Pressespiegel zur Asylpolitik vom 31. Juli 2018
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de
Wegen Seebrücken-Demotrubels musste der Pressespiegel letzte Woche leider ausfallen. Sorry. Hier jetzt der ultimative Zwei-Wochen-Rückblick.
Geschehenes – Kurzmeldungen
Blick nach Europa und die Welt
- Die EU-Kommission hat Ungarn vorm Europäischen Gerichtshof verklagt. Dass die ungarischen Asylverfahren nur in „Transitzonen“ genannten Lagern an den Grenzen durchgeführt werden, sei nicht vereinbar mit EU-Recht. Die Lager haben, logisch, eine begrenzte Kapazität. Heißt, wenn sie voll belegt sind, können Menschen in Ungarn nicht mal mehr Asyl beantragen, selbst wenn sie es wollen. Fliehende würden selbst dann zurück über die Grenze gebracht. Ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren, wo die letzte Stufe, die Klage, allerdings noch nicht erreicht ist, wurde gegen das Gesetz eingeleitet, welches NGOs, die Geflüchtete und Migrant*innen unterstützen, kriminalisiert. Es ist seit diesem Monat in Kraft.
https://www.sueddeutsche.de/politik/asylrecht-eu-kommission-verklagt-ungarn-1.4061663 (19.07.18)
Bund, Land, Kommune
- In dem Abschiebeflieger, der Anfang Juli Richtung Kabul abhob, saßen 69 Menschen. Immer mehr wird über die Einzelschicksale bekannt. Einer beging in Kabul Suizid. Ein weiterer hätte nie in dem Flieger sitzen dürfen. Das Verwaltungsgericht in Greifswald, Mecklenburg-Vorpommern, bestätigte, dass eine Klage gegen seinen negativen Asylbescheid anhängig war. Seine Anwältin arbeitet nun daran, ihrem Mandanten die Rückreise nach Deutschland zu ermöglichen. Recherchen von mdr exakt haben zudem ergeben, dass sich unter den drei abgeschobenen Menschen aus Afghanistan zwei befanden, die nicht unter die Kategorien „Gefährder*in“, „Straftäter*in“ oder „Identitätsverweiger*in“ fielen. Demnach hat auch der Freistaat Sachsen seine Abschiebepraxis nach Afghanistan verschärft – als einziges Bundesland neben Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Ein Mensch aus dem Landkreis Zwickau war psychisch erkrankt, ein weiterer aus dem Landkreis Leipzig hatte eine Lebensgefährtin, arbeitete, spricht gut Deutsch. Der SFR fordert daraufhin in einer PM von der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping, „auf die Barrikaden zu gehen“, schließlich sei es auch ihre Arbeit, die hier konterkariert werde. Am Tag darauf spricht sich Köpping in einer PM dafür aus, wenigstens die Menschen in Arbeit und Ausbildung nicht abzuschieben und den sogenannten „Spurwechsel“ zu ermöglichen. Mit „Spurwechsel“ wird der Übergang vom Asylrecht in die aufenthaltsrechtliche Arbeitsmigration genannt, der heute ohne vorherige Ausreise und Wiedereinreise kaum möglich ist. Eine Ausnahme stellt in gewisser Weise die Ausbildungsduldung dar, die in Sachsen jedoch nur restriktiv ausgestellt wird.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-07/abschiebung-afghanistan-asylrecht-fluechtling-klage-unrecht (17.07.18)
https://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/video-215874_zc-7748e51b_zs-1638fa4e.html (25.07.18)
- Erneut versucht die Bundesregierung, Algerien, Marokko und Tunesien als „Sichere Herkunftsstaaten“ einzustufen. In den drei Ländern kommt es zu Folter, LGBTIQ-Menschen werden von Staat und Mehrheitsgesellschaft verfolgt, das Recht auf Versammlungsfreiheit wird verletzt, es kommt zu Verhaftungen. Amnesty International betont, die Einstufung als „Sicherer Herkunftsstaat“ sei abzulehnen. Die daraus resultierenden, „offensichtlich unbegründeten“ Ablehnungen stünden im Widerspruch zur individuellen Prüfung von Asylanträgen. Bisher scheint es so, dass die Grünen erneut den Vorstoß im Bundesrat stoppen könnten/ wollen.
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/asylpolitik-tunesien-marokko-algerien-berichte-ueber-folter-in-sicheren-herkunftslaendern/22817420.html (19.07.18)
- Die bayerische Landesregierung hat ein „Landesamt für Asyl und Rückführungen“ eingerichtet. Dass ein solches Landes-Amt nicht über Asyl entscheidet, haben sie in Bayern vergessen. Tatsächlich sollen mit der Inbetriebnahme der „Ankerzentren“ genannten Lager am 01. August Abschiebungen dort zentral und landesweit organisiert werden. Politiker*innen von Linken und Grünen bezeichnen die neue Behörde als vollkommen unnötig.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/fluechtlinge-soeder-eroeffnet-neues-landesamt-fuer-asyl/22855432.html (27.07.18)
- Vorvergangenen Montag schießt ein Mann im thüringischen Untermaßfeld viermal auf vier minderjährige Geflüchtete. Er verfehlt seine Ziele.Warum hat der Vorfall keinen Aufschrei erregt, fragt Vice? Wäre die Reaktion anders, wenn ein Geflüchteter auf Kinder deutscher Staatsbürgerschaft geschossen hätte? „Eindeutig ja.“, antwortet Robert Lüdecke von der Amadeo-Antonio-Stiftung auf Anfrage. Es habe eine Abstumpfung gegenüber rassistischen Taten stattgefunden. So etwas ereigne sich nahezu wöchentlich. Weiterhin würden rassistische Taten von der Polizei immer wieder bagatellisiert. Dann werde der Vorfall schnell als Körperverletzung registriert, nicht als politisch motivierte Tat.
https://www.vice.com/de/article/8xb8yp/deutscher-schiesst-auf-minderjahrige-gefluchtete-und-niemand-interessiert-sich-dafur (26.07.18)
- Der Dresdner Stadtrat hat Oberbürgermeister Dirk Hilbert beauftragt, das Gespräch mit dem sächsischen Innenministerium über das geplante, „Ankerzentrum“ genannte Lager auf der Hamburger Straße zu suchen. Ein solches Lager einzurichten, müsse an die Bedingung geknüpft sein, dass sich die Situation der Menschen dort spürbar verbessere, so der Stadtrat. Das Innenministerium sieht keinen Nachbesserungsbedarf, schließlich würden beschleunigte Verfahren ja dazu beitragen, dass Menschen schneller abgeschoben werden.
https://www.sz-online.de/sachsen/freistaat-plant-weiter-ankerzentrum-in-dresden-3976257.html (16.07.18)
- Am Sonntag demonstrierten bis zu 2.000 Menschen in Dresden für offene Häfen, Seenotrettung und legale Fluchtwege. Ein voller Erfolg war die Demo, die Organisator*innen von WHAT, Nationalismus raus aus den Köpfen, Tolerave, HOPE – fight Racism, SFR, Herz statt Hetze und Mission Lifeline freuen sich über die rege Teilnahme! Mehr als 3.200 Euro an Spenden konnten für die Lifeline gesammelt werden. Die will ein neues Schiff besorgen nachdem die Crew nicht mehr aus Malta auslaufen darf. Besonders freute die Organisator*innen, dass Aktionskünstler*innen im Vorfeld der Demo am Sonntag und Mittwoch je ein Banner droppen ließen und am Freitag Morgen Schwimmringe auf den stadtbekannten Statuen verteilten. Die Bilanz der Aktionsgruppe „Seebrücke Dresden“ hier in der PM.
http://www.taz.de/!5520341/ (29.07.18)
https://www.sz-online.de/nachrichten/unterstuetzung-fuer-seenotretter-3984375.html (29.07.18)
Der Pressesprecher der Gruppe, Lennart Happe, im Interview mit dem Linksdrehenden Radio bei Radio Blau:https://www.linksdrehendes.de/2018/07/28/ldr313-vom-27-07-2018/ (27.07.18)
- Bechir Arafet war Restaurantleiter in Dresden. In der Sächsischen Härtefallkommission fand sich vor wenigen Monaten keine Mehrheit für seinen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis. Daraufhin erfolgte die Ausreise nach Tunesien in der Hoffnung auf ein Arbeitsvisum. Das wurde nun jedoch ebenso abgelehnt. Arafet muss in Tunesien bleiben.
https://www.sz-online.de/nachrichten/kein-visum-fuer-restaurantleiter-3978909.html (20.07.18)
Hintergrund und Meinung
- Kommunaler Ungehorsam gegen nationalstaatliche Abschottung! In der Wochenzeitung zeigen Anna Jikhareva und Raphael Albisser auf, wie Städte gegen die Politik ihrer Regierungen vorgehen können. Sei es die Aufnahme von Geflüchteten in Barcelona, öffentliches Druck machen wie neulich erst Köln, Berlin und Bonn, vorher aber auch schon Berlin, das Netzwerk der Solidarity Cities oder gleich die urbane Staatsbürger*innenschaft – da ist was in Bewegung! Die Juristin Helene Heuser: „Die Städte könnten durchaus ihre juristischen Spielräume ausloten […] könnten noch aufmüpfiger werden und sich offen über die Gesetze hinwegsetzen.“ Wenn ihr auch nur einen Link im heutigen Pressespiegel anklickt, dann bitte…
diesen: https://www.woz.ch/-8e48 (05.07.18)
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