Pressespiegel zur Asylpolitik vom 12. August 2020

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 12. August 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Im Zuge der Pandemie sind mehr als 95.000 Menschen venezoelanischer Staatsbürgerschaft aus Kolumbien nach Venezuela zurückgekehrt, weitere 42.000 haben dies vor, so kolumbianische Behörden. Die noch stärkere Armut, die die Corona-Einschränkungen mit sich gebracht hat, treibt sie zurück. Nicolás Maduro, einer der beiden venezoelanischen Präsidenten, erschwert die Rückkehr, beschränkt die Einreise und steckt alle Rückkehrer*innen in Quarantäne-Zentren.
    NZZ (07.08.20)

 

  • Je stärker die EU sich abschottet, desto gefährlicher, desto breit gestreut sind die Fluchtrouten – vor Mauretanien sind etwa 40 Fliehende auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln ertrunken. Eine Person überlebte.
    ntv (06.08.20)

 

  • Am Samstag wurden 33 Fliehende auf dem Ärmelkanal zwischen Frankreich und Großbritannien von französischen Schiffen gerettet. Mindestens 810 Menschen wurden in diesem Jahr bereits gerettet, 3.400 gelang insgesamt die Flucht über den Kanal. Großbritannien forderte Frankreich nun dazu auf, verstärkt Anstrengungen zu unternehmen, die Menschen vor der eigenen Küste abzufangen. Vorgeschlagen wurde, die Personen abzuschieben und/ oder zu inhaftieren.
    Zeit (08.08.20)

 

  • Die EU-Behörde Frontex, offiziell für das, was Grenzschutz genannt wird, zuständig, erhält zunehmend Relevanz bei Abschiebungen. Unter anderem bietet sie den Mitgliedsstaaten an, Abschiebungen zu organisieren und zu finanzieren. Hinzu kommt inzwischen, dass durch Frontex Beamt*innen der Mitgliedsstaaten teils nicht mehr bei Abschiebungen zugegen sein müssen. Bei sogenannten „collecting return operations“ bezahlt die Behörde die Zielstaaten der Abschiebung, dass sie eigene Flugzeuge und Polizist*innen schicken. Weiterhin baut Frontex einen eigenen Pool an „forced return escorts“ auf, der aus Beamt*innen der EU-Staaten besteht und die flexibel für Abschiebungen innerhalb der EU einsetzbar sind.
    taz (20.07.20)

 

Bund, Land, Kommune

  • Bei Schnellverfahren von Asylantragsteller*innen an deutschen Flughäfen wurden im ersten Halbjahr 2020 50 von 88 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, geht aus einer Anfrage von Ulla Jelpke, DIE LINKE hervor. Das entspricht 56,8 Prozent, verglichen mit einer Quote von 5,1 Prozent in 2013 ein deutlicher Anstieg, aus dem der politische Druck spricht. Die Quote der offensichtlich unbegründeten Ablehnungen bei allen Entscheidungen des Jahres 2019 lag bei 28,9 Prozent. Es sei daher von einer strukturellen Benachteiligung an Flughäfen auszugehen, so DIE LINKE. Rechtsmittel gegen die Entscheidung im Übrigen nur zu sechs Prozent erfolgreich. Spätestens nach einem kurzen Gerichtsverfahren muss die Rückführung vom Flughafen erfolgen. Mit ungarischen Transitzonen ist das Übrigens nicht vergleichbar, so die Bundesregierung. Denn Haft ist das nicht, die Menschen könnten ja jederzeit wieder in das Land aus dem sie geflohen sind, ausreisen. Das Adjektiv zynisch ist im Vergleich zu 2013 irgendwie auch ausgelutscht.
    Zeit (07.08.20)

 

  • Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte das Aufnahmeprogramm Berlins abgelehnt. Die Stadt wollte 300 Menschen aus den griechischen Lagern unterbringen. Wie heute herauskam, entschied Seehofer, ohne sich mit dem Bundeskabinett abzusprechen. Dass er das bei einer so heiklen Frage nicht für nötig hielt, offenbart nur ein weiteres Mal, wie egal ihm das alles ist, interessant ist jedoch ein anderer Aspekt. In der Antwort an Petra Pau, MdB DIE LINKE, geht auch hervor, dass das Innenministerium den Alleingang auch mit der Zuständigkeit des Innenressorts für die Zuwanderung, auch aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen. Innenpolitik ist aber auch Sache der Länder. Ob Berlin und auch Thüringen klagen werden, ist noch offen. Zahlreiche asylpolitische Akteur*innen aus der Seebrücke-Bewegung fordern das ein.
    taz (10.08.20)
    Tagesspiegel (12.08.20)

 

  • Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Anne Spiegel reihte sich nun in diejenigen ein, die von Horst Seehofer eine schnelle Evakuierung zumindest einiger fordern. Sie geht davon aus, dass 5.000 Menschen problemlos aufgenommen werden könnten.
    SZ (11.08.20)

Hintergrund und Meinung

 

  • In Chemnitz kommt es am 18. April 2020 zu Polizeigewalt in einer Wohnung. Am Ende bleibt der Familienvater mit geschwollenem Gesicht und Blessuren, die schwangere Familienmutter mit dunkel verfärbtem Fußgelenk zurück, im Krankenhaus werden Gewalteinwirkungen gegen den Bauch dokumentiert. Was eine Kontrolle auf Lärm und möglichen Verstoß gegen die Corona-Schutz-Verordnungen begann, mündet in einen bis heute traumatisierenden Angriff für die Familie, insbesondere für die achtjährige Tochter. Strafanzeige gegen die Beamt*innen wurde gestellt, auch die werfen den Eltern Widerstand vor. Dass es überhaupt zu einer eingehenden Prüfung kommen wird, ob das Verhalten der Beamt*innen rechtswidrig war, darf bezweifelt werden. Sofern das Hellfeld der dokumentierten Polizeigewalt herangezogen werden kann, ist dort festzustellen, dass fünf Prozent aller Fälle in Wohnungen geschehen. Relativ wenig, wenn es aber dort geschieht, sind auffällig oft Menschen mit tatsächlicher oder zugeschriebener Migrationserfahrung betroffen, bestätigt der Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Uni Bochum. Derlei Fälle sind inzwischen häufiger bekanntgeworden. Dass es in Chemnitz zur Aufklärung kommt, ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil dieselbe Direktion gegen ihre eigenen Beamt*innen ermittelt. Nicht mal eine Trennung ist hier gelungen. Von einer unabhängigen Beschwerdestelle mit eigenen Ermittlungsbefugnissen ganz zu schweigen.
    Tagesspiegel (PRINT) (10.08.20)

 

  • Eine sich etablierende, rechtsradikale Vereinsszene, eine gemeinsame Bewegung  die wie 2018 in Chemnitz schnell mobilisieren kann und zunehmende Immobilienkäufe – das zeichnet die Entwicklungen in der radikalen Rechten aus, berichtet Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen im Interview mit nd. Die Szene in Sachsen unterscheidet sich in weiten Teilen gar nicht mal so sehr von der in den anderen neuen Bundesländern. Jedoch werde in Sachsen vieles ausprobiert, da Nazis hier das Gefühl hätten, Freiräume zu haben, so Nattke.
    nd (08.08.20)

 

  • Am 12. August 1979 kommt es in Merseburg zu einer rassistischen Hetzjagd, mehrere Menschen kubanischer Staatsbürgerschaft werden von einem Mob gejagt. Einige springen in die Saale, später werden zwei Leichen geborgen. Raúl Garcia Paret, 21 Jahre, und Delfin Guerra, 18 Jahre, sind tot. Akten dazu wurden von der Staatssicherheit angelegt. Nach einer neuerlichen Strafanzeige der Abgeordneten Henriette Quade DIE LINKE im August 2019 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren im März 2020 ein. Rechtsmittel laufen. Die Initiative 12. August organisiert Demonstrationen und fordert Aufklärung, so auch heute, am Jahrestag des Verbrechens.
    nd (11.08.20)
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