Pressespiegel zur Asylpolitik vom 15. Oktober 2019

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 15. Oktober 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Ruanda hatte sich bereit erklärt, über mehrere Monate hinweg bis zu 30.000 Menschen, die in Libyen auf ihrer Flucht nicht weiterkommen, aufzunehmen. Die ersten 66 kamen vor zwei Wochen in Ruanda an.
    FR (27.09.19)

 

  • Zehntausende fliehen aus dem kurdischen Rojava im nördlichen Syrien vor der Invasion der türkischen Armee. Das, was der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan lange angekündigt hatte, unter anderem mit der Begründung, eine Zone für Abschiebungen syrischer Geflüchteter zu schaffen, geschah nun, nicht zuletzt durch den Rückzug der US-Truppen auf Befehl von US-Präsident Donald Trump. Die kurdischen Einheiten der YPG und ihre politische Führung haben derweil mit dem syrischen Regime vereinbart, gemeinsam gegen die türkische Armee vorzugehen. Ein kurdischer Vertreter begründete dies damit, dass ein Genozid an den Kurd*innen nur so verhindert werden könne, auch wenn die Vereinbarung mehr als ungeliebt sei.
    Zeit (13.10.19)

 

  • Vor Lampedusa ist ein Schiff mit Fliehenden gesunken. Laut Internationaler Organisation für Migration starben mindestens 13 Frauen, 22 wurden gerettet, 15 wurden noch gesucht.
    tagesschau (07.10.19)

 

  • Hunderte Menschen werden von den griechischen Inseln auf das Festland verlegt, die Regierung spricht von einer „nationalen Krise.“ Bis zu 10.000 Menschen sollen insgesamt transferiert werden. Die Krise freilich sind die Hotspots genannten, natürlichen Gefängnisse, die die überfüllten Inseln schon immer für Schutzsuchende darstellen. Im Lager Moria auf der Insel Lesvos waren bei einem Brand am Sonntag vor drei Wochen eine Frau und ein Kind gestorben. Erst gestern kam es auf der Insel Samos zu gewaltsamen Auseinandersetzungen unter Geflüchteten und mit der Polizei. Auch hier entstand ein Brand.
    Im August kamen 8.103 Menschen auf den fünf großen Inseln in der Ostägäis an. Weitere 10.000 Menschen sollen bis Ende 2020 in die Türkei abgeschoben werden, Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Asylanträge rechtskräftig abgelehnt werden. Das griechische Asylsystem arbeitet jedoch langsam. Um dieses Ziel zu erreichen, soll unter anderem auch das Asylsystem verschärft werden. Unterdessen behält es sich der türkische Präsident Recep Tayyip Edoğan vor dem Hintergrund der Invasion seiner Armee in Rojava und den daraus resultierenden, internationalen Spannungen vor, Geflüchtete nach Europa weiterfliehen zu lassen.
    DW (28.09.19)
    Tagesspiegel (01.10.19)
    nd (15.10.19)
    FAZ (16.10.19)

 

  • Die Innenminister*innen der EU-Mitgliedsstaaten trafen sich vergangene Woche in Luxemburg und berieten unter anderem über einen Verteilmechanismus für Fliehende, die im Mittelmeer gerettet wurden. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte zuletzt zugesagt, 25 Prozent der Geretteten in Deutschland aufzunehmen. Vorab hatten auch Frankreich, Italien und Malta die regelmäßige Aufnahme zugesagt. Nach dem Treffen waren es etwa zwölf weitere Länder, die einem Verteilmechanismus mehr oder weniger „wohlwollend gegenüberstehen“, wie es das Migazin formuliert. Eine konkrete Vereinbarung, die gegebenenfalls gar feste Aufnahmequoten vorsieht, wurde jedoch nicht geschlossen. Bulgarien, Griechenland und Zypern äußerten jedoch Unzufriedenheit, da die unverbindlichen Abmachungen die Situation im östlichen Mittelmeer außer Acht lassen. Doch gerade auf dieser Route kommen derzeit die meisten Menschen in Europa an.
    Migazin (09.10.19)

 

  • Friederike Stahlmann vom Max-Planck-Institut veröffentlichte letzte Woche eine Studie zu Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben wurden. Darin hat sie Informationen zu 55 Abgeschobenen zusammengefasst, was etwa zehn Prozent aller Betroffenen entspricht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als 90 Prozent von gewalt betroffen waren. Die Hälfte wurde bedroht und angegriffen, weil sie in Europa gelebt hatten. Die Täter*innen waren dabei nicht immer Taliban, es konnten auch Familienmitglieder, Nachbar*innen, selbst Fremde auf der Straße sein. Etwa 18 Prozent leben zeitweise auf der Straße, unter anderem weil selbst die Suche nach einer Unterkunft mit dem Stigma des*der Abgeschobenen schwierig ist. „Ich habe kein einziges Beispiel für eine nachhaltige Existenzgründung im Land gefunden.“ erklärt Stahlmann. Fast alle bis auf eine Person wollen sich erneut auf den Weg Richtung Europa machen.
    FR (10.10.19)

Bund, Land, Kommune

  • Nach einem Anschlag in Kabul, Afghanistan, im September wurden Ausbilder*innen der Bundespolizei aus der Stadt abgezogen und nach Deutschland geflogen. Ende September sollten sie zurückkehren, doch dies verzögerte sich. Die Leitung der Bundespolizei hatte die Rückkehr entgegen des politischen Willens des Bundesinnenministeriums abgebrochen und darauf verwiesen, dass die Lage in der Stadt zu gefährlich sei. Die Gewerkschaft der Polizei drängt auf einen schnellstmöglichen Abbruch der Mission. Und dennoch wurde am 08. Oktober nach Afghanistan abgeschoben. An Bord des Fliegers saßen 44 Menschen. Dagegen demonstrierte in Leipzig das Aktionsnetzwerk Protest LEJ  mit etwa 100 Menschen. Angesichts dieser irrwitzigen Lage – für deutsche Bundespolizist*innen ist Afghanistan zu gefährlich, aber afghanische Schutzsuchende nach Kabul abzuschieben geht voll klar – hatten Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL erneut den sofortigen Stopp der Abschiebungen gefordert.
    Zeit (27.09.19)
    Tagesschau (27.09.19)
    LVZ (07.10.19)
    DLF (09.10.19)

 

  • Geflüchtete die unter anderem durch das Internieren in Lagern prekarisiert werden, werden im Anschluss gern von Behördenseite kriminalisiert. In diesem Geiste werden die, die Widerstand gegen einen Polizeieinsatz im Bamberger Lager vom Dezember 2018 geleistet haben, nun vor das dortige Landgericht gestellt. Konkret betrifft das vier Menschen, denen Körperverletzung und Brandstiftung vorgeworfen wird. Laut Aussage eines Gelüchteten gegenüber dem Bayerischen Flüchtlingsrat eskalierte die Situation damals, nachdem einer der Security-Mitarbeiter einen Geflüchteten im Zuge des Polizeieinsatzes geschlagen habe. Ein Sprecher des BFR spricht von einer gereizten Stimmung unter den Menschen in den überfüllten Lagern, an Schlaf sei aus Angst vor Abschiebung kaum zu denken.
    SZ (14.10.19)
    Bericht der taz aktuell zu dem Vorfall damals  (11.12.18)

 

  • In Zwickau wurde ein Baum abgesägt, der an Enver Şimşek erinnern sollte. Şimşek ist einer der Menschen, der vom NSU ermordet wurde. Eine Holzbank, die ebenso an die Opfer erinnern sollte, wurde weiterhin beschädigt, auch sie stand in Zwickau. Mehr als 100 Schüler*innen zogen daraufhin in ihrer Mittagspause zu dem Baum und gedachten der Toten in einer Schweigeminute.
    Zeit (06.10.19)
    DLF (08.10.19)

 

  • Der Abschiebeknast in Pforzheim erregt immer wieder Kritik. Im Mai wurden Inhaftierte drangsaliert, die mit den außenstehenden Demontrant*innen einer „100 Jahre Abschiebehaft sind genug“ – Demo Kontakt aufnahmen. Nun wirft das Antirassistische Netzwerk Baden-Württemberg den Behörden vor, einen Menschen nackt in Isolationshaft in einer Zelle ohne Tageslicht gesperrt zu haben. Das Regierungspräsidium gesteht ein, dass es durchaus einen „besonders gesicherten Raum“ gebe, in dem eine engmaschige Kontrolle stattfinde und die Bewegungsfreiheit innerhalb des Knastes auf einzelne Bereiche beschränkt werde.
    SWR (05.10.19)

Hintergrund und Meinung

  • In Halle wütete der verbrecherische Antisemitismus und zeigte erneut, was spätestens durch die NSU-Morde bekannt war: der Schoß ist fruchtbar, aus dem das kroch. So kommentiert Heribert Prantl in seiner SZ-Videokolumne den Terroranschlag von Halle. Er benennt Antisemitismus als Urform des Vorurteils, des Hasses, der Volksverhetzung. Die AfD und die, die inzwischen gerichtlich bestätigt als Faschist*innen dort bezeichnet werden müssen, tragen Mitschuld im politischen Sinne an diesem Anschlag. Klar ist dabei: der Verweis auf die AfD entlastet nicht von der eigenen Verantwortung für die schon immer vorhandene Menschenverachtung und den Rassismus, die heute in voller Wucht zu Tage treten.
    SZ (14.10.19)
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