Pressespiegel zur Asylpolitik vom 16. Juli 2019

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 16. Juli 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt

  • Vor Tunesien sind 72 Menschen auf ihrer Flucht ertrunken, insgesamt werden 82 vermisst. Die tunesische Küstenwache barg die Leichen.
    SWP (12.07.19)

 

  • In der Straße von Gibraltar rettete der spanische Seerettungsdienst 141 Fliehende vor dem Ertrinken. Ihre Boote hatten in Marokko abgelegt. Etwa 11.000 Menschen sind in diesem Jahr über die westliche Mittelmeerroute nach Spanien gekommen, circa 200 Menschen ertranken auf der Route.
    ORF (14.07.19)

 

  • Kurz nachdem sie 65 gerettete Menschen vorvergangenen Sonntag in Malta an Land gehen lassen konnte, rettete die Crew der Alan Kurdi der Organisation Sea-Eye weitere 44 Menschen im Mittelmeer. Sie wurden einem maltesischen Marineschiff übergeben.
    BR (09.07.19)

 

  • Bundesaußenminister Heiko Maas kündigte an, dass er sich auf EU-Ebene für eine sogenannte „Koalition der Willigen“ einsetzen wolle. Für den Fall, dass Menschen aus Seenot bei ihrer Flucht über das Mittelmeer gerettet und sich auf Schiffen von Rettungs-NGOs befinden, sollen sie entlang fester Kontingente an die Teilnehmerstaaten dieser Koalition verteilt werden. Kritik kommt von der CDU. Humanität sei gut, aber bitte nicht öffentlich kommunizieren. Die Mär von den „Pull-Faktoren“, die dazu führen, dass Menschen sich mit dem Traum vom Asylbewerberleistungsgesetzbezug auf eine lebensgefährliche Flucht begeben, wird bedient (im Ernst: Pull-Faktoren sind Bullshit. Auch zum Nachlesen, ganz modern unter #Pullshit).
    tagesschau (12.07.19)

 

  • Wer durch einen anderen Staat flieht und in den USA Asyl beantragt, hat künftig keine Chance mehr, dies dort zu erhalten. Zuerst muss im anderen Staat Asyl beantragt worden sein. Das hat US-Präsident Donald Trump so beschlossen. Dafür soll die Liste der von den USA als sicheres Drittland geführten Länder ausgeweitet werden. Bisher steht nur Kanada da drauf. Trump kündigte weiterhin an, in den Sanctuary Cities, Städten, die Menschen Schutz vor Abschiebung garantieren, Razzien durchführen zu lassen um illegalisierte Menschen außer Landes zu schaffen. Und der US-Präsident setzt noch einen drauf: wer die US-amerikanische Staatsbürgerschaft hat, der*die ist US-Amerikaner*in. Keine weiteren Fragen. Diesen Anspruch haben die Vereinigten Staaten und mit ihnen weitere amerikanische Staaten seit jeher – im bewussten Gegensatz zu vielen europäischen Staaten mit klaren Traditionen ethnischer Staatsbürgerschaft, dem Ius sanguinis beziehungsweise Abstammungsprinzip mit völkischem Beigeschmack. Trump empfahl nun, entgegen des Grundsatzes Ius soli beziehungsweise Geburtsortsprinzip des amerikanischen Kontinents, vier Mitgliedern des Kongresses, allesamt Frauen mit Migrationsbiografie, in „die Orte, aus denen sie gekommen sind“ zurückzugehen. Dabei ist es vollkommen egal, welche der vier Frauen US-amerikanischer Staatsbürgerschaft in den USA geboren wurden oder nicht – die Äußerungen sind rassistisch, sind illegal. Die Führung der Demokratischen Partei und einige Mitglieder der Republikanischen Partei verurteilten Trumps Äußerungen als Ausdruck „weißen Nationalismus.“
    Zeit (15.07.19)

Bund, Land, Kommune

  • Menschen in Abschiebehaft auch in Justizvollzugsanstalten inhaftieren – das ermöglicht das Hau-Ab-Gesetz aus dem Hause Seehofer. Bisher haben nur Sachsen-Anhalt und Bremen dem epd signalisiert, dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen. Andere Bundesländer prüfen die Möglichkeit oder geben an, dass sie keine konkreten Pläne hierzu hätten. Baden-Württemberg wiederum verwies auf die Überbelegung in den Justizvollzugsanstalten. Das sächsische Innenministerium sieht die Kapazitäten in der Dresdner Abschiebehaftanstalt als „nach derzeitigem Stand ausreichend“ an.
    tagesspiegel (13.07.19)
    LVZ (13.07.19)

 

  • Das Bundesland Berlin hat letzte Woche den Ausreisegewahrsam am Flughafen Berlin Schönefeld eröffnet. Bis zu 20 Menschen können dort inhaftiert bei einer maximalen Dauer von zwei Tagen sein. Damit will Berlin die maximal zulässige Gewahrsamslänge von zehn Tagen unterschreiten.
    SZ (12.07.19)

 

  • Es gibt wieder eine „Soko Rex“ in Sachsen. Das Innenministerium kündigt an, verstärkt gegen Rechtsradikalismus vorzugehen, die Sonderkommission werde unter dem Dach des Polizeilichen Terrorirmus- und Extremismusabwehrzentrum (PTAZ) agieren. Der Schutz von Mandats- und Amtsträger*innen ist eine der Aufgaben der 45 Soko-Beamt*innen. Außerdem solle das Frühwarnsystem ausgebaut werden. Dazu zählt sicherlich: Hass im Internet verfolgen. Das geschieht aber weiterhin nur anlassbezogen, heißt, jemand muss der Polizei melden, dass ein bestimmter Post oder Tweet gegebenenfalls strafrechtlich relevant ist. Eine „Internetstreife“ wie in anderen Bundesländern gibt es immer noch nicht, also Beamt*innen, die selber recherchieren.
    MDR Sachsen Spiegel, Video (08.07.19)
    Einen ausführlichen Bericht zu den Internetstreifen, die in anderen Bundesländern praktiziert werden, bei MDR Sachsen. Eine weitere, dort offengelegte Hürde: online kann bei der Polizei Sachsen derzeit keine anonyme Anzeige erstattet werden. Personen, die also auf einen bestimmten Sachverhalt aufwendig machen müssen, müssen gerade bei mutmaßlichen Straftaten aus der rechtsradikalen Szene damit rechnen, dass ihre persönlichen Daten bei Anwält*innen aus eben dieser Szene landen. Der Umweg derzeit: die Onlineportale anderer Landeskriminalämter nutzen, die Vertraulichkeit und Anonymität garantieren. Innenminister Wöller sieht dafür aber keinen Bedarf.
    MDR Sachsen (26.06.19)

 

  • Das Viertel um die Leipziger Eisenbahnstraße hat Solidarität bewiesen. Der Protest gegen die Abschiebung eines Menschen syrischer Staatsbürgerschaft nach Spanien vergangene Woche hatte 500 Demonstrant*innen auf die Straße gebracht. Schlussendlich wurde die Abschiebung vollzogen und der Mann von seiner Familie getrennt. Am Tag zuvor kam es bereits im Osterzgebirge zu einer Familientrennung. Die schwangere Mutter ist mit den zwei Söhnen in Moskau, die Reise nach Kaliningrad in der russischen Enklave kann sie sich nicht leisten. Zurück blieb der Familienvater, der sich noch im Asylverfahren befand und nicht abgeschoben werden durfte. Inzwischen hat er signalisiert, dass er „freiwillig ausreisen“ will. Die Landesdirektion hat sich diese Familientrennungen vorzuwerfen und, im Falle der Familie aus dem Osterzgebirge, eiskalt getäuscht zu haben. Denn die Wahrung der Familieneinheit bei etwaigen Rückführungsmaßnahmen sicherte sie zu. In einer gemeinsamen PM berichten AG Asylsuchende Sächsische Schweiz / Osterzgebirge und SFR von beiden Fällen. Die Polizei Sachsen wiederum sieht sich mit dem Vorwurf der Polizeigewalt konfrontiert. Neben anderen wie den ebenso anwesenden MdLs Jule Nagel, Marco Böhme, dem desgnierten Stadtrat Jürgen Kasek, dem Journalisten René Loch, der Initiative Cop Watch und zahlreichen weiteren Demonstrant*innen berichtete Josephine Garitz, Vorstand des SFR, von der Eskalation der Polizei, die ohne Anlass geschah. Nazis müssen sich vorwerfen lassen, Marco Böhme mit Mord zu drohen.
    LIZ mit dem lesenswerten Protokoll einer Eskalation (10.07.19)
    MDR aktuell mit Stimmen zum Polizeieinsatz und mit SFR-Vorstand Garitz zur Unsinnigkeit der Abschiebung (10.07.19)
    MDR Sachsen Spiegel mit Perspektive von Cop Watch (10.07.19)
    LVZ mit Kritik des SFR zur Abschiebepraxis der vergangenen Jahre (10.07.19)
    PM von SFR und AG Asylsuchende mit ihrer Kritik am europäischen, zentrale Merkmale von Fluchtbewegungen verfehlenden Asylsystem, umfassend aufgegriffen in der LVZ (11.07.19)
    FP (12.07.19)

Hintergrund und Meinung

  • „Und wenn die AfD regiert? ‚Dann werde ich fliehen.'“ so die Aussage von Ahmad aus Dresden, der bereits aus Afghanistan geflohen ist. In dieser Reportage von Christian Unger über Geflüchtete und ihre Positionen vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg wird die Angst vor dem Rechtsruck deutlich, aber auch, dass es nicht erst der Wahlsiege der rechtsradikalen AfD bedarf, damit Geflüchtete Ausgrenzung und Rassismus begegnen. Angefangen bei den Blicken in der Straßenbahn, die Betroffene durchaus registrieren bis hin zu Bautzen und Chemnitz. Diese Bilder überlagern selbst positive Nachrichten, die es aus Sachsen und Brandenburg zu verzeichnen gibt. In Sachsen sind sieben Prozent der Menschen ohne Arbeit geflüchtet, in Brandenburg liegt die Quote bei 6,5 Prozent. Als Vergleich werden Bremen mit 13 Prozent und das Saarland mit zwölf Prozent herangeführt. Für Ahmad ist klar, dass die Situation in Sachsen „besonders“ sei. Dennoch liebe er Dresden und wünscht sich, dass die Stadt „bunt“ bleibe.
    WAZ (15.07.19)

 

  • Dominik Bartsch ist Repräsentant des UNHCR in Deutschland. Im Interview mit dem tagesspiegel bestätigt er erneut die Erkenntnisse des UNHCR über das Grauen, dass in den libyschen Lagern herrscht. Ab und an könne die internationale Organisationen einen Zugang aushandeln und einige wenige in Sicherheit bringen. Evakuieren könne sie dann beispielsweise in den Niger. Er fordert, dass alle in Libyen Internierten freigelassen werden. Da die Lager sich aber auch nicht wieder füllen dürfen, indem die libysche Küstenwache weiterhin Menschen auf dem Mittelmeer abfängt und zurückbringt, müsste die EU ihre Zusammenarbeit „mit klaren Bedingungen“ verknüpfen (alternativ könnte sie die Zusammenarbeit natürlich auch einfach beenden). Er verweist auf die zudem komplett unbekannte Lage in den Wüsten. Dass dort Menschen sterben, ist klar, das Ausmaß ist jedoch nicht bekannt, die Aufmerksamkeit für das dortige Sterben gering.
    tagesspiegel (10.07.19)
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