Am Mittwoch entscheidet der Landtag über das Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz
Der geplante Ausreisegewahrsam in Sachsen empört eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Akteur*innen. Weithin bekannt sind die verheerenden Folgen, die Gewahrsam und Haft für die Betroffenen haben. Die zum Protest Aufrufenden wollen am kommenden Mittwoch um 12 Uhr gegen die voraussichtliche Zustimmung zum Vollzugsgesetz vor dem Landtagsgebäude protestieren. Trotz dass die Koalition nachjustierte, bleiben viele Punkte an dem Gesetz kritisch und ungeklärt.
Am kommenden Mittwoch wird der Sächsische Landtag über das Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz abstimmen. Geplant ist, dass sich Schutzsuchende Ende des Jahres in haftähnlichen Situationen wiederfinden werden. Auch Familien mit ihren Kindern und unbegleitete Minderjährige werden davon nicht ausgenommen sein. Aus der Zivilgesellschaft wird grundsätzliche Kritik am Vollzug des Gewahrsams laut. „Das ist ein Schritt zurück. Andere Landesregierungen nehmen Abstand von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam. In Sachsen aber soll für veranschlagte drei Millionen Euro ein aus unserer Sicht völlig sinnloses, in den Folgen aber verheerendes Vollzugsinstrument geschaffen werden.“ argumentiert Ali Moradi, Geschäftsführer des Sächsischen Flüchtlingsrats e.V. Der mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung im August 2015 geschaffene Ausreisegewahrsam hat das Ziel, „die Abschiebung zu sichern.“ Was wie ein gewöhnlicher Verwaltungsakt klingt, hat weitreichende Auswirkungen auf die Psyche der Ingewahrsamgenommenen. Da sie keine Straftat begangen haben, ist die Haftsituation für sie nicht nachvollziehbar. In einer Studie des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes aus dem Jahr 2010 wird deutlich, dass das Unverständnis der Betroffenen über ihre Situation deren physische und psychische Gesundheit regelrecht verfallen lasse. Umso mehr, wenn Kinder inhaftiert sind, umso mehr wenn sie unbegleitet sind. „Aus diesen Gründen rufen wir zum Protest gegen den Ausreisegewahrsam am Mittwoch um 12 Uhr vor dem Landtagsgebäude auf.“ so Moradi.
Trotz Änderungsantrags bleibt das Gesetz hochproblematisch
Mit einem Änderungsantrag versuchten CDU und SPD, den Ausreisegewahrsam zu „verbessern“. Nun sollen die Belange von besonders Schutzbedürftigen berücksichtigt werden. Was das heißt, wird nicht deutlich denn es bleibt der Generalverweis auf das Strafvollzugsgesetz – was für Straftäter*innen gilt. Inwiefern hier im Detail beispielsweise auf die besondere Situation von unbegleiteten Minderjährigen eingegangen wird, bleibt offen. Vor allem die fehlende psychotherapeutische und soziale Beratung vor Ort ist Anlass zur Besorgnis. Ein neu zu schaffender Beirat soll zudem Kontrolle gewährleisten. Dass anstelle dessen nicht ein Besuchsrecht für die Ingewahrsamgenommenen etabliert wurde, ist zu hinterfragen. Hier hätten die Betroffenen die Möglichkeit gehabt, direkt mit Anwält*innen und NGO-Mitarbeiter*innen zu sprechen sowie von Familie und Freund*innen Abschied zu nehmen. Große Zweifel gibt es zudem an der Rechtmäßigkeit der Standortwahl. Der entsprechende Paragraph zum Ausreisegewahrsam sieht vor, dass der Vollzug im oder in der Nähe eines Flughafens geschehen soll. Der Dresdner Flughafen verzeichnet aber so gut wie keine außereuropäischen Verbindungen. Moradi dazu: „Vorschnell wird hier ein als ultima ratio angedachtes Abschiebeinstrument geschaffen. Ich wiederhole noch einmal die Forderung unseres Appells vom November 2016 an die Mitglieder des Landtags: stimmen Sie dem Gesetz nicht zu! Ein so schludriges Gesetz wird Grundrechtsverletzungen zur Folge haben, ganz abgesehen davon dass der Ausreisegewahrsam selber eine reine Grundrechtsverletzung ist.“
Eine kurze Auseinandersetzung zum Änderungsantrag der Koalitionsparteien finden Sie hier.
Die zum Protest Aufrufenden sind:
Afghanische Kulturgruppe Dresden
AG Asylsuchende Sächsische Schweiz Osterzgebirge e.V.
AKuBiZ e.V. Pirna
Arbeitskreis Ausländer und Asyl Freiberg e.V.
Asylum Seekers‘ Movement
Ausländerbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens
Bon Courage e.V.
Gefangenen Gewerkschaft / Bundesweite Organisation
Initiativkreis Menschen.Würdig e.V.
Kontakgruppe Asyl e.V. Dresden
Linksjugend [’solid] Dresden
Netzwerk Asyl, Migration, Flucht Dresden
Non-Citizen Council
Peperoncini e.V.
Refugee Law Clinic Leipzig e.V.
Romano Sumnal e.V.
Rote Hilfe e.V.
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Zendegi (Leben) – Keine Abschiebungen nach Afghanistan