruppe „Freie Kameradschaft Dresden“ verantworten.
MDR (12.09.19)
- Im Januar 2016 wird Connewitz von etwa 250 Nazis angegriffen, die Prozesse laufen noch immer. Recherchen von Kreuzer und Tagesspiegel ergaben nun, dass ein sächsischer Justizbeamter, Kersten H, an dem Angriff beteiligt war. Gegen ihn wurde, wie in 215 anderen Fällen auch, ein Strafverfahren eingeleitet. Doch H. konnte noch bis Januar 2019 in der Justizvollzugsanstalt Leipzig weiterarbeiten. Erst dann, nach drei Jahren, wurde er suspendiert. Das versuchte das Justizministerium zunächst herunterzuspielen, gelingen wollte ihm das nicht. Währenddessen liefen die Recherchen weiter. An dem Angriff waren auch Mitglieder der „Freien Kameradschaft Dresden“ und der terroristischen „Gruppe Freital“ beteiligt. Wovon einige in der JVA Leipzig einsaßen. Stand H. in seiner Dienstzeit also in Kontakt mit bereits einsitzenden Mitgliedern der rechtsradikalen bis terroristischen Gruppierungen? Ja, genau das war der Fall. Das legen Akten der Staatsanwaltschaft nahe, ultimativ bestätigt hat es ein Zeuge, von Kreuzer und Tagesspiegel Ibrahim genannt, der in 2017 und 2018 selber einsaß. Unter anderem habe er Philipp W., Mitglied der Terror-„Gruppe-Freital“, mehrfach mit H. zusammen gesehen.
Gleichzeitig wächst der Druck auf Justizminister Sebastian Gemkow. Denn der hatte in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Februar 2017 bestätigt, dass ihm bekannt sei, dass die 215 Namen in Leipzig plakatiert und im Internet veröffentlicht wurden.
Kreuzer (10.09.19)
Kreuzer (12.09.19)
Tagesspiegel (12.09.19)
Tagesspiegel (15.09.19)
Hintergrund und Meinung
- Welchen Fragen die Kirchen sich in der Asylpolitik stellen müssen, listet Matthias Drobinski in der SZ auf. Dass sich die Evangelische Kirche nun dazu entschlossen habe, ein Schiff auf das Mittelmeer zu schicken, sei „ein riskantes Unternehmen.“ Schließlich müsse das „Katz-und-Maus-Spiel“ um das Suchen nach einem Hafen mitgespielt werden. Doch sei es schlicht richtig, Menschen nicht ertrinken zu lassen. Gerade die Kirchen könnten sich nicht schulterzuckend abwenden. Es bräuchte nur etwas Mut, und Katholik*innen und Protestant*innen könnten sich gar zusammenschließen und ihre Schiffe unter vatikanischer Flagge auslaufen lassen.
SZ (12.09.19)
- Dabei stehen die Gemeinden, die das Kirchenasyl anbieten, mehr und mehr unter dem Druck des Staates. Die Dossiers, die die Gemeinden für Geflüchtete beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einreichen müssen um über das Kirchenasyl zu informieren, werden häufig nicht mehr anerkannt. Im Fall von Senait L., die in einer Kirchgemeinde in Bornheim unterkam, wurde die Dublin-Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert. Sie galt laut BAMF als „flüchtig.“ Das Verwaltungsgericht wollte diese Argumentation nicht gelten lassen. Der Aufenthalt von L. sei sehr wohl bekannt. Das Gericht schrieb in seiner Begründung, dass es dem Staat mit seiner verschärften Praxis beim Kirchenasyl offenbar um etwas ganz anderes gehe als erfolgreiche Abschiebungen nach Italien. Das sei die Sanktion gegenüber der Kirchgemeinde.
FR (13.09.19)
- Eine Studie aus Dänemark hat untersucht, welche Folgen es für ein Kind haben kann, wenn beide Eltern oder ein Elternteil an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Das Risiko sei laut Ergebnis um 75 Prozent erhöht, dass das Kind selber an einer psychischen Erkrankung leide. Auch Kinder von Geflüchteten, die im Land geboren wurden, wo die Familie Schutz fand, können betroffen sein.
DLF (16.09.19)