Eine Woche nach dem 31. August: Für sogenannte Drittstaatsangehörige aus der Ukraine droht Abschiebung

Wir veröffentlichen hiermit ein Statement von Donia Bouchta, die als Studentin vor dem Krieg in der Ukraine floh und inzwischen in Leipzig lebt:

Der 31. August war vor genau einer Woche. Während dieses Datum für viele keine Bedeutung hat, ist es für diejenigen von uns, die aus Drittstaaten vor dem Konflikt in der Ukraine fliehen, von großer Bedeutung. Wir sind ungefähr 29.000 Menschen bundesweit und haben Monate damit verbracht, uns einzuleben, um Lösungen für unseren Aufenthalt zu finden. Weil wir als Student*innen und Arbeiter*innen aus der Ukraine nicht willkommen sind, hören wir, dass jetzt andere Gesetze für uns „Drittstaatler*innen“ gelten. Sie besagen, dass Menschen, die keine Fiktionsbescheinigung haben und die noch nicht registriert sind, plötzlich illegal in Deutschland sind. Wir könnten sogar abgeschoben werden.

Als eine der Personen, die zwar registriert sind, aber die Fiktion nur deshalb nicht erhalten haben, weil das Original der ukrainischen Aufenthaltskarte nicht bei ihr war, war ich verblüfft. Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, darunter auch die Möglichkeit, Deutschland zu verlassen. Obwohl ich schon die Sprache lerne, denn es sind bereits fünf Monate seit meiner Ankunft vergangen. Da ich aber hier bin, um mein Sprachstudium zu beenden, kann ich nicht einfach abreisen, und selbst wenn ich es täte, was würde mich dann in meinem Heimatland erwarten? Ich könnte mich dort nicht an einer Universität einschreiben, weil ich eine Studentin bin, die aus der Ukraine zurückkehrt.

Andere Möglichkeiten als Deutschland?

Drittstaatler*innen, die an einer ukrainischen Universität waren, haben zwei Möglichkeiten, ihr Studium zu beenden: entweder sie lernen fließend Französisch und schreiben sich an privaten Universitäten ein, wo sie wieder bei Null anfangen müssen. Eine andere Option wäre, dass sie nach Georgien, Rumänien bzw. Russland reisen und beenden ihr Studium dort, wo sie aufgehört haben. Das Problem dabei ist jedoch, dass die ukrainischen Universitäten viel Geld verlangen, wenn man sein Studium vorzeitig unterbrechen und es im Ausland beenden will. Warum wir nicht bleiben und weiter wie Ukrainer*innen studieren bzw. arbeiten können, ohne überall auf Vorurteile zu stoßen.

Anhaltende rassistische Diskriminierung, beginnend mit dem ersten Tag des Krieges

Die rassistische Diskriminierung begann bereits, als wir versuchten, die Ukraine zu verlassen. Nach drei Tagen Flucht; Diskriminierung im Zug und langen Wartezeiten an den Grenzen fühlten wir uns, als ob wir nicht das Recht hätten, das Land zu verlassen. Einige von uns, vor allem BIPoC, wurden an der polnischen Grenze von deren Grenzkräften verprügelt und aufgehalten. Nun sind zwar viele von uns in einem neuen Land, in Sicherheit und am Leben, aber wir haben keine Ahnung, wie es in Deutschland weitergehen soll.

Wir kamen an und überlegten, was wir als Nächstes tun sollten. Wir gingen zur Universität, schickten unseren Papierkram ab, und der Tag der Immatrikulation war endlich gekommen. Dabei hatten wir viel gelernt, unter anderem, dass Ukrainer*innen für Behörden oberste Priorität haben – so als ob wir nicht denselben Albtraum erlebt haben. Wenn es um die Ausländerbehörde geht, trifft jede*r Mitarbeiter*in trotz gleicher Umstände eine andere Entscheidung. Einige von uns wurden gezwungen, einen Asylantrag zu unterschreiben, während anderen Grenzübertrittsbescheinigungen ausgehändigt wurden oder ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, „freiwillig“ zu gehen, ohne dass sie verstanden, was das bedeutete.

Gleiche Rechte für alle, Schluss mit dem Rassismus!

Diejenigen unter uns, die immer noch keine Fiktionsbescheinigung erhalten haben, sind jetzt mit Anwält*innen in Kontakt, die versuchen, diese Dokumente für sie zu erstreiten. Der 31. August ist nun eine Woche vergangen und wir fragen uns, was im September noch passieren wird. Mich eingeschlossen. Wir fordern von der deutschen Regierung, eine Lösung für uns zu finden! Wir sind vor demselben Krieg geflohen wie die ukrainischen Bürger*innen. Jeder Unterschied, der zwischen ihnen und uns gemacht wird, kann nur als rassistisch bezeichnet werden. Deshalb fordern wir von Deutschland, endlich Gerechtigkeit walten zu lassen und uns das Recht auf unsere Zukunft zurückzugeben, das wir durch den Krieg verloren haben!

 
Kontakt
Donia Bouchta
Mobil: +49 176 29107276

Mail: doniabouguiour@gmail.com

 

 
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