"Ankerzentrum" Dresden mit Verwaltungsgebäude im Vordergrund

PM: Dresdner Lager unter der Lupe – terre des hommes veröffentlicht Recherche

Institutionelle Gewalt – Lagerpolitik in Sachsen
„Kein Ort für Kinder“ ist die Recherche und Analyse von terre des hommes über Lager in Baden-Württemberg, Brandenburg, und Sachsen überschrieben. Über Monate hinweg ist das Team in den Bundesländern herumgereist, führte insgesamt 59 Interviews und sammelte Berichte. Anlass: das System der Aufnahme Geflüchteter hat sich seit 2015 stark verändert.

terre des hommes veröffentlichten am Freitag eine umfassende Recherche zu Aufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen. Für Sachsen wurden stellvertretend die Dresdner Lager Hamburger und Bremer Straße untersucht. Konkret stellt das Rechercheteam fest, was seit Längerem gesichertes Wissen ist: die Zimmer sind nicht abschließbar, immer wieder kommt es – legitimiert durch die Hausordung – zu Zimmerdurchsuchungen, die psychische Gesundheit erodiert. Zur Situation Minderjähriger formuliert eine Mitarbeiterin des Psychosozialen Zentrums Dresden: „Ich habe den Eindruck, dass es den Kindern psychisch sehr schlecht geht und sie auch sehr unter der Situation der Eltern leiden. Die Kinder, die ihre Eltern zu uns begleiten, machen häufig einen erschöpften Eindruck. Und je länger sie da drin sind, desto schlechter wird ihr Zustand.“ Das Problem beginnt von Anfang an, bei der Identifizierung, Versorgung und angemessenen Unterbringung besonders Schutzbedürftiger. Zu dieser Personengruppe zählen auch psychisch erkrankte und traumatisierte Menschen. Dazu äußert sich der SFR in der Recherche: „Oft hast du das Gefühl, dass es keine richtigen Abläufe hierfür gibt und ad hoc entschieden wird. Es bewegt sich dann erst etwas, wenn Kritik von außen kommt. Doch selbst wenn Gutachten von Therapeut*innen vorliegen, gibt es oft keine Verteilung.“

Eindimensionales Dogma beschleunigter Asylverfahren

Motivation aller Veränderungen am Aufnahmeprocedere Schutzsuchender war immer, dass Asylverfahren beschleunigt werden sollen. Nur die sollten die Lager verlassen, die hier bleiben dürfen. Berücksichtigt wurde da oftmals nicht einmal, dass zahlreiche Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch die Verwaltungsgerichte korrigiert werden – zu Gunsten der Kläger*innen. Diese Eindimensionalität resultiert nun in der Gefahr, die diese Lager für alle Menschen darstellen. Vor allem Kinder und Jugendliche aber auch alle weiteren, besonders Schutzbedürftigen sind betroffen. Das Rechercheteam kommt zu dem Schluss: „Kinder in Aufnahmeeinrichtungen sind schädlichen Einflüssen, Gewalt und Gefährdungen ihrer psychischen und physischen Gesundheit häufig schutzlos ausgeliefert.“ Die Formen der Gewalt sind vielfältig. Physische und psychische Gewalt sind vorhanden genauso wie strukturelle Gewalt – beispielsweise gesellschaftlicher Ausschluss durch die Regelungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts oder die unzureichende, gesundheitliche Versorgung. Auch zeigt sich: kommunale Jugendämter fühlen sich oft nicht zuständig und stützen sich auf die unzutreffende Rechtsauffassung, dass für Familien in Lagern keine Zuständigkeit der Kommunen besteht. Eine Mitarbeiter*in des Jugendamt Dresdens sagt: “ Wir werden nur punktuell bei Kindeswohlgefährdungen gerufen […].“ Ein Halbsatz, in seiner Schlichtheit eine Offenbarung.

Gesamtgesellschaftliche Kosten sind unermesslich

Klar ist für terre des hommes mit Blick auf Bildungsangebote, wie sie auch in den sächsischen Lagern durchgeführt werden: “ Die Verbesserung der Situation in den Aufnahmeeinrichtungen, die derzeit mit großem Engagement vieler Akteurinnen und Akteure vor Ort vorangebracht wird, wie etwa Beschulungs- und Betreuungsangebote, Gewaltschutzmaßnahmen und bauliche Verbesserungen, ist wichtig. Sie kann jedoch die strukturellen Probleme und Rechtsverletzungen an Kindern und Jugendlichen nicht beheben.“ Anders ausgedrückt: die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Lagerpolitik sind nicht bezifferbar. Sie fügt Menschen langfristigen Schaden zu, ist „institutionelle Gewalt“ (Frankfurter Rundschau). Sie muss ein Ende haben!

Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat
-Co-Geschäftsleitung-
Mark Gärtner
Tel.: 0351 / 33 23 55 94
Mobil: 0176 / 427 286 23
Mail: pr@sfrev.de

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