Nach Stadtratsbeschluss in Freiberg ist nichts gelöst
Der Freiberger Stadtrat will nun beim Innenministerium einen Zuzugsstopp erwirken – offenbar unwissend, was ein solcher konkret bedeutet. Davon abgesehen, dass er wie von Sachsens Innenminister Roland Wöller angekündigt, wohl nicht durchgehen wird: der Zuzugsstopp wäre, sollte Freiberg tatsächlich so überfordert sein wie dargestellt, ohnehin keine Lösung.
Das Anliegen des Freiberger Oberbürgermeisters Sven Krüger ist, wie in seiner Pressemitteilung deutlich wird, ganz klar: er möchte, dass keine weiteren Geflüchteten in seine Stadt kommen. Egal, ob sie nun das Asylverfahren mit positivem Ausgang durchlaufen haben oder noch auf den Bescheid des Bundesamts warten. Der Stadtrat hat am vergangenen Donnerstag beschlossen, einen Antrag auf einen „Zuzugsstopp“ beim Innenministerium zu stellen, der keineswegs mit einem „Aufnahmestopp“ verwechselt werden sollte – die Maßnahmen betreffen unterschiedliche Personengruppen, was dem Stadtrat offensichtlich überhaupt nicht bewusst war. Von einem „Zuzugsstopp“ wären Anerkannte und subsidiär Schutzberechtigte betroffen, die sich bis dato nach erfolgter Anerkennung durch das BAMF ihren Wohnsitz innerhalb Sachsens frei wählen dürfen. Der Wortlaut der Pressemitteilung hingegen legt nah, dass es den Stadtoberen aber vor allem darum ging, Menschen im Asylverfahren(!) „innerhalb des Landkreises gerechter auf die Städte und Gemeinden zu verteilen“. Ein folgenreicher Denkfehler: ein „Zuzugsstopp“ bedeutet einen massiven Eingriff in die Grundrechte von Menschen mit Anerkennung oder subsidiärem Schutz, die im Übrigen keineswegs „verteilt“ oder „zugewiesen“ werden. Menschen, die sich noch im Asylverfahren befinden, werden dagegen nach dem Aufenthalt in den landeseigenen Erstaufnahmeeinrichtungen innerhalb der Landkreise und kreisfreien Städte verteilt. Und hier zeigt sich mit Blick auf die dezentrale Unterbringungsquote Mittelsachsens, dass das Landratsamt tatsächlich eine fehlgeleitete Politik fährt. Gerade einmal die Hälfte der Menschen im Asylverfahren ist in Wohnungen untergebracht, die andere Hälfte muss in den Gemeinschaftsunterkünften des überwiegend ländlich geprägten Kreises verharren (s. Drs. 6/10060). Dabei ist die zentrale Unterbringung in humanitärer wie integrationspolitischer Hinsicht absolut zu kritisieren.
Außer Schlagzeilen hat die Stadt nichts gewonnen
Abgesehen von diesem kapitalen Fehler bei der Wahl der passenden Maßnahme, dürfte der nun also geforderte „Zuzugsstopp“ sogar weitgehend folgenlos bleiben: denn mit einem „Zuzugsstopp“ für Anerkannte und subsidiär Geschützte wäre es dem Landratsamt noch immer möglich, der Stadt Freiberg Asylsuchende zuzuweisen. Nach erfolgreicher Anerkennung könnten sie noch immer ihren Wohnsitz in der Stadt nehmen, da es sich nicht um „Zuzüge“ handeln würde. „Oberbürgermeister Krüger schadet dem Anliegen der Kommunen. Auf mehr und faire Unterstützung von Bund und Land bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten zu bestehen, ist vollkommen legitim. Aber außer Schlagzeilen, die Geflüchtete wieder nur als Problem beschreiben, hat Freiberg hier gar nichts gewonnen.“ so Mark Gärtner für den SFR e.V. „Die Forderung ist regelrecht irreführend. Vor allem aber missachtet sie die im internationalen Recht garantierte Freizügigkeit Anerkannter.“
Richtige Forderungen statt Schnellschüssen – das wäre gute Politik
Tatsächlich hat der MDR bereits im vergangenen Jahr aufgezeigt, dass die Bundesmittel für Unterbringung und Integration anerkannter Geflüchteter höchst unfair verteilt werden. Denn die Berechnungsgrundlage hierfür ist lediglich der Königsteiner Schlüssel – der die Zahl der deutschen Staatsbürger*innen in den Bundesländern berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wird die Zahl der tatsächlich dort lebenden, anerkannten Geflüchteten. Eine Pauschale pro anerkannter*m Geflüchteter*n würde die Mittel genau verteilen. Schwierig umzusetzen dürfte eine solche Neuregelung nicht sein. Bei Menschen im Asylverfahren erhalten Länder und Kommunen bereits Pro-Kopf-Pauschalen. „Im Prinzip hat der mit dem Integrationsgesetz eingeführte Paragraph zu Wohnsitzauflagen und Zuzugsstopp eines gezeigt: er ist schlicht eine Scheinlösung. Eigentlich hat er nur bewirkt, dass Geflüchtete in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und als Problem wahrgenommen werden. Wir könnten uns die ganze Debatte wahrscheinlich sparen, wenn die Mittelverteilung reformiert worden wäre. Aber dafür müssten manche Kommunalpolitiker*innen genau das fordern und nicht ihre eigenen Interessen mit abstruser Politik sabotieren.“