PM: Frontalangriff aufs Grundgesetz: Abschiebung nach Georgien entzweit Familien

Drei Familientrennungen, der Versuch eine weitere Familie zu trennen – Südwestsachsen erlebt dunklen Morgen

Am 11. September wird die erste Sammelabschiebung aus Sachsen nach Georgien vollzogen. An Bord sind laut Berichterstattung der Freien Presse 59 Menschen aus Sachsen, insgesamt werden 65 Personen abgeschoben. Wie sich jetzt herausstellt wurden auch drei Familien getrennt – eine davon mit Kalkül. Die kalkulierte Trennung einer weiteren Familie konnte mittels Eilantrag verhindert werden.

„Drei Familientrennungen, eine versuchte Trennung, die Abschiebung eines Kindes mit Behinderung, ein weiteres Kind mit Behinderung sollte abgeschoben werden, die Abschiebung einer angehenden Fachkraft – der 11. September 2018 war ein schrecklicher Tag in Südwestsachsen.“ kommentiert Mark Gärtner vom SFR e.V. die Sammelabschiebung ab Leipzig / Halle nach Georgien vom Dienstag dieser Woche.

Familie A. aus Olbernhau im Erzgebirgskreis soll abgeschoben werden. Aber, Frau A. ist schwanger. Ein Bandscheibenvorfall macht ihr zu schaffen. Deswegen wird ihr die Reiseunfähigkeit bescheinigt. Eine Amtsärztin stellt den Befund am Tag der Abschiebung dem 11. September aus. Es gilt jedoch als sicher, dass die Ausländerbehörde Erzgebirgskreis zuvor von der Amtsärztin in Kenntnis gesetzt wurde, dass Frau A. reiseunfähig sei. Jedoch: am Morgen des 11. September steht die Polizei vor der Tür und nimmt den Familienvater und die zwei Kinder mit. Die siebenjährige Tochter hat eine Behinderung. Der Anwalt der Familie reagiert schnell und reicht einen Eilantrag ein. Dem wird stattgegeben, die Abschiebung von Vater und Kindern wird verhindert.

Frau B. und ihre Tochter sind gestattet. Heißt, ihr Asylverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Asylanträge von Herrn B. und dem Sohn mit Behinderung dagegen wurden abgelehnt. Doch auch die beiden finden sich am Dienstag am Flughafen Leipzig / Halle wieder und werden abgeschoben. Einem eingereichten Antrag wird nicht stattgegeben.

„In den Fällen beider Familien ist klar: das war kalkuliert. Wer den Schutz von Familie und Ehe nach Artikel 6 des Grundgesetzes ernst nimmt, trennt Familien nicht.“ so sieht es Mark Gärtner vom SFR e.V. Doch die erste Sammelabschiebung Sachsens nach Georgien sollte offenbar ein voller Erfolg für das Staatsministerium des Inneren werden. Gärtner: „Für hohe Abschiebezahlen in der Presse werden Polizist*innen in sächsische Dörfer und Städte gesandt mit der Lizenz zum Grundrechte treten. Unser Vorwurf: die Polizeibehörden wurden angewiesen, diese beiden Familien zu zerreißen.“ Dass das Verwaltungsgericht dem Eilantrag der Familie A. stattgab, könnte als Glücksfall bezeichnet werden. Doch von Glück kann keine Rede sein, wenn schlicht eine Selbstverständlichkeit bestätigt worden ist: Artikel 6 des Grundgesetzes.

Herr C. liegt im Krankenhaus, als seine Frau und die gemeinsamen Kinder abgeschoben werden. Die Polizei erkundigt sich bei den Ärzt*innen, ob er auch dort abgeschoben werden können, die antworten, er sei noch mindestens eine Woche reiseunfähig. Gärtner dazu: „Der Fall der Familie C. zeigt nicht nur die Missachtung, die Grundrechte bei in Sachsen organisierten Abschiebungen erfahren. Er zeigt auch, wie wenig wert darauf gelegt wird, Fachkräfte zu gewinnen.“ Frau C. strebte eine Ausbildung als Altenpflegerin an. Doch die Ausbildungsduldung wurde abgelehnt.

Zu der Sammelabschiebung wie den Fällen der drei Familien hat Juliane Nagel, MdL, DIE LINKE eine Kleine Anfrage im Landtag eingereicht, siehe hier.

Von der Trennung einer vierten Familie aus der Stadt Leipzig erfuhr der SFR gestern Nachmittag. Der Vater und die schwer erkrankte Tochter verblieben in Deutschland, die Mutter und die zweite Tochter wurden abgeschoben. Die Recherchen des SFR hierzu laufen noch.

Eine weitere Familie wurde aus Döbeln abgeschoben. Laut Sächsischer Zeitung galt sie als vollkommen integriert. Zur Beratung der Sächsischen Härtefallkommission wurde ihr Fall nicht zugelassen, da bereits ein konkreter Rückführungstermin feststand.

Von einer der Familie A. ähnlichen Fallkonstellation mitsamt kalkulierter Familientrennung berichtete der SFR e.V. bereits am 14. März 2017 in einer PM. Hier traf es eine Familienmutter aus Dresden mit festgestellter Reiseunfähigkeit, hier wurde die Abschiebung ihrer Familienmitglieder im Gegensatz zu Familie A. jedoch vollzogen. Der Familienmutter wurden Ehemann und ihre drei Kinder genommen, zwei Wochen nach der Abschiebung landete auch sie in Pristina, Kosovo.

Anmerkung: In einer ursprünglichen Version der PM hieß es, der Vater der Familie C. sei im Zuge der Abschiebung zusammengebrochen. Tatsächlich lag er bereits zum Zeitpunkt des Polizei-Zugriffs im Krankenhaus. Dies ergab sich aus der Antwort auf die Kleine Anfrage von Juliane Nagel, MdL, DIE LINKE, Drs. 6/14722. Wir bitten um Entschuldigung.

Kontakt
Es wird darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls ein Verweis an Unterstützer*innen, Sozialarbeiter*innen, Rechtsanwält*innen erfolgt, die die Fälle der drei Familien begleitet haben.
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
-Projekt Reto / Politik, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit-
Mark Gärtner
Dammweg 5
01097 Dresden
Tel.: 0351 / 33 23 55 94
Mobil: 0176 / 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

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