Pressespiegel zur Asylpolitik vom 12. Mai 2020

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 12. Mai 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Etwa 400 Menschen hat die griechische Regierung aus dem Lager Moria auf der Insel Lesvos auf das Festland transferiert. Allein in Moria leben 19.300 Menschen.
    SPIEGEL (03.05.20)

Bund, Land, Kommune

  • Das schriftliche Urteil zum NSU-Prozess, geführt am Oberlandesgericht München, liegt vor. Und erfährt deutliche Kritik. Auf 3.025 Seiten findet sich kein Satz zu den Familien und was die faschistische Terrorserie mit ihnen gemacht hat. Mehr noch, die Opfer werden mit dem rassistischen Blick der Täter*innen beschrieben. Nicht einmal tauchen die Worte „Bundesamt für Verfassungsschutz“ oder auch „Thüringisches Landesamt für Verfassungsschutz“ auf. Letzteres hatte den NSU über Jahre über V-Männer gefördert. Auch das gesamte Helfer*innennetzwerk des NSU werde verschwiegen. 19 Anwält*innen von mehreren hinterlassenen Familien schreiben denn auch, dass das Gericht den Betroffeen mit „hässlicher Gleichgültigkeit“ und „extremer Kälte“ gegenüberstehe. Elif Kubaşık, Ehefrau des ermordeteten Mehmet Kubaşık, listet auf, was offen bleibt: „“Ich hatte so viele Fragen: Wie konnte eine bewaffnete Gruppe über Jahre hinweg faschistische Morde und Anschläge in Deutschland begehen? Warum wurden sie nicht gestoppt? Was wusste der Staat davon?“ Rechtsfrieden herstellen, Aufgabe der Gerichtsbarkeit, das ist dem Oberlandesgericht München nicht gelungen.
    SZ (30.04.20)

 

  • In mittlerweile vier Fällen haben die drei sächsischen Verwaltungsgerichte Dresden, Chemnitz, Leipzig entschieden, dass Menschen aus den Aufnahmeeinrichtungen des Landes zu entlassen sind. Insbesondere die sanitären Anlagen stellen ein Infektionsrisiko dar, so der einheitliche Tenor der Gerichte. Die Landesdirektion sah bei ihrer Pressekonferenz am 30. April keinen Anlass, von ihrem bisherigen Vorgehen abzurücken. Viel Spielraum hat sie als Verwaltungsbehörde tatsächlich nicht, eine politische Lösung muss nun vom Innenministerium folgen!
    MDR (30.04.20)
    Sächsische Zeitung (30.04.20)
    Sueddeutsche (30.04.20)
    neues deutschland (04.05.20)
    Deutschlandfunk (07.05.20 | Beitrag in der Mediathek um 14.18 Uhr)

 

  • In der Gemeinschaftsunterkunft Stolpe-Süd in Brandenburg wird am 16. April Quarantäne verhängt. Etwa 400 Menschen dürfen auf einen Schlag nicht mehr raus. Das neue deutschland gibt die Stimmen von Bewohner*inne wieder, die erzählen, was geschah. Mangelnde Informationen, harsches Vorgehen bei der Zimmerumverteilung, die Angst, selber krank zu werden, vollkommene Unklarheit, ob die Rechte der Menschen in dem abgeriegelten Camp eingehalten werden – das alles spielte sich in mehreren Wochen ab. Inzwischen ist die Quarantäne aufgehoben. Auf gestriger Pressekonferenz der Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL und der Seebrücken-Bewegung (Link zu YouTube) sprach der Bewohner Nde Nzongou Barthelemy gar davon, dass die Bewohner*innen nun grüne Armbänder tragen müssen. Damit werden sie eindeutig im Ort als jene identifiziert, die unter Vollquarantäne standen. Inzwischen hat sich auch das Verwaltungsgericht Münster der sächsischen Rechtsprechung angeschlossen und gestern die Entlassung einer schwangeren Frau aus einem Lager in Rheine angeordnet.
    nd (04.05.20)
    WDR (11.05.20)

 

  • Wem ein Video zu lang ist, der*die kann sich ebenso einer Zusammenfassung zur Pressekonferenz unter anderem von der taz widmen. Neben dem Bericht aus Stolpe-Süd, in dem Barthelemy unter anderem auch erwähnte, dass Infos lediglich durch die Kirchgemeinde erfolgten, nicht von staatlichen Stellen, verdeutlichte Helen Deffner vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt erneut die Forderung nach einer Auflösung der Massenunterkünfte. „Die Durchseuchung der Lager wird in Kauf geommen.“ Eine politische Lösung forderte Günter Burkhardt von PRO ASYL, auch auf europäischer Ebene. Für Tareq Alaows von der Seebrücke steht fest, dass die Bundesländer nun vorangehen und eigene Landesaufnahmeprogramme starten müssen. Notfalls müssten sich willige Länder wie Berlin oder Thüringen dieses ihnen zustehende Recht gegenüber dem Bund einklagen.
    Die zentralen Aussagen lassen sich auch in der gemeinsamen, gestern veröffentlichten PM nachlesen.
    taz (11.05.20)
    Märkische Oderzeitung (11.05.20)
    Potsdamer Neueste Nachrichten (11.05.20)
    Migazin (12.05.20)

 

  • Ob Thüringen indes noch so willig ist, ist unklar. Die SPD hat eine Kabinettsvorlage aus dem grün geführten Migrationsministerium voerrst blockiert. Es würde ein Plan für die Umsetzung fehlen, was ein fehlgeleiteter Vorwurf sein dürfte, liegt es doch vor allem an der Abstimmung mit dem bisher ebenso blockierenden Bund, die konkrete Logistik zu organisieren. Auch die CDU, auf die die thüringische, rot-rot-grüne Minderheitsregierung wohl oder übel angewiesen ist, moniert den Plan und kündigt eine Ablehnung an.
    SPON (08.05.20)

 

  • Mehrere Geflüchtete klagen gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Nicht etwa, weil es ihre Asylanträge abgelehnt, sondern weil es ihre Handydaten ausgewertet hat. Die Deutsche Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt die Verfahren an den Verwaltungsgerichten Hannover, Berlin und Stuttgart.
    Migazin (05.05.20)

 

  • Büren, die größte Abschiebehaftanstalt Deutschlands, fungiert der Landesregierung NRW inzwischen auch als Gefängnis bei Inhaftierungen nach dem Infektionsschutzgesetz. Sechs geflüchtete Personen wurden dort eingesperrt, nachdem sie sich mit SARS-CoV-2 infiziert und gegen Quarantäneanordnungen verstoßen hatten. Für derlei Fälle dienen eigentlich spezielle Krankenhäuser. „Warum bei geflüchteten Menschen dieser Sonderweg eingeschlagen wird, bleibt offen.“ berichtet Frank Gockel vom Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
    taz (28.04.20)

Hintergrund und Meinung

  • Im Interview mit der taz spricht sich der togolesische Ökonom Samir Abi für die temporären Arbeitsvisa für Menschen aus afrikanischen Staaten aus. Diese hatte der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration kürzlich empfohlen. Mit Blick auf die Corona-Pandemie führt Abi aus, dass der eingebrochene Handel innerhalb und mit dem afrikanischen Kontinent auch das Einkommen vieler Menschen reduziert habe. Vor allem im informellen Sektor würden viele schnell alles verlieren. Bezüglich der Reaktionen auf die Pandemie in westlichen Staaten sieht er Stigmatisierungen gegenüber Migrant*inen. Er befürchtet, dass Einschränkungen in der Mobilität von einigen Politiker*innen beibehalten werden, ist aber auch optimistisch, dass die Folgen der wirtschaftlichen Abschottung die Stimmung wieder drehen werden.
    taz (29.04.20)
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