Pressespiegel zur Asylpolitik vom 07. Januar 2020

Pressespiegel zur Asylpolitik vom 07. Januar 2019
Erstellt von Mark Gärtner / gaertner@sfrev.de

Geschehenes – Kurzmeldungen

Blick nach Europa und die Welt.

  • Abschiebehaft in Japan – das sind im Durchschnitt zwei Jahre. Ein fünftel der im Abschiebegefängnis Ushiku Inhaftierten sitzen bereits seit drei Jahren dort. Die Bedingungen sind schlecht, die Gesundheitsversorgung miserabel, das gesteht gar die Leiterin einer Ausländerbehörde gegenüber dem DLF ein. Japan hat im letzten Jahr 42 Menschen als Flüchtlinge anerkannt, 10.000 wurden abgeschoben, etwa 20.000 sind ausreisepflichtig.
    DLF (21.12.19)

 

  • Am 29. Dezember legte die Alan Kurdi der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye in Sizilien mit 32 geretteten Menschen an.
    SZ (29.12.19)

 

  • Die Ocean Viking hat vor Libyen bei zwei Rettungseinsätzen 159 Menschen gerettet. Sie gingen drei Tage später im italienischen Tarent an Land.
    Welt (20.12.19)
    Zeit (23.12.19)

 

  • Elf Menschen afghanischer Staatsbürgerschaft wurden bei Passau aus einem Kühllaster befreit. Sie waren offenbar in Serbien zugestiegen.
    SPON (23.12.19)

 

  • Die griechische Regierung rechnet 2020 mit etwa 100.000 Menschen, die aus der Türkei über die Ägäis fliehen. Griechenland sieht eine Lage kommen, die „deutlich kritischer“ sei als 2015, da die Menschen diesmal auf den Inseln bleiben müssten. Damals hätten sie weiterfliehen können. Abgeschoben werden sollen nach griechischen Plänen 10.000 Menschen. Vor Weihnachten entbrannte weiterhin eine Debatte in Deutschland, ob wenigstens 4.000, zumeist unbegleitete, Minderjährige von den griechischen Inseln geholt werden. Nach den LINKEN und dem niedersächsischen SPD-Innenminister Boris Pistorius erhob auch Grünen-Chef Robert Habeck diese Forderung. Geworden ist daraus nichts, die Ausrede: es könne kein „deutscher Alleingang“ gestartet werden. Die Wortwahl bereits falsch, ist es doch nach EU-Recht ausdrücklich möglich, dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten die Verantwortung für Asylverfahren übernehmen.
    SPON (18.12.19)
    Zeit (22.12.19)

 

  • In 2020 sollen 30.000 Menschen über das EU-Resettlement in den Mitgliedsstaaten aufgenommen werden. Seit 2015 wurden kamen über selbiges Programm 65.000 Menschen nach Europa, das Vorhaben der EU-Kommission kann angesichts von blockierenden Mitgliedsstaaten als ambitioniert gewertet werden. Menschen, die sich derzeit in der Türkei, dem Libanon, Jordanien und nordafrikanischen Ländern aufhalten, sollen zuvorderst umsiedeln dürfen.
    Zeit (18.12.19)

 

  • Am 30. Dezember retteten französische Einsatzkräfte 19 Fliehende aus dem Ärmelkanal. Sie wollten nach Großbritannien übersetzen.
    Zeit (30.12.19)

Bund, Land, Kommune

  • Bis zum 31. Oktober 2019 wurden 20.996 Menschen aus der Bundesrepublik abgeschoben, etwa 1.000 weniger als in selbigem Vorjahreszeitraum.
    Zeit (25.12.19)

 

  • Die CSU plant, die Liste der „Sicheren Herkunftsstaaten“ auf Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien auszuweiten ohne dafür die Zustimmung des Bundesrats einzuholen. Was anmaßend anmutet, sind es doch gerade Länder wie auch die Kommunen, die maßgebliche asylpolitische Akteur*innen sind. Überraschend dürfte ein solcher Plan nach Andi Scheuers PKW-Maut und der sich dort offenbarten, in der CSU vorherrschenden Verwirrung über die Feinheiten föderaler Systeme allerdings nicht sein.
    Zeit (03.01.19)

 

  • 9.528 von Geflüchteten im Asylverfahren ausgelesene Handys, 3.267 davon von BAMF-Jurist*innen freigegeben, in ganzen zwei Prozent der Fälle kam es zu Ungereimtheiten bei der Identität von Schutzsuchenden (Ungereimtheit ungleich Täuschung!), bei brutalen 58 Prozent der Fälle keine, wirklich keine verwertbaren Ergebnisse – die Bilanz aus dem Jahr 2019 der ganz großen, millionenteuren Digitalisierungsoffensive des BAMF. Deren Ergebnis obendrein noch verfassungswidrig sein könnte (die Deutsche Gesellschaft für Freiheitsrechte bemüht sich um Bundesverfassungsgerichtssprechung) und zudem kaum aussagekräftige, da reden wir noch nicht mal von Verwertbarkeit, Datensätze hervorgebracht hat. Topp! Auch klasse: der Vortrag von Anna Biselli und Lea Beckmann beim Leipziger Kongress 36c3 des Chaos Computer Clubs zu „Digitalisierter Migrationskontrolle“.
    Tagesspiegel (31.12.19)

 

  • Brandenburg hat ein Aufnahmeprogramm für Familienmitglieder von Geflüchteten syrischer Staatsbürgerschaft verlängert. Durch das seit drei Jahren laufende Programm konnten rund 300 Menschen zu ihren Angehörigen ersten Grades nachreisen.
    SZ (19.12.19)

 

  • Berlin hatte Ende letzten Jahres 37 Menschen aufgenommen, die im Mittelmeer gerettet wurden. Damit stehe Berlin zu seiner Verpflichtung, die es im Bündnis „Sichere Häfen“ eingegangen sei, so der Regierende Bürgermeister Michael Müller. Die 37 gehören zu einer Gruppe von insgesamt 132 Personen, die nach Zusage Deutschlands aus Italien ausreisen durften. Elf von ihnen, darunter eine schwangere Frau, hatten in Italien über Monate keine Zugang zu ärztlicher Versorgung und Winterkleidung, da Italien sie nach der Zusage Deutschlands als Durchreisende behandelt hatte. Weitere Bundesländer, die neben Berlin aufnehmen, sind NRW, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
    Berliner Morgenpost (20.12.19)
    Tagesspiegel (20.12.19)
  • Bis zum 31. Oktober 2019 kamen 5.405 Geflüchtete neu in Sachsen an und damit 2.129 weniger als in selbigem Vorjahreszeitraum. Die meisten Menschen kommen aus Venezuela, gefolgt von Georgien und Syrien. Insgesamt lebten am 30. November 22.352 Menschen im Asylverfahren in Sachsen.
    Sächsische Zeitung (26.12.19)

 

  • „Sachsen wird diverser“ titelt die taz und nimmt damit vorweg, was die neue Koalition aus CDU, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD erst noch einlösen muss. In der Asylpolitik blieb der große Wurf aus, an vielen einzelnen Stellen soll es jedoch Verbesserungen geben. Lediglich „vorsichtig optimistisch“ wird der SFR in der taz zitiert, könne das Innenministerium doch „weiter recht frei agieren“.
    taz (23.12.19)

 

  • Vor Weihnachten gipfelte die rassistische Gewalt in Dresden in mehrere Angriffe. Eine Unterkunft für unbegleitete Minderjährige wurde attackiert, ein Mensch tunesischer Staatsbürgerschaft in der Straßenbahn zusamengeschlagen, ein Vierjähriger wird vom Laufrad getreten. SFR, Ausländerrat und die Koordinatorin für Sachsen des Bundesfachverbands für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge (BumF), Franziska Jaster, äußerten sich dazu in einer PM. Am 21. Dezember signalisierten Teilnehmer*innen iner von Dresden Nazifrei organisierten Demonstration ihre Solidarität mit den Betroffenen rassistischer Gewalt. Auch der Sächsische Ausländerbeauftragte, die, damals noch mit dieser Amtsbezeichnung, sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping und Oberbürgermeister Dirk Hilbert verurteilten die Angriffe. Dem Voraus ging am 08. Dezember ein Angriff auf eine Elfjährige in Sebnitz, auf sie wurde eingetreten. Als „Peer-Gewalt“ bezeichnet Jaster das, was da geschah, die Tatverdächtigen sind im jugendlichen Alter, genau wie beim Angriff auf die Unterkunft für unbegleitete Minderjährige. Jaster: „Das Problem heißt Rassismus und es existiert in jeder Altersgruppe, in ganz Sachsen.“
    MDR (16.12.19)
    ADDN (21.12.19)
    taz (30.12.19)

 

  • An Heiligabend kam es zu einem Streit in einem Pfarrhaus in Aue, dabei wurde eines der Gemeindemitglieder durch ein Messer verletzt. Der mutmaßliche Täter ist geflüchtet, was Nazis einen Anlass für Hetze gab. Mit 2.200 Teilnehmer*innen standen sie nach Weihnachten auf dem Auener Altmarkt während zum Friedensgebet die St.-Nicolai-Kirche voll gefüllt war. Ein antifaschistischer Protest kam auf Anliegen der vor Ort Aktiven nicht zustande.
    MDR (28.12.19)

 

  • Am Silvestertag organisierten Aktivist*innen eine Kundgebung vorm Dresdner Abschiebeknast. Anlass war, Neujahrsgrüße an die Inhaftierten, die dort ohne Straftat einsitzen müssen, zu senden. Die Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden unterstrich in einem Redebeitrag die antisemitische Geschichte der nun 101-jährigen Abschiebehaft und forderte das Recht auf Bewegungsfreiheit ein. Einige der Inhaftierten kommunizierten mit den Demonstrant*innen durch das schnelle Ein- und Ausschalten des Lichtes in ihren Zellen.
    Sächsische Zeitung (31.12.19)
    ADDN (02.01.19)

 

  • Zwei Menschen stehen in Leipzig vor Gericht, weil ihnen Landfriedensbruch und Widerstand gegen Polizeibeamt*innen vorgeworfen wird. Sie zeigten sich am 10. Juli 2019 solidarisch mit einem Menschen syrischer Staatsbürgerschaft, der nach Spanien abgeschoben werden sollte. Spontan versammelten sich damals etwa 500 Menschen auf der Hildegardstraße in Leipzig. Die bereits dort auftretende und breit kritisierte Polizeigewalt kann heute wohl als Auftakt für den Silvestertag in Connewitz gewertet werden.
    LIZ (29.12.19)

 

  • Das SFR-Jahresmagazin „Querfeld“ aus dem Jahr 2019 wird in der LIZ rezensiert. Das Magazin kann weiterhin unter querfeld@sfrev.de bestellt werden.
    LIZ (20.12.19)

Hintergrund und Meinung

  • Tolles Interview von addn mit der Abschiebehaftkontaktgruppe mit Einblicken in die Abschiebehaft Dresden und die Arbeit selbiger Gruppe! Lesen!
    addn (22.12.19)

 

  • In einem Gastbeitrag für das Migazin schreibt MdB Ulla Jelpke über die „fatale Fixierung auf Abschiebung“. Sie hält dort einen überraschenden Befund parat: in Bundesländern, in denen die Abschiebungszahlen überdurchschnittlich steigen (Schleswig-Holstein und Bayern) steigt auch die Zahl der Ausreisepflichtigen. Und in Ländern mit rückläufigen Abschiebezahlen (Berlin und Sachsen-Anhalt) auch die Zahl der Ausreisepflichtigen gesunken ist. Wie kann das sein? Jelpke problematisiert zunächst die Vergleichbarkeit der Zahlen, unter anderem auf Grund der schlampig geführten, kaum aussagekräftigen Kategorie „ausreisepflichtig“ im Ausländerzentralregister, führt dann aber doch eine Erklärung an. Möglichkeiten der Aufenthaltsverfestigung könnten Länder nun einmal unterschiedlich liberal anwenden, seien das humanitäre Aufenthaltstitel oder auch die Ausbildungsduldung. Sie schreibt: „Die von der Bundeskanzlerin vorgegebene Abschiebungslinie wird zwar viel menschliches Leid und Elend erzeugen, sie wird aber die dem Phänomen der Ausreisepflicht zugrunde liegenden Probleme und Aufgaben nicht lösen. Ein politisches Umdenken in der Flüchtlingspolitik ist deshalb dringend erforderlich.“
    Migazin (20.12.19)

 

  • Heute wird die neue, österreichische Regierung aus ÖVP und Grünen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen „angelobt“, wie es auf Österreichisch ausgedrückt wird. In einer Analyse der Zeit schreibt Florian Gasser, die Grünen hätten maßgebliche Erfolge beim Klimaschutz in den Koalitionsvertrag hineinhandeln können. Die Asylpolitik jedoch sei „geopfert“ worden. Betreuung und Rechtsberatung von Schutzsuchenden sollen fortan von einer staatlichen Agentur gestemmt werden, im Falle von „Krisen im Bereich Migration und Asyl“ wurde sich auf einen koalitionsfreien Raum geeinigt. Heißt, die ÖVP kann sich auch andere Mehrheiten, beispielsweise mit der ihr durch gemeinsame Regierung bekannten FPÖ, im Parlament suchen, ohne dass die Regierung dadurch infrage gestellt wird. Auch gesellschaftspolitisch hat sich die ÖVP in einigen Punkten durchgesetzt, beispielsweise soll nun ein Kopftuchverbot in Schulen gelten.
    Zeit (04.01.20)
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