PM: BAMF versucht kurzen Prozess bei georgischem Geflüchteten und scheitert

Im Falle eines georgischen Antragstellers entscheidet das BAMF entgegen der eigenen Expertise
Wer einen Antrag bei Behörden und Ämtern stellt, darf damit rechnen, dass er eingehend geprüft wird. Dieser verwaltungsrechtliche Grundsatz gilt jedoch ausgerechnet bei Asylanträgen nicht in jedem Fall. „Offensichtlich unbegründet“ heißt die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), wenn Antragsteller*innen beispielsweise aus einem sogenannten „Sicheren Herkunftsstaat“ kommen. So traf es auch den in Georgien verfolgten und krebskranken Herrn G. georgischer Staatsbürgerschaft. Fragwürdig, denn Georgien gilt nach geltendem Recht nicht als „sicher“. Seine drohende Abschiebung setzte das Verwaltungsgericht Dresden nun aus.

Herr G. ist eine*r von mehreren Menschen aus Georgien, deren Asylverfahren in der Beratungsstelle des Sächsischen Flüchtlingsrats e.V. Aufmerksamkeit erregten. Denn Georgien gilt nach wie vor nicht als „Sicherer Herkunftsstaat“. Doch sein Asylantrag wurde als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Franziska Jaster berät Herrn G. Gegenüber dem BAMF hatte er politische Verfolgung durch die regierende Partei „Georgischer Traum“ wie seine schwere Krebserkrankung geltend gemacht. Jaster findet: „Mit Blick auf den Jahresbericht 2017/18 von Amnesty International zu Georgien ist davon auszugehen, dass Menschenrechtsverletzungen, begangen von staatlichen Stellen, straflos bleiben. Heißt, ‚offensichtlich‘ sollte für das BAMF gar nichts sein, wenn es Asylanträge von georgischen Schutzsuchenden prüft.“ Jasters Auffassung wird dabei nicht allein von Amnesty International gestützt. Auch von staatlicher Seite werden „vereinzelte Berichte“ angeführt, dass

„Regierungsvertreter  und  deren  Unterstützer  Angehörige  der  Opposition,  Mitarbeiter  der  Zentral-  und  Kommunalverwaltung  sowie  Lehrer  und  Gewerkschaftsmitglieder  durch  Überwachungsmaßnahmen und angedrohte oder tatsächliche Entlassungen unter Druck gesetzt hätten.“

Verfasser dieser Zeilen: ausgerechnet das BAMF, so niedergeschrieben in seinem Länderreport zu Georgien vom November 2018. Die Behörde, die Herrn G.s Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt hat. Herr G. selber sagt: „Für die regierende Partei ‚Georgischer Traum‘ ist der politische Gegner der Feind.“ Als Mitglied und hochrangiger Funktionär einer Oppositionspartei wurde er mehrfach angegriffen, unter anderem von Mitgliedern vom „Georgischen Traum.“ Herr G. hatte im Kommunalwahlkampf 2017 für die Partei „Vereinte Nationale Bewegung“ kandidiert. Seine Frau unterstützte ihn im Wahlkampf. Ihr Blumengeschäft wurde abgebrannt, der Hund der Familie getötet. Die beiden fliehen. Während es Herr G. nach Deutschland schafft, ist Frau G. heute in Griechenland, ihr Asylverfahren dort läuft noch.

Mit der Entscheidung des BAMFs hätte Herr G. jederzeit, während das durch seinen Anwalt direkt eingeleitete Klageverfahren läuft, abgeschoben werden können, denn die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Für Jaster steht fest: „Die ‚offensichtlich unbegründete‘ Ablehnung ist an sich ein Skandal, da sie dem Anspruch an faire Verwaltungsverfahren widerspricht. Speziell bei den uns vorliegenden Fällen greift das BAMF der Einstufung Georgiens als ’sicher‘ vor.“ Und tatsächlich, die Entscheidung „offensichtlich unbegründet“ fiel im Jahr 2018 in 50,9 Prozent aller bundesweiten Ablehnungen georgischer Antragsteller*innen (vgl. BT-Drs. 19/8701, Frage 14). Eine Praxis, die sich ebenso bei BAMF-Entscheidungen zu Menschen aus Algerien, Marokko und Tunesien feststellen lässt – alles Länder, die nach wie vor nicht als „Sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft wurden. Jaster schließt daraus: „Das BAMF macht Politik im Sinne der Abschiebedoktrin des Bundesinnenministers. Das mag einem gefühlten Zeitgeist entsprechen, ist rechtlich nur absolut unsicheres Fahrwasser.“

Vorläufiger Schutz vor Abschiebung für Herrn G.

„Es steht einem Rechtsstaat nicht gut an, wenn gerade die Behörden, die über existentielle Fragen entscheiden, den Eindruck erwecken, nicht jeden Antrag genau zu prüfen.“ streicht Herrn G.s Rechtsanwalt Jan Weidemann heraus. Immer wieder sehe sich das BAMF mit diesem Vorwurf konfrontiert, längst hätte ein Umsteuern stattfinden müssen. Dem Eilantrag, den Weidemann für G. einreichte, gab das Verwaltungsgericht Dresden Anfang Juli statt. Es ordnete an, dass bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts nicht abgeschoben werden darf. Was hier erst bei Gericht beantragt werden musste – dass einer Gerichtsentscheidung durch Abschiebung nicht vorgegriffen wird – sei rechtsstaatlicher Standard. So sieht es Weidemann. Ob Herr G. einen Schutzstatus in Deutschland erhält, ist dabei noch völlig offen. Das Verwaltungsgericht Dresden will dem Hauptsacheverfahren aber nicht vorgreifen. Vorerst genügt der Richterin, dass die Krebserkrankung ein Abschiebungsverbot begründen könnte, dementsprechend setzt sie die drohende Abschiebung aus. Weidemann: „Für Herrn G. besteht Hoffnung auf einen Schutzstatus in Deutschland. Unter humanitären Gesichtspunkten eine erlösende Nachricht für eine schwer krebskranke Person. Was bleibt ist der Vorwurf, dass das BAMF bei Georgien – wie auch bei den Maghreb-Staaten – mit aller Macht blind für berechtigte Fluchtgründe bleiben will.“

Herr G. will seine Frau noch einmal wiedersehen. Derzeit wird versucht, ihre Einreise nach Deutschland aus Griechenland zu ermöglichen. Die Krankheit bei Herrn G. jedoch ist weit fortgeschritten, ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.

Kontakt

Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Franziska Jaster
-Asylberatung-
Mobil: 01590 / 162 70 06
Tel.: 0351 33 221 273
jaster@sfrev.de

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