Sächsische Initiativen und Vereine sprechen sich gegen Pläne des Innenministers aus
„Es braucht diese Maßnahmen nicht, Herr Wöller. Sie führen nicht nur zu mehr Leid im Falle der verlängerten Zeiten in Erstaufnahmeeinrichtungen oder zu mehr Demütigung im Falle der Wohnsitzauflage. Sie sind in ihrer populistischen Manier keine vernünftige Politik.“ so die unterzeichnenden Vereine und Initiativen, die sich in einem offenen Brief an Innenminister Roland Wöller wenden. Allein seine Ankündigung, Menschen länger in Erstaufnahmeeinrichtungen leben zu lassen, verursachte Verunsicherung und Empörung. Anstatt Erstaufnahmeeinrichtungen als überkommenes Konzept zu verwerfen, plant Wöller nun, den Kreis der Betroffenen weiter auszuweiten. Zustände wie in den „Transitzentren“ genannten Lagern in Bamberg und Manching werden nun befürchtet. Eine gesundheitliche und rechtliche Würdigung des Einzelfalls findet dort schon lange nicht mehr statt, wie die Dokumentation des Bayerischen Flüchtlingsrats e.V. zeigt. Ohne rechtliche Beratung und Zugang für Nichtregierungsorganisationen müssten dann noch mehr Menschen das Asylverfahren unter höchst problematischen und gesundheitsschädigenden Unterbringungsbedingungen durchlaufen. Darüber hinaus greife auch keine grundgesetzlich garantierte Schulpflicht in sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen. Bald könnten es wesentlich mehr als wenige hundert in Sachsen lebende Minderjährige sein, die keine Schule von innen sehen.
Die Wahl des Wohnorts ist zutiefst individuell und kann nicht verordnet werden
Die längeren Zeiten in Erstaufnahmen sind dabei nur die eine Seite eines Deals mit den Landkreisen. Denn die akzeptieren nun im Gegenzug die ungeliebte Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete, und das für drei Jahre. „Aus humanitärer wie aus integrationspolitischer Sicht bedenklich“ sei das, so die Unterzeichner*innen. Dabei sei die Auflage vollkommen unnötig. Sie werde dem Attraktivitätsproblem des ländlichen Raums keine Abhilfe schaffen, sie werde die Großstädte nicht entlasten. Eine umfassende, strukturelle Förderung der Kommunen müsse den Bedürfnissen aller entsprechen, sodass alle partizipieren können. Zudem finden es die Unterzeichner*innen mindestens nachvollziehbar und darüber hinaus absolut notwendig, wenn Menschen dem Klima von verbaler bis physischer Gewalt in sächsischen Ortschaften entkommen wollen. Der Sachsen-Monitor habe das weit verbreitete, rassistische Denken in der sächsischen Gesellschaft offengelegt, die Namen der Kommunen, in denen das Denken in knallharte Gewalt umschlug, müssten nicht aufgezählt werden. Es gehe darum, den Menschen nicht nur das physische Ankommen zu ermöglichen. Sie hätten eine der einscheindendsten Entscheidungen in ihrem Leben getroffen. Sie gaben ihr Zuhause auf, weil es nicht mehr als Zuhause taugte. Es dürften ihnen nicht noch mehr Steine in den Weg gelegt werden, als die die sie bereits überwunden hätten.
Der offene Brief hier.
Den Brief unterzeichnende Vereine und Initiativen:
AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V.
AKuBiZ e.V., Pirna
Arbeitskreis Ausländer und Asyl Freiberg e.V.
Asylum Seekers‘ Movement, Leipzig
Bon Courage e.V., Borna
Bündnis Blickkontakt, Sohland/ Wehrsdorf
Gedenkort Josephstraße e.V., Leipzig
Help e.V., Aue
Initiativkreis: Menschen.Würdig, Leipzig
Kontaktgruppe Asyl e.V., Dresden
RAA Opferberatung Sachsen e.V.
Refugee Law Clinic Leipzig e.V.
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V., Chemnitz & Dresden
Treibhaus Döbeln e.V.
Willkommen in Bautzen e.V.
Zendegi – Keine Abschiebung nach Afghanistan, Leipzig
Weitere Unterzeichner*innen
Peperoncini e.V.