Pressespiegel zur Asylpolitik vom 12. Dezember 2019

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 12. Dezember 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Erneut war die Alan Kurdi tagelang auf der Suche nach einem sicheren Hafen, um gerettete Menschen an Land gehen zu lassen. Auch die Ocean Viking kreuzte auf dem Mittelmeer. Am Ende konnten sie in Messina und Pozzallo in Italien mit den insgesamt 121 Menschen an Bord anlaufen.‘
    MDR (04.12.19)

 

  • Das Lager Vucjak im Norden von Bosnien-Herzegowina wird nun geräumt. Über Wochen war darüber berichtet worden, unter welchen Bedingungen die zeitweise 600 bis 800 Menschen auf einer ehemaligen Müllkippe leben mussten. Ihr Ziel ist es, Kroatien und damit die EU zu erreichen. Doch dessen Polizei übt sich in illegalen Push Backs. Ein Mensch berichtet über die Polizist*innen: „Sie schlagen jeden. Jeden. Sie nehmen dir alles weg. Tasche, Jacke, Geld, Handy. Sie machen ein Feuer und verbrennen deine Sachen. Dann treten sie dich und sagen: ‚Fuck off und geh“.
    Tagesschau (10.12.19)

Bund, Land, Kommune

  • Für weitere sechs Monate gilt der Abschiebestopp nach Syrien. Das entschieden die Innenminister auf ihrer Konferenz letzte Woche. Danach wird neu geschaut, je nach Evaluierung des Auswärtigen Amts. Oder auch nicht, denn was das Auswärtige Amt sagt, ist den Herren schon bei Afghanistan egal. Denn dass die Menschen, die unter die Kategorien Straftäter*in oder „Gefährder“in“ fallen, Kategorien, die Abschiebungen in Krieg und/ oder Foltergefängnisse legitmieren sollen, sich tatsächlich auch bald in Syrien wiederfinden sollen, das wurde ganz klar. Tatsächlich war es zwischenzeitlich ganz unklar, was die Innenminister denn nun beschlossen haben.
    MDR (06.12.19)

 

  • „Diese IMK ist auch ein undurchsichtiges Ding“ meinte eine Aktivistin aus Sachsen passenderweise diese Woche. Nicht primär wegen Syrien, sondern wegen der Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen aus Griechenland. Das hatte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius gewollt und wurde von Bundesinnenminister Horst Seehofer abgekanzelt. Daran hat auch die Innenministerkonferenz nichts geändert. Lediglich Berlin erklärte nach Niedersachsen, weitere 70 Menschen aufnehmen zu wollen, auch Thüringen gab ein solches Versprechen ab. Nur, hier muss die Bundesregierung zustimmen… Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatte nach Pistorius Statement sich massiv für die Aufnahme eingesetzt, auch der SFR unterstütze das Anliegen. Die letzte PM der Kolleg*innen dazu hier. Was Deutschland nicht hinbekommt, macht jetzt allerdings der Vatikan. Dessen Chef, Papst Franziskus, will wenigstens 43 Menschen in seinem Territorium unterbringen.
    Tagesspiegel (06.12.19)
    Tiroler Taggeszeitung (02.12.19)

 

  • Was Monitor da berichtet, lässt einem den Atem stocken. Anhänger*innen der Gülen-Bewegung türkischer Staatsbürgerschaft oder auch Kurd*innen türkischer Staatsbürgerschaft sind von Abschiebung bedroht, soweit bekannt. Was ihnen in der Türkei droht, ist auch bekannt, dass Deutschland solche Fluchtgründe wie auch viele weitere herzlich egal sind, ebenso. Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Akten zu Asylverfahren zur deutschen Botschaft in Ankara schickt, um Informationen über Vertrauensanwält*innen zu überprüfen, wurde neulich öffentlich. Einer der Vertrauensanwälte wurde in der Türkei inhaftiert, die sensiblen Informationen aus deutschen Asylverfahren fielen in die Hände des türkischen Staates. Das BAMF überprüft nicht nur Fluchtgründe, es schafft mit dieser Praxis gar welche. Auch für Menschen, die sich nicht in Deutschland, sondern sich noch in der Türkei befinden, über die aber gegenüber dem BAMF Angaben gemacht wurden. Die demokratische Opposition von der LINKEN im Bundestag vermutet, dass die Anerkennungsquote für Schutzsuchende türkischer Staatsbürgerschaft gedrückt werden soll. Wäre sie zu hoch, könnte man den NATO-Partner vor den Kopf stoßen. Schutzsuchende sollen demnach abgeschreckt werden. Das BAMF will sich gegenüber Monitor nicht äußern. Fakt ist: bei türkischen Antragsteller*innen kann dem BAMF derzeit nicht vertraut werden.
    Aus der Kategorie „Unbedingt anschauen!“: Monitor(05.12.19)

 

  • Bad cases make bad law heißt ein Grundsatz in der englischen Juristerei. Fälle, die, gegebenfalls auch zu recht, große Aufmerksamkeit erregen, eignen sich nicht als Grundlage, um Gesetze zu schreiben. Entsprechende Paragraphen werden die durchschnittliche Dimension eines juristischen Sachverhalts nicht abdecken. Dies zeigt sich nun wieder ganz deutlich an dem, was Bundesinnenminister Horst Seehofer sich ausgedacht hat: ein Verstoß gegen die Wiedereinreisesperre soll zum alleinigen Grund für Abschiebehaft werden. Hintergrund ist ein inzwischen allseits bekannter Mensch mit scheinbar viel kriminellen Potential aus Bremen, der halt nix auf Gesetze gibt und sehr viele hyperventilieren, wie es sein kann, dass es soo kriminelle Menschen gibt.
    SZ (06.12.19)

 

  • Und nicht nur der Fall Miri, auch die Ermittlungen wegen eines offenbar gewaltvoll herbeigeführten Todes in Augsburg produzieren viele Artikel. Einige Medien, die sich dazu wohl irgendwann einfach verhalten müssen, findet das wenigstens im Panorama-Teil statt. Der Grund: die mutmaßlichen Täter*innen haben andere Staatsbürgerschaften als die deutsche, das Opfer hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Mord und Totschlag, was sehr häufig in Deutschland vorkommt, schaffen es sonst maximal bis zur Lokalpresse. Trauer, und, abhängig vom Ausmaß der entstandenen Öffentlichkeit, Anteilnahme sind das, was dann menschlich ist. Was komplett am Leben vorbeigeht: Kriminalität als Folge von Herkunft zu diskutieren.
    Tagesspiegel (11.12.19)

 

  • Was wir vom Koalitionsvertrag von CDU, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD halten, haben wir in einer PM niedergeschrieben. Die LIZ sprach schon vorab mit uns. Tenor: genauer Augenmerk aufs Innenministerium!
    LIZ (04.12.19)

 

  • Was Dublin anrichtet – sinnlose Abschiebungen innerhalb Europas. Michael Aniodo fand in Bautzen Menschen, die ihn supporten und schätzen. In Italien droht Obdachlosigkeit, Tropfen, die ihn vor Blindheit schützen, wird er kaum erhalten. Er wird von von Angela Müller beim SFR beraten. Sie unterstreicht in der Sächsischen Zeitung, dass Behörden in der Pflicht sind zu ermitteln, ob auch bei Dublin-Abschiebungen menschenunwürdige Bedingungen innerhalb Europas drohen. Das betreffe neben Italien insbesondere auch Griechenland oder Bulgarien.
    Sächsische Zeitung (€ / 04.12.19)

 

  • Nach der Ausbildung den erlaubten Aufenthalt verwehren – das verantwortet die Ausländerbehörde Dresden bei Abdennasser H’ssain. Zudem: sie zeigte ihn gar unbegründet an. SFR-Vorstandsmitglied Michael Kobel beriet H’ssain bis zum vorläufig guten Ende.
    MDR SachsenSpiegel (10.12.19)

Hintergrund und Meinung

  • Bundesinnenminister Horst Seehofer schien regelrecht milde zu werden – in Seenot gerette Menschen aufnehmen muss für seine Verhältnisse regelrecht eine christliche Heiligentat gewesen sein. Doch das war nur Augenwischerei, meint Constanze von Bullion in der SZ. Mit seinen neuen Plänen, Verstöße gegen die Wiedereinreisesperre zum Haftgrund zu machen und erneut das Asyl- und Aufenthaltsrecht zu verschärfen, zeigt wie rücksichtslos Seehofer ist. Gegenüber den anderen Dublin-Staaten an den Außengrenzen der EU, aber auch für alle dann betroffenen Menschen. Nicht nur für Clanchefs. Siehe Ausführungen zu „bad cases make bad law“ oben.
    SZ (06.12.19)

 

  • Von Feuerwehrmännern, dem Unterschied zwischen Totschlag und Körperverletzungen mit Todesfolge, und, ganz hoch, aber auch nicht fehlgegriffen, vom „Zustand der Gesellschaft“ – Thomas Fischer, ehemals Richter am BGH, in seiner SPIEGEL ONLINE-Kolumne.
    Aus der Kategorie „Unbedingt lesen!“:SPON (11.12.19)

 

  • Stephan Theo Reichel ist beim Verein matteo – Kirche und Asyl organisiert unter anderem Kirchenasyl, vor allem für Menschen aus Afghanistan. Im Interview mit dem BR gibt er eindrücklich Einblick in seine Arbeit, das, was an Humanität in Bayern, wie in Sachsen auch (hier muss eine seiner Aussagen korrigiert werden), nicht mehr da wäre, wenn Gesellschaft sich nicht mutig der Abschiebemaschinerie entgegenstellen würde. Doch, sie können nur in einzelnen Fälle „Gnade“ erreichen, abgeschoben wird eben dennoch.  Reichel konnten wir am 16. November auch auf der Asylinikonferenz in Dresden begrüßen, gemeinsam mit Protest LEJ war er beim Workshop zum zivilen Ungehorsam.
    Aus der Kategorie: „Unbedingt anhören!“ BR (06.12.19)
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