Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam können alsbald in Dresden vollzogen werden
Gestern Abend entschied der Sächsische Landtag über das Abschiebungshaftvollzugsgesetz. Der Grundsatz „Flucht ist kein Verbrechen“ wird in Sachsen nicht mehr gelten, das haben die Fraktionen von CDU, SPD und AfD beschlossen. Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke stimmten dagegen. Für die Dresdner Zivilgesellschaft ergibt sich eine neue Front, die es zu bedienen gilt: rechtliche Beratung und persönlich-emotionale Unterstützung für Schutzsuchende im Gefängnis auf der Hamburger Straße. Am Dienstag traf sich erstmals seit 2014 wieder die Abschiebungshaftkontaktgruppe.
CDU und SPD in Sachsen halten sie für unabdingbar: Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam. In ihren Redebeiträgen schwang die Mär des „Vollzugsdefizits“ bei Abschiebungen nur so mit. Wer sie so reden hört, der*die muss denken, in der Bundesrepublik gelte der – aus Sicht des Sächsischen Flüchtlingsrats (SFR) äußerst erstrebenswerte – Grundsatz „Bleiberecht für Alle“. Stattdessen wird die Abschiebedoktrin angewendet, koste es was es wolle. Die sächsische Abschiebepolitik hat Familientrennungen, gefesselte Minderjährige sowie die Abschiebung hochschwangerer Frauen wie schwerkranker Menschen zu verantworten. Kinder, die hier geboren sind, fanden sich in Armenien wieder. All das genügt der Koalition nicht. Jetzt sollen Grundrechtseingriffe auch in einem Gefängnis stattfinden. Ernsthafte Sorge besteht, dass die Haftbedingungen bei vielen Geflüchteten Spuren in der Psyche hinterlassen werden. Denn allein das Asylbewerberleistungsgesetz soll die Versorgung Kranker absichern – was bereits in Freiheit nicht gelingt. „Die mangelnde Gesundheitsversorgung ist nur einer von vielen Kritikpunkten. Gestern wurde ein Gesetz verabschiedet, das bereits im Detail versagt, die spezifische Lebenssituation von Geflüchteten zu berücksichtigen. Gerade bei besonders Schutzbedürftigen. Generell kommen grundsätzliche Zweifel auf, ob das Gesetz überhaupt verfassungskonform ist. Denn, dass sich Abschiebungshaft tatsächlich von Strafhaft in Sachsen unterscheidet, das ist im Gesetz nicht erkennbar.“ kommentiert Mark Gärtner vom SFR die gestrige Entscheidung.
Abschiebungshaftkontaktgruppe bereitet sich auf Beistand und Beratung vor
Für die Dresdner Zivilgesellschaft ergibt sich nun eine neue Herausforderung. Die rechtliche Beratung wie der emotional-persönliche Beistand in Abschiebungshaft muss sichergestellt werden. Am Dienstag Abend dieser Woche fand das erste Treffen der neu zu gründenden Abschiebungshaftkontaktgruppe statt. Die Teilnehmer*innen wollen sich genau dieser Aufgabe stellen. Dass ihre Tätigkeit aber allein ehrenamtlich geschehen wird, hat die Koalition so gewollt. Eine öffentlich finanzierte, unabhängige Beratung in Abschiebungshaft ist im Gesetz nicht vorgesehen. „In der Kontaktgruppe werden sich Mitarbeiter*innen aus NGOs wie beispielsweise dem Ausländerrat, der Refugee Law Clinic Dresden, der bereits bestehenden Kontaktgruppe Asyl sowie dem SFR zusammenfinden sowie alle weiteren Menschen, die den Inhaftierten auf der Hamburger Straße beistehen wollen.“ fügt Gärtner hinzu. „Neben dem Beistehen in familiären und gesundheitlichen Angelegenheiten ist die rechtliche Beratung immens wichtig. Wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Haftanordnungen rechtswidrig sein wird.“ So hätten 85 bis 90 Prozent der Haftanordnungen der Amtsgerichte keinen Bestand vor dem Bundesgerichtshof, schätzte die dort tätige Richterin Johanna Schmidt-Räntsch. Gärtner weiter: „Das Schlimme ist: die Zivilgesellschaft muss hier die Amtsgerichte kontrollieren, die ja eigentlich selber das Verwaltungshandeln kontrollieren sollen. Aber die Erfahrung lehrt: in Abschiebungshaft werden Recht und Gesetz schnell außer Kraft gesetzt.“ Eine Lehre, der sich CDU und SPD verweigerten.
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