Gemeinsame PM: Getrennte Familien in Leipzig und Osterzgebirge – zwei Erzählungen sächsischer Härte

Gemeinsame PM der AG Asylsuchende Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge und des SFR: Abschiebungen entzweien Familien
Am Montag wird eine Familie im Osterzgebirge getrennt. Sie flohen als Rom*nja aus Kaliningrad, nun ist die schwangere Mutter zweier Söhne in Moskau und kann sich das Geld für die Reise in die russische Enklave nicht leisten. Der Vater flehte darum, mitgenommen zu werden – doch das wäre rechtswidrig gewesen. In der folgenden Nacht von Dienstag auf Mittwoch kann sich in Leipzig ein Vater nicht von seinem Sohn verabschieden. Der Sohn ist jetzt in Spanien und weiß nicht, wann er wieder mit seiner Familie zusammenleben wird. Sachsens Polizei und Abschiebebehörden haben diese Woche bereits ihr hässlichstes Gesicht gezeigt.

„Wir sind zutiefst schockiert angesichts der Bilanz, die sächsische Behörden diese Woche bereits fabriziert haben.“ Josephine Garitz, Vorstandsmitglied des SFR e.V. war in der Nacht auf Dienstag zu Mittwoch auf der Hildegardstraße, als der dreiundzwanzigjährige Mann syrischer Staatsbürgerschaft nach Spanien abgeschoben werden sollte. „Getrennt von seiner Familie, ohne dass sein Vater ihn noch einmal sprechen konnte – das hätte nicht sein müssen!“ stellt Garitz klar. Denn auch wenn sein Asylantrag laut Recherchen des Journalisten René Loch in Spanien erfolgreich war, hätte die Abschiebung nicht vollzogen werden müssen. Mehr noch, aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten, in Deutschland geduldet oder gar erlaubt zu bleiben, hätte es gegeben. „Diese Geschichte steht emblematisch für den Irrsinn, der das gesamte europäische Asylsystem ist.“ meint Garitz. „Fluchtbewegungen kennzeichnen sich dadurch aus, dass Familien zerstreut werden, dass Familien wieder an Orten zusammenfinden, die sie vor ihrer Flucht nie auf dem Schirm hatten.“ Ein junger Mann steht nun in Spanien vor dem Nichts. Das Recht sieht vor, dass die Familie so schnell nicht wieder zusammen leben wird. Garitz fügt hinzu: „Wir stehen für Solidarität und Menschlichkeit. Dafür standen wir auch vorletzte Nacht auf der Hildegardstraße.“

„Ich habe darum gebettelt, dass sie mich auch mitnehmen“

„Sehr geehrter Herr J., sehr geehrte Frau J., in Beantwortung Ihres Schreibens […] teilen wir Ihnen mit, dass bei etwaigen Rückführungsmaßnahmen die Einheit der Familie berücksichtigt wird.“ Was die Landesdirektion Sachsen der Familie J. aus dem Landkreis Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge da schreibt, beruhigt die Eltern zweier Söhne. Denn Herr J. ist noch im Asylverfahren. Zudem sind Herr und Frau J. nicht verheiratet. Dennoch erkennt die Landesdirektion sie in ihrem Schreiben als Familie an. Getrennt wird sie am Montag dem 08. Juli trotzdem. Christina Riebesecker von der AG Asylsuchende: „Für mich ist das nur ein neuer Beweis, dass auf Zusicherungen deutscher Behörden kein Verlass ist.  Behörden täuschen die Menschen bewusst oder sie agieren intern absolut unkoordiniert – beides ist nicht hinnehmbar.“ Damit nicht genug, die im fünften Monat schwangere Frau J. landet mit den Kindern in Moskau. Sie hat derzeit kein Geld, um nach Kaliningrad zu reisen.

Auch hier hat Flucht eine Familie zerstreut und wieder zusammengebracht. Frau J. war mit den Kindern schon einmal in Deutschland, ging im Jahr 2016 dann aber wieder nach Kaliningrad zurück. Als sie im Jahr 2018 nach Deutschland wiederkommen, fällt der Vater noch unter die Dublin-III.Verordnung. Frankreich ist zunächst zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens. Im Februar geht die Zuständigkeit an Deutschland über, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bisher nicht über den Asylantrag entschieden. Herr J. ist gestattet, seine Frau und seine Kinder nur noch geduldet. Am Montag werden sie abgeschoben. „Ich habe gebettelt, dass sie mich auch mitnehmen.“ berichtet Herr J. Tatsächlich – wenn die Behörden das getan hätten, wäre diese Abschiebung illegal gewesen. „Sie hätten einfach gar niemanden abschieben sollen!“ so Riebesecker. Auch hier ist es nun zu spät. Herr J. hat den Behörden nun signalisiert, dass er zurückreisen wird. Als „freiwillig“ wird diese Rückreise in die Statistik eingehen. Für Riebesecker und Garitz nur ein weiterer, zynischer Aspekt von zwei Abschiebungen, die Familien auseinanderrissen.

Kontakt

AG Asylsuchende Sächsische Schweiz / Osterzgebirge e.V.
Christina Riebesecker
-Internationales Begegnungszentrum-
Tel.: 03501 534 78 47
christina.riebesecker@ag-asylsuchende.de

Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Josephine Garitz
-Vorstand-
Tel.: 0351 33 23 55 94
pr@sfrev.de

Teile diesen Beitrag: