Gemeinsame PM: Uneingeschränkte Berücksichtigung des Kindeswohls statt Abschiebungen um jeden Preis

Die Landesflüchtlingsräte, der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Jugendliche ohne Grenzen fordern anlässlich des Weltkindertags:

Der diesjährige Weltkindertag am 20. September steht unter dem Motto „Wir Kinder haben Rechte!“. Vor genau 30 Jahren wurde die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen beschlossen. An diesem Tag rücken die Bedürfnisse von Kindern und vor allem ihre speziellen Rechte in den Fokus der Öffentlichkeit. Doch deutschlandweit werden bei Abschiebungen regelmäßig die Rechte von geflüchteten Kindern verletzt.
Immer wieder berichten Geflüchtete von brutalen, häufig nachts stattfindenden Abschiebungen von Familien mit Kindern, von Familientrennungen und von der Missachtung von Abschiebungshindernissen, die bei den betroffenen Kindern vorliegen. Die Flüchtlingsräte, der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und die Jugendlichen ohne Grenzen fordern die beteiligten Behörden dazu auf, die in der UN-Kinderechtskonvention festgeschriebene vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls umfassend und uneingeschränkt zu achten.

„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichwohl ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ (Artikel 3 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention)

Das Wohl des Kindes findet jedoch im Kontext von Abschiebungen regelmäßig keine Beachtung. Kinder, die von Abschiebungen betroffen sind, gehen hier zur Schule und in den Kindergarten, sind zum Teil in Deutschland geboren. Dem besonderen Bedarf geflüchteter Kinder nach einem sicheren und stabilen Zuhause und der Verwurzelung der Kinder in Deutschland wird bei Behördenentscheidungen in der Regel kein Gewicht beigemessen. Bei der Abschiebung selbst werden Kinder oft mitten in der Nacht von der Polizei aus dem Schlaf und aus ihrem Leben in Deutschland gerissen. Sie sind der Situation völlig hilflos ausgeliefert, können zum Teil nicht einmal ihre Sachen packen geschweige denn sich von ihren Freund*innen, Lehrer*innen und Erzieher*innen verabschieden.

„Die Angst vor Abschiebungen ist für geflüchtete Kinder und Jugendliche ein ständiger Begleiter. Sie haben Angst davor, in ein Land abgeschoben zu werden, aus dem sie mit ihren Eltern fliehen mussten oder in ein Land zurückkehren zu müssen, das sie noch nie gesehen haben“, beschreibt Jibran Khalil von Jugendliche ohne Grenzen die Situation.

Zum Teil erfolgen Abschiebung sogar aus Kindertagesstätten, Jugendhilfeeinrichtungen und Schulen heraus. So wurde etwa Anfang August ein 14-jähriges Mädchen aus einer Jugendhilfeeinrichtung in Kirchheim (Baden-Württemberg) in einer Nacht- und Nebel Aktion abgeschoben. Der besondere Schutzzweck von Jugendhilfeeinrichtungen als „sicheren Orten“ wurde dabei vollständig ignoriert. (www.elk-wue.de/02082019-diakonie-empoert-ueber-abschiebe-aktion)
„Kinder und Jugendliche müssen zur Schule und Kita gehen können, ohne Angst zu haben. Jugendhilfeeinrichtungen müssen sichere Orte sein“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband umF. „Wir fordern von Bund und Ländern ein eindeutiges Bekenntnis zum Schutz vor Abschiebung aus Kindertagesstätten, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen.“

Des Weiteren wird bei Abschiebungen von Familien teilweise massive Gewalt gegen Eltern angewendet, auch vor den Augen der Kinder.

„Uns erreichen Berichte von Fesselungen, Schlägen und Einsatz von Pfefferspray gegen Eltern im Beisein ihrer Kinder “, so Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin. „Nicht selten sind Kinder nach solchen Abschiebungen traumatisiert oder retraumatisiert, nässen ein, sprechen mit niemandem mehr und haben furchtbare Alpträume.“

„Sehr geehrter Herr J., sehr geehrte Frau J., in Beantwortung Ihres Schreibens […] teilen wir Ihnen mit, dass bei etwaigen Rückführungsmaßnahmen die Einheit der Familie berücksichtigt wird.“

Was die Landesdirektion Sachsen der Familie J. aus dem Landkreis Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge da schreibt, beruhigt die Eltern zweier Söhne. Denn Herr J. ist noch im Asylverfahren. Zudem sind Herr und Frau J. nicht verheiratet. Dennoch erkennt die Landesdirektion sie in ihrem Schreiben als Familie an. Getrennt wird sie am Montag dem 08. Juli  2019 trotzdem. Angela Müller vom Sächsischen Flüchtlingsrat (SFR): „Die  Behörden täuschten die Menschen bewusst oder sie agierten intern absolut unkoordiniert – beides ist nicht hinnehmbar.“ Damit nicht genug, die im fünften Monat schwangere Frau J. landet mit den Kindern in Moskau. Sie hat derzeit kein Geld, um nach Kaliningrad zu reisen.

„Dabei verbietet Art. 9 der UN-Kinderrechtskonvention eine nicht dem Kindeswohl entsprechende Trennung der Kinder von den Eltern ausdrücklich“, ergänzt Müller vom SFR.

„Es kann nicht sein, dass von den Abschiebebehörden das nationale Interesse möglichst vieler Abschiebungen über das weltweit in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegte Interesse des Kindeswohles gestellt wird“, so Müller weiter, „Wir fordern die Landesregierungen auf, die Rechte von Kindern uneingeschränkt einzuhalten und bei jedem behördlichen Handeln das Kindeswohl prioritär zu beachten.“

Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Angela Müller
-Asylberatung-
Mobil: 0176 211 286 10
mueller@sfrev.de

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