SFR Newsletter 10/2020

#wirhabenPlatz! Die Situation an der griechisch-türkischen Grenze, an Land wie auf den Inseln in der Ostägäis, ist fatal. Berichte der New York Times über ein geheimes Lager in Griechenland, in das Menschen eingesperrt werden um sie ohne Asylverfahren abzuschieben offenbaren, wie tiefgreifend die Menschenrechtsverletzungen in Europa wirken. Jedes Nachgeben und Stillhalten erweitert den Aktionsraum der Rechtsradikalen massiv. Was dort passiert, ist keine „Flüchtlingskrise“, es ist eine Krise der humanitären Werte.

Wir sagen: die Menschen müssen weg da. Lediglich 400 Minderjährige in der Bundesrepublik aufzunehmen, 20 davon in Sachsen, genügt bei Weitem nicht – eine solche Zahl ist zynisch. An rechtlichen Möglichkeiten muss nun genutzt werden, was da ist: der Familiennachzug, die Spielräume der §§ 22 und 23 Aufenthaltsgesetz nutzen, die eine legale Einreise von Menschengruppen ermöglichen, humanitäre Visa etc.

Wir dürfen nicht länger schweigen oder einzig in Empörung verfallen, angesichts der dramatischen Situation auf den griechischen Inseln und an der griechisch-türkischen Grenze. Am kommenden Dienstag treffen sich die deutsche Bundeskanzlerin Angelika Merkel und der französische Staatspräsident Macron mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in Istanbul um über die Situation zu sprechen. Am Mittwoch, dem 18. März 2020, hat der EU-Türkei-Deal seinen vierten Jahrestag. Dieser Deal ist maßgeblich für die verheerende Menschrechtssituation auf den griechischen Inseln und der Aushöhlung des Asylrechts verantwortlich. Gleichzeitig hält der Sächsische Landtag am Mittwoch eine aktuelle Stunde zu #wirhabenPlatz ab. Zeit also, den Druck zu erhöhen und den Menschen in Entscheidungspositionen zu zeigen, dass wir nicht länger nur zuschauen wollen, sondern die Kommunen, das Land und den Bund in die Verantwortung nehmen und endlich verantwortungsvolles, menschenwürdiges Handeln sehen wollen.

Wir rufen dazu auf, sich mit einem Brief oder per Mail an das Bundesinnenministerium, die sächsischen Minister*innen für Inneres (Roland Wöller), Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (Petra Köpping) sowie für Justiz, Demokratie, Europa und Gleichstellung (Katja Meier) sowie an den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zu wenden. Teils sind hinter den Links neben den Adressen auch die Telefonnummern zu den Bürger*innenbüros der Ministerien zu finden. Oder schreibt an die Abgeordneten in Bundes- und/ oder Landtag aus eurem Wahlkreis. Kontaktdaten gibts hier: www.abgeordnetenwatch.de. Oder meldet euch bei euren Landrät*innen oder Bürgermeister*innen. Es gilt nun, Druck auf allen Ebenen, gleich ob Bund, Land oder Kommunen auszuüben, denn alle drei sind Akteur*innen in dieser Frage! Wir haben einen Mustertext vorbereitet, den findet ihr hier als doc-, odt- und pdf-Dokument.

Weiterhin kann nach wie vor die Petition zu #wirhabenPlatz! für Sachsen unterzeichnet werden.

Ein diese Woche veröffentlichtes Rechtsgutachten der Uni Hamburg legt übrigens dar, dass das in oben genanntem Paragraphen 23 Aufenthaltsgesetz geregelte Einvernehmen des Bundesinnenministeriums mit einem Aufnahmeprogramm eines Bundeslands eng auszulegen ist. Das heißt, zwar muss das Bundesinnenministerium zustimmen, es hat jedoch lediglich dafür zu sorgen, dass sich mehrere Landesaufnahmeprogramme nicht zu stark voneinander unterscheiden! Die Aufnahme von Schutzsuchenden aus einem EU-Mitgliedstaat durch die Bundesländer ist also rechtlich zulässig.

Afghanistanabschiebung.

Am Mittwoch wurden zwölf Menschen aus Sachsen abgeschoben. Die Zahl derer, die Sachsen seit Oktober 2017 in den Krieg Afghanistans abgeschoben hat, erhöht sich auf 49. In Sachsen herrschte danach Fassungslosigkeit. Wir haben Stimmen aus dem halben Land in einer Pressemitteilung gesammelt, von Arbeitgeber*innen, Freund*innen, Berater*innen, aus dem Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau. Dort hat „Endland“ Premiere, eine Dystopie, in der Herr S. mit aufgetreten wäre. Er befindet sich seit Donnerstag Morgen in Kabul. Das Stück beginnt 19.30 Uhr. Vorher wird um 18 Uhr bei einer Podiumsdiskussion die Frage diskutiert, ob die Dystopie Endland nicht eigentlich schon begonnen hat. Unter unteren wird Franziska Schubert, MdL, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN teilnehmen. Mit Angela Müller und Steffen Miroll von der Dresdner Asylberatungsstelle des SFR wird der Flüchtlingsrat an diesem Tag in Zittau zugegen sein.

Derzeitiger Umgang des SFR e.V. mit Corona. Im Zuge der gemeinsamen Bemühungen, das Corona-Virus einzudämmen, werden wir die offene Sprechzeit von RESQUE zunächst die kommenden zwei Wochen (KW 13+14) geschlossen halten.

Wir bleiben aber durchgehend telefonisch (0351 / 796 651 57 / 0351 / 309 90 102)  und per Email (lehmann@sfrev.de / mahmoudi@sfrev.de / garthus-niegel@sfrev.de) für Beratungsanfragen verfügbar und können auch in dringenden Fällen nach Vereinbarung persönliche Einzelberatungen anbieten.

Die Schließung betrifft derzeit nicht die Asylberatungsstellen in Dresden, Chemnitz und Leipzig und ihre mobilen Beratungsangebote sowie die Flüchtlingssozialarbeit in Chemnitz. Die Kolleg*innen werden die offenen Sprechzeiten, Stand 13. März 2020, in der kommenden Woche weiterhin anbieten. Wir behalten uns vor, per Sondernewsletter sowie über unsere Website und Social Media über etwaige Änderungen zu informieren.

Dieses Vorgehen entspricht einem Beschluss des Vorstands des SFR e.V. vom 12. März 2020, in welchen unsere Projekte zunächst selber entscheiden, ob sie offene Sprechzeiten weiterhin anbieten oder nicht, sofern offizielle Verlautbarungen nicht einen anderen Umgang verlangen.

Weiterleitung eines Statements des Ausländerrats Dresden: „Nach dem Treffen von unserem Vorstandsmitglied Victor Vincze in seiner Funktion als Vorsitzender des Dresdner Integrations- und Ausländerbeirates mit der AfD-Stadtratsfraktion vom 09. März 2020 hat sich der Vorstand des Ausländerrates Dresden e.V. gestern [10. März 2020] Abend ausführlich darüber beraten. Der Vorstand hat dabei beschlossen, dass die Vorstandstätigkeit von Victor Vincze im Ausländerrat Dresden e.V. bis zur planmäßigen Vorstandswahl im November 2020 ruhen wird.“ Das Statement auf Facebook.

Der SFR begrüßt die entschlossene, entschiedene, zügige und öffentliche Reaktion der Belegschaft, der Mitglieder wie der weiteren Vorstandsmitglieder des Ausländerrats Dresden e.V. Danke, dass ihr da seid!

Weiterleitung – „an alle von Rassismus betroffenen Menschen, BPoC (Blacks and People of Color) im Raum Dresden – Aufruf zur Selbstorganisation in Dresden. […] Da der Staat uns nicht schützt, brauchen wir einen eigenen Schutzraum, wo wir uns auf Augenhöhe organisieren können, in der wir unsere Wut und Angst also unsere Gefühlen aussprechen können.

Lasst uns eine eigene Identität schaffen, in der wir unserer gemeinsamen Erfahrung mit Rassismus einen Ausdruck verleihen können. Wir müssen das selbst in die Hand nehmen. Niemand kann im Namen von uns handeln, das können nur WIR selbst!

Wenn du dich angesprochen fühlst, dann komm zum ersten Treffen, in dem wir Ideen und weitere
Handlungsmöglichkeiten sammeln können. Denn es ist wichtig, möglichst viele Perspektiven zu haben, um unserer Stimme einen nachhaltigen Ausdruck zu verleihen. Lasst uns organisieren, vernetzen und uns gegenseitig stärken.“

Am 26. März, 18 Uhr im Internationalistischen Zentrum, Riesaerstraße 32. Der gesamte Aufruf auf Deutsch, Englisch, Tigrinya, Arabisch, Türkisch, Französisch.

Freiwillige gesucht! Die Helpline Dresden, ein Projekt des RAA Sachsen e.V., sucht Freiwillige. In Notfällen werden Menschen, die zum Ziel rassistischer oder rechtsmotivierter Gewalt werden, mit der Polizei vermittelt, sodass die kapieren, was sie tun müssen. Zu weiteren, geeigneten Beratungsstellen werden Hinweise gegeben. Bewerben bis zum 06. April, alle Infos hier.

VERANSTALTUNGSREIHE

Wie funktioniert Abschiebehaft? Welche Kritikpunkte gibt es? Wer ist involviert? Wie kann ich Betroffene unterstützen? Brauchen wir in unserer Gesellschaft überhaupt Gefängnisse? Vom 20. März bis zum 23. April gehen Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden und Anarchist Black Cross diesen und anderen Fragen nach und wollen Abschiebehaft aus verschiedenen Perspektiven betrachten. (Folgende Informationen auch auf Englisch)

20. März: Solidarität muss praktisch werden – Die Abschiebehaftkontaktgruppe stellt ihr Arbeit vor, AZ Conni: Rudolf-Leonhard-Str. 39, 19 Uhr | Vortrag auf Deutsch

25. März: Asylum and Deportation – Perspektiven auf Abschiebehaft von der Gruppe ‚Women in Exile‘ aus Berlin, Betriebsküche, Berliner Str. 63a, 18 Uhr | Vortrag auf Englisch

2. April: Filmvorführung „Deportation Class“ – Dokumentarfilm über Abschiebungen mit Stimmen von Betroffenen, Kino in der Fabrik: Tharandter Str. 33, Zeit wird online veröffentlicht | Deutsch mit englischen Untertiteln

8. April: Perspektiven auf Abschiebehaft – Ein Betroffener, eine Anwältin, eine Aktivistin und ein Seelsorger teilen ihre Perspektiven auf Abschiebehaft, Weltclub: Königsbrücker Straße 13, 18 Uhr | Vorträge auf Deutsch

17. April: 3-Gänge-Solimenü – Die Einnahmen gehen an aktuelle Fälle von Repression im Zusammenhang mit Flucht und Migration, AZ Conni: Rudolf-Leonhard-Str. 39, 18:30 Uhr

23. April: Demonstration – Gemeinsam gegen die Abschiebehaft in Dresden
Als Abschluss der Veranstaltungsreihe wollen wir den Betroffenen unsere Unterstützung zeigen.
Bahnhof Mitte, 17 Uhr

Weitere Informationen findet ihr unter: www.abschiebehaftkontaktgruppe.de & www.abcdd.org

TERMINE

Offene Einrichtungen bieten für junge Menschen einen Ort, in Austausch zu kommen, über Werte zu diskutieren und die Persönlichkeit zu entwickeln. Wie funktioniert Wertebildung und wie kann diese in der Jugendarbeit mit jungen Geflüchteten gestaltet werden? „Vollwertkost“ lautet der entsprechende Name für die Veranstaltung der AGJF am 05. und 06. März. Infos und Anmeldung hier.

„Sicher Argumentieren gegen Rechts“ heißt die Fortbildungsreihe von GEW Sachsen und Kulturbüro Sachsen, die am 14. März startet. Angesprochen sind Lehrer*innen, Kita-Mitarbeiter*innen und weitere Menschen, die im pädagogischen Bereich arbeiten. Infos mit allen Terminen der Workshops hier, Anmeldung hier.

Ebenso von den AGJF: Hinter’m Horizont. Systemische Perspektiven im Kontext Flucht und Migration am 18. März. Die AGJF laden sozialpädagogische Fachkräfte ein, Ansätze des Systemischen Arbeitens kennenzulernen und diese für eine diversitätsbewusste Arbeit mit jungen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung nutzbar zu machen. Infos und Anmeldung hier.

Der Jüdische Frauenverein Dresden und der Dachverband Sächsischer Migrantenorganisationen laden zur Ausstellungseröffnung „Warum wir nach Dresden gekommen sind…“ am 19. März, 14 Uhr im Bürohaus Lingnerallee 3. Die Ausstellung zeigt das Verfolgungsschicksal jüdischer Kontingent-Flüchtlinge aus der Ukraine. Sie berichten in Gesprächen über die Gründe ihrer Flucht. Weitere Informationen.

In Kooperation mit weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen laden wir für den 24. März um 19 Uhr in Leipzig in die Moritzbastei. „Dahin, wo der Pfeffer wächst.“ lautet der Titel der Veranstaltung. Kirsten Maas-Albert (Heinrich-Böll-Stiftung), Thomas Schmid (Journalist) und Gjulner Sejdi (Romano Sumnal e.V.) diskutieren die deutsche Abschiebepolitik. Immer mehr Asylrechtsverschärfungen führen zu immer weniger Rechten für Schutzsuchende und stärkeren Durchgriffsrechten des Staates. Anlass ist die zum Titel der Veranstaltung gleichnamige Publikation der Böll-Stiftung (PDF). Mehr Infos zur Veranstaltung hier.

Geert Mackenroth, MdL für die CDU und Sächsischer Ausländerbeauftragter, der er laut Beschlussvorlage von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD für die kommende Plenarwoche bleiben wird, Juliane Nagel, MdL für DIE LINKE und Mark Gärtner vom SFR diskutieren am 26. März im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus zum Thema „Lager oder dezentrale Unterbringung? Wo Geflüchtete menschenwürdig wohnen!“ Beginn ist 18 Uhr in der WIR AG in Dresden, moderiert wird die Geschichte von Marianne Thum von der AG Asylsuchende Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge e.V. Infos auf FB.

Steigende Mieten sind halt Mist. Finden wohl die allermeisten Menschen. So auch Geflüchtete. Deswegen werden wir zum Mietenaktionstag am 28. März auch zugegen sein. Die Kundgebung startet um 14 Uhr auf der Lingnerallee! Der Aufruf hier.

Die Chemnitzer „Buntmacher*innen“ organisieren am 04. April von 14 bis 18 Uhr vor dem Nischel in Chemnitz ein „Interkulturelles und inklusives Picknick.“ Vereine und Institutionen sind aufgerufen, mitzugestalten. Meldet euch bei diebuntermacher_innen@web.de!

„Der ganz eigene Weg. Mädchen*arbeit im Kontext Flucht, Asyl und Migration“ heißt die Fachtagung des AGJF Sachsen e.V. am 29. April 2020. Sie widmet sich den Lebenswirklichkeiten, Herausforderungen sowie Ressourcen von Mädchen* und jungen Frauen* mit Migrations- bzw. Fluchterfahrung und lädt zur Auseinandersetzung damit ein, wie diese in der pädagogischen Arbeit unterstützt werden können, ihren ganz eigenen Weg zu gehen. Infos und Anmeldung hier.

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