PM: Abschiebehaft – „Ich habe noch nie in meinem Leben Handschellen tragen müssen“

UPDATE vom 28 Dezember: 

Herr K. wurde gestern aus der Abschiebehaftanstalt in Dresden in den Kosovo abgeschoben. Das Landgericht entschied nicht rechtzeitig über die Zulässigkeit der Haft. 

Herr K. ist einer der ersten Menschen im Abschiebegefängnis. Er fürchtet die Abschiebung.

Derzeit sind es wieder drei Menschen, die im Abschiebeknast Dresden inhaftiert sind. Einer davon ist nach wie vor Herr K. Er ist einer der ersten von vielen, die die Demütigung namens Abschiebehaft über sich ergehen lassen müssen.

„Ich habe noch nie in meinem Leben Handschellen tragen müssen.“ sagt Herr K. Wer nicht weiß, was Haftschock bedeutet – der konnte es kurz nach seiner Inhaftnahme an ihm beobachten. Von heute auf morgen befand er sich in einem Gefängnis, seinen Tagesablauf kann er nicht mehr selber gestalten. „Ich habe mir mein Essen immer selber zubereitet. Jetzt muss ich das essen, was mir vorgesetzt wird.“ Die Folge: Herr K. verliert den Hunger. „Wir begannen, uns zu sorgen, dass Herr K. instabiler werden würde. Der Haftschock hat bei ihm offenbar voll zugeschlagen. Wir sind erleichtert, dass Herr K. für den Moment ein wenig zu Kräften gekommen zu sein scheint.“ berichtet Jörg Eichler vom SFR.

Nicht abgelassen hat der psychische Druck, der auf Herrn K. lastet. Haft ist eine Demütigung. Für jede*n. Erst recht für die, die keine Straftat begangen haben. Herr K. wird nachts wach, wenn in der Zelle der anderen beiden Inhaftierten kontrolliert wird. Er weiß genau, dass dies bei Menschen durchgeführt wird, die suizidal erscheinen. Dass Suizidalität in Haft, insbesondere in Abschiebehaft, eine große Rolle spielt – dafür braucht es keine Studien. Es genügt der reine Menschenverstand, um das Gefühl des absoluten Ausgeliefertseins zu begreifen. Ein Gefühl, das aufkommt, wenn jede Bewegung außerhalb der Zelle registriert und kontrolliert wird. Jegliche Selbstbestimmung ist dahin, Herr K. ist zur Untätigkeit verdammt.

Herr K. befindet sich in der für Abschiebehaft typischen Situation wieder, einer Doppelbelastung ausgesetzt zu sein. Einerseits kann er die Abschiebehaft und was sie mit sich bringt, kaum ertragen und wünscht sich ihr Ende. Andererseits weiß er, dass er möglicherweise nur aus dem Dresdner Knast herauskommt, wenn er abgeschoben wird. Eine Abschiebung, die er fürchtet. „Diesen Widerspruch in sich tragen zu müssen, während die Gedanken in der Zelle kreisen, kann nur schwer auszuhalten sein.“ meint Eichler.

Drohende Rückkehr in die Verfolgung

Herr K. steht unter Druck. Ihm droht die Blutrache im Kosovo, das Land, in welches er möglicherweise am 27. Dezember abgeschoben wird. „Damals, beim BAMF, als ich ihnen von der Blutrache erzählte, der ich dort ausgesetzt bin, da wurde ich ausgelacht.“ sagt er. „Ich habe den Glauben längst verloren.“ Sein Leben ist von der Angst vor dem Tod gezeichnet. Die Heirat mit seiner damaligen Freundin wurde ihm zum Verhängnis. Konflikte mit der Familie seiner Freundin führten zu Herrn K.s faktischem Todesurteil. Er floh nach Deutschland. Eine klare Verfolgung durch eine einflussreiche Familie, die das BAMF nicht anerkennen wollte. Nun sitzt er in Abschiebehaft, weil ihm unterstellt wird, er wolle sich der Abschiebung entziehen.

Eichler ist am Verfahren um Herrn K.s Freiheitsentziehung beteiligt. „Die Anhörung am Landgericht fand am Freitag, dem 21. Dezember statt. Wir erwarten momentan die Entscheidung des Gerichts.“ Grund für vorsichtigen Optimismus besteht. Eichler hatte den Haftantrag der Landesdirektion am Freitag seziert. „Gründe, die an der Rechtmäßigkeit der Haft zweifeln lassen, bestehen.“ so Eichler. Offen ist, ob das Gericht dem folgt. Währenddessen beginnen die Weihnachtsfeiertage. Jens Dietzmann ist seit zweieinhalb Jahren mit Herrn K. befreundet. Besinnlich ist ihm nicht zu zumute: „Was ist das für ein Weihnachtsfest, an dem mein Freund in Gefangenschaft sitzt und auf seine Abschiebung in die Lebensgefahr wartet. So etwas sollte niemand erleben müssen.“

/mg

Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Jörg Eichler
Dammweg 4
01097 Dresden
Tel.: 0351 / 33 22 12 73
Mobil: 0157 / 596 762 20
Mail: eichler@sfrev.de

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